Donnerstag, 02. Mai 2024

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Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure

Das Gute zuerst: Großküchen sind längst nicht mehr die Bazillen- und Schimmelherde, als die sie jahrelang geschmäht wurden. Die Mensen der Studentenwerke, die Krankenhausküchen: die meisten tipptopp. Auch der Einzelhandel bereitet den Lebensmittelkontrolleuren keine großen Sorgen. Die schlechte Nachricht: In der Kleingastronomie geht’s oft nicht ganz so vorschriftsmäßig zu - vor allem, wenn in schlechten Zeiten dauernd die Besitzer wechseln. Und jetzt die ganz schlechte Nachricht: So ganz genau wissen auch die Lebensmittelkontrolleure oft nicht, wie es in Küchen, Kühltruhen und Industrieanlagen zugeht. Denn während in Brandenburg fast jeder Betrieb einmal Besuch von den Prüfern bekam, nahmen die rheinland-pfälzischen Kontrolleure nur jeden dritten Gastronomen bzw. jedes dritte Kühlregal unter die Lupe. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2001, neuere gibt’s noch nicht, sagt Hans-Henning Viedt, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure. In Deutschland würden Gaststätten, Einzelhändler und Lebensmittelfabriken weit seltener kontrolliert als von der EU gefördert, moniert Viedt:

Von Sandra Pfister | 09.09.2003
    Das hat sich auch nicht verbessert, sondern eher verschlechtert aufgrund der Zahlen, die uns vorliegen. Wir haben eine Durchschnittsquote von überwachten Betrieben von 62 Prozent, in Rheinland-Pfalz wurden nur 30 Prozent der Betriebe überhaupt überwacht, und da kann man ja nicht mehr von Verbraucherschutz in Deutschland reden.

    Drei Kontrollen am Tag, mehr ist nicht drin, wenn nicht geschlampt werden soll, versichern erfahrene Lebensmittelkontrolleure. An 220 Arbeitstagen würde ein Beamter pro Jahr dann 660 Betriebe besuchen können. Derzeit brummen ihm die Behörden jedoch weit mehr als das Doppelte auf. Doppelt so viele Einsatzkräfte, fordert daher der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure: 5000 statt 2500. Doch das ist illusorisch.

    Es fehlt das Geld. Lebensmittelsicherheit ist zwar Bundessache. Doch der Bund hat die Prüfung an die Länder delegiert. Die wiederum geben die Aufgaben an die Kommunen weiter. Und die sparen, wo sie können. Offene Stellen würden vielfach jahrelang nicht wieder besetzt, vor allem in Ostdeutschland, klagt der oberste Lebensmittelkontrolleur. Überspitzt gesagt: Der Verbraucherschutz hängt nicht zuletzt vom Reichtum der jeweiligen Stadt ab:

    Wir haben Kommunen, die sind hervorragend ausgestattet, und wir haben Kommunen, wo sich sechs Lebensmittelkontrolleure immer noch einen Fotoapparat teilen müssen. Da ist immer der Betrieb glücklich dran, wo der Kontrolleur keinen Fotoapparat dabei hat, weil da kann man schlecht dokumentieren ohne Fotos, man muss es beschreiben, und das ist dann in den Gerichtsverhandlungen sehr schwierig.

    Fotoapparat, Digitalthermometer, Taschenlampe - selbst die einfachsten Hilfsmittel fielen mancherorts der Sparwut zum Opfer. Der Wunschzettel der Lebensmittelkontrolleure ist klar: Eine bessere Ausstattung, mehr Stellen, und eine Verwaltungsvorschrift, die allen Bundesländern drei Stichproben pro Tag und Kontrolleur vorschreibt.