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Bundestag
Große Koalition erwägt längere Wahlperiode

In der Großen Koalition gibt es Überlegungen, den Bundestag nicht mehr für vier, sondern für fünf Jahre wählen zu lassen. Trotz ihrer deutlichen Mehrheit bräuchten Union und SPD dafür aber die Zustimmung der Opposition.

Von Gudula Geuther | 28.12.2013
    Die Idee einer längeren Wahlperiode ist nicht neu, aber in einer Großen Koalition hat sie eher Verwirklichungschancen, zumal in einer so großen wie dieser. Denn nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit könnte Artikel 39 des Grundgesetzes geändert werden. Der besagt: Der Bundestag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen auf vier Jahre gewählt. Wobei diese nachfolgenden Bestimmungen daran für den Regelfall nichts ändern.
    Bundestagspräsident Norbert Lammert, CDU, hatte die Diskussion in einem Interview neu belebt. Da man seines Erachtens ohnehin das Wahlrecht überdenken solle, wäre es naheliegend, auch über die Verlängerung der Legislaturperiode zu sprechen. Vertreter von CDU und SPD hatten daraufhin in der "Berliner Zeitung" Offenheit signalisiert. Nahezu überfällig nennt die Neuregelung der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann. Es geht um Vorüberlegungen, betont gegenüber unserem Hauptstadtstudio Christine Lambrecht, die neue erste parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion.
    "Das ist sicherlich ein Thema, über das man sprechen kann, aber sicher nicht mit oberster Priorität."
    Ihr - ebenfalls frisch gekürter - Kollege von der CSU, Max Straubinger, dagegen befürwortet die Verlängerung ohne Einschränkung. Gegenüber dem Deutschlandfunk nennt er vor allem den Grund, dass das Parlament sachlicher arbeiten könnte. Genauer gesagt,
    "dass im parlamentarischen Betrieb innerhalb von vier Jahren ein Jahr benötigt wird, bis die ganze Regierungstätigkeit, beziehungsweise Parlamentstätigkeit richtig ins Laufen und ins Rollen kommt. Darüber hinaus sehr vieles von Wahlkämpfen dann auch beeinflusst ist. Ich bin mir sicher, dass wenn die Legislaturperiode auf fünf Jahre ausgelegt ist, im Bundestag wesentlich unbeeindruckter von einzelnen Wahlkämpfen auch Gesetze dann beschlossen werden."
    Dem CSU-Fraktionsgeschäftsführer scheint es auch naheliegend, die Wahlperioden von Bundestag, EU-Parlament und Landtagen anzugleichen. Tatsächlich wählen neben der EU inzwischen auch alle Bundesländer bis auf Bremen alle fünf Jahre. Allerdings, sagt Straubinger, einen Gleichlauf brauche man nicht anzustreben, der würde wegen möglicher Rücktritte oder anderer Gründe für Neuwahlen ohnehin nicht lange halten. Kritiker längerer Wahlperioden fürchten Demokratiemüdigkeit. Jan Korte etwa. Der Linksfraktionsvize sagte der "Berliner Zeitung", bevor über eine Verlängerung von Wahlperioden diskutiert werde, brauche dieses Land mehr direkte Demokratie. So sieht es auch die SPD-Politikerin Lambrecht.
    "Beispielsweise Volksentscheide, Volksbegehren. So ist es ja auch in den Ländern, in den Bundesländern geschehen, als dort die Legislaturperiode verändert wurde. Nur das gibt den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, dann auch während einer fünfjährigen Legislaturperiode Einfluss zu nehmen. Und das ist ja auch ein großer, ein sehr ausgeprägter Wunsch. Ich glaube, man kann nicht das eine tun und das andere lassen."
    Die SPD hätte ohnehin gern mehr direkte Demokratie in den Koalitionsvertrag geschrieben, konnte sich aber nicht durchsetzen. Nicht gegenüber der CDU. Und auch Max Straubinger, dessen CSU sich Volksentscheide über Europafragen wünscht, erteilt solchen Überlegungen auf Bundesebene eine Abfuhr.
    "Deutschland richtig zu regieren, ist mit unserer parlamentarischen Demokratie bisher gut gelungen."
    Das mindert die Chancen auf Konsens. In Zeiten einer Großen Koalition müsse die Opposition mitmachen, wünscht sich der SPD-Politiker Hartmann. Das ist nicht nur demokratisch guter Ton, sondern rechnerische Notwendigkeit. Denn für die Grundgesetzänderung bedürfte es auch einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat. Und dort hat die Große Koalition gerade mal 24 von 69 Stimmen. Vor allem an den Grünen, die in sechs Landesregierungen sitzen, kommt für eine Verfassungsänderung niemand vorbei.