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NSU-Terror
Thüringen bittet um Verzeihung

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat sich bei den Angehörigen der NSU-Opfer für das Versagen der Ermittlungsbehörden entschuldigt. Der Landtag hatte in einer Sondersitzung über den gestern veröffentlichten Untersuchungsbericht zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) debattiert. Als Zuhörer im Parlament saßen auch Hinterbliebene der Opfer.

22.08.2014
    Im Beisein von Angehörigen der Opfer und Diplomaten ihrer Herkunftsländer Griechenland und Türkei gedenken Abgeordnete des Thüringer Landtages der Ermordeten der NSU und der bei den Anschlägen Verletzten.
    Landtagssondersitzung zu NSU-Bericht (picture alliance / dpa / Michael Reichel)
    Thüringen hat die Hinterbliebenen der Opfer des NSU-Terrors um Entschuldigung gebeten. Im Erfurter Landtag sagte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), sie verneige sich vor den Opferangehörigen "mit Scham, Trauer und der Bitte um Vergebung". Sie bekannte, dass die Ermittlungsbehörden versagt hätten. Die Demütigungen durch falsche Verdächtigungen hätten den Schmerz für die Opfer und die Hinterbliebenen zusätzlich vergrößert. Zuvor hatte bereits Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) die Hinterbliebenen und die teils lebensgefährlich Verletzten der Sprengstoffanschläge in Köln um Verzeihung gebeten.
    Die Namen der Opfer wurden vorgelesen
    Die Sondersitzung des Parlaments galt dem am Vortag veröffentlichten Thüringer Untersuchungsbericht zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU). Darin wirft der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaft schwere Versäumnisse bei den Anfang 1998 begonnenen Ermittlungen gegen die Neonazi-Gruppe vor. Die drei Mitglieder der Terrorzelle stammen aus Thüringen. Zu den 300 Gästen des Plenums gehörten neben Familienangehörigen von Opfern und Betroffenen des Anschlags von Köln auch der griechische Botschafter und der türkische Generalkonsul.
    Ausschussvorsitzende Dorothea Marx (SPD) verlas zum Beginn der Sitzung die Namen der Opfer und verwies auf die besondere Verantwortung Thüringens für die Aufarbeitung der NSU-Mordserie. Die drei mutmaßlichen Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe lebten seit 1998 unbehelligt im Untergrund, bis ihre Taten nach einem Banküberfall in Eisenach am 4. November 2011 aufgedeckt wurden. Ihnen wird die Ermordung von neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft sowie einer Polizistin zur Last gelegt.
    Nachhaltige Konsequenzen gefordert
    Böhnhardt und Mundlos wurden nach dem Eisenacher Banküberfall tot aufgefunden. Zschäpe steht als einzige Überlebende des Trios seit über einem Jahr in München vor Gericht.
    In der Aussprache forderten Vertreter aller Landtagsparteien nachhaltige Konsequenzen aus dem Behördenversagen. Zudem bekräftigten sie ihre Forderungen nach einem NPD-Verbot. Ministerpräsidentin Lieberknecht und Sozialministerin Heike Taubert (SPD) betonten, gegenüber Feinden der Demokratie dürfe es keine Toleranz geben. Lieberknecht erklärte, Landtag und Regierung in Thüringen stünden für eine vollständige, schonungslose und transparente Aufklärung der NSU-Verbrechen. Das sei die Voraussetzung, um der Vertrauenskrise zu begegnen, "in die uns das Versagen der Behörden gestürzt hat". Auch der Bundestag hatte einen NSU-Untersuchungsausschuss eingesetzt, der 2013 vor der Bundestagswahl seinen Bericht vorgelegt hatte.
    (pg/nin)