Jochen Spengler: Vor dem Bundesverfassungsgericht ist der EU-Haftbefehl deswegen gelandet, weil es um einen konkreten Fall geht. Am 24.11.2004 sollte ein Deutscher syrischer Herkunft von Berlin aus an die spanische Justiz überstellt werden. Der Mann wird verdächtigt eine zentrale Figur im El-Kaida-Terrornetzwerk zu sein. Er saß auch schon im Flugzeug nach Madrid, da stoppten die Richter des Bundesverfassungsgerichts auf eine Beschwerde hin per Fax diese Auslieferung. Denn die Richter hegten und hegen Rechtszweifel, ob die rechtsstaatlichen Grundsätze gewahrt sind. Ab heute wird darüber in Karlsruhe verhandelt. Wir sind verbunden mit der Bundesministerin für Justiz, Brigitte Zypries, die nicht zu den Bedenkenträgern gehört. Frau Zypries, vor drei Jahren hätten deutsche Behörden einen Deutschen niemals ins EU-Ausland ausgeliefert, jetzt wohl. Worin besteht denn da der Fortschritt?
Brigitte Zypries: Der Fortschritt besteht auf europäischer Ebene darin, dass wir sagen, wir haben ein einheitliches Europa. Das einheitliche Europa gibt an den Grenzen vollständige Freiheit, es gibt Arbeitsfreiheit, es gibt Niederlassungsfreiheit, es gibt Dienstleistungsfreiheit. Das heißt dann aber auch, dass sich die Menschen aus dem jeweils anderen EU-Staat rechtmäßig in den Ländern verhalten müssen, sich an die dort geltenden Gesetze halten müssen. Wenn jemand schwere Straftaten begeht, so wie es ja Mamoun Darkazanli vorgeworfen wird - da geht es ja nicht um Ladendiebstahl -, dann muss er damit rechnen, dass er von dem Land vor Gericht gestellt wird. Dass das überhaupt möglich ist, das beruht auf einer Verfassungsänderung. Der deutsche Verfassungsgeber hat, Bundestag und Bundesrat, mit fast 100 Prozent gesagt, wir wollen, dass das möglich ist.
Spengler: Wenn es so ein Auslieferungsersuchen gibt, dann prüft eben ein deutsches Gericht nicht mehr, wie es früher war, mit Zeit, mit Zeugenvernehmung und eben auch nicht, ob das Delikt in Deutschland überhaupt strafbar wäre?
Zypries: Das ist nicht richtig. Es wird nach wie vor geprüft, ob die beiderseitige Strafbarkeit, so nennt man das, besteht. Das wird entweder im Einzelfall geprüft oder es ist quasi vorab geprüft worden und steht in einem so genannten Katalog. Delikte wie Mord, Todschlag, schwerer Betrug und andere Sachen sind in allen europäischen Staaten strafbar. Da hat man gesagt, diese Delikte können wir zusammenfassen in eine Rubrik, da müssen wir dann nicht immer im Einzelfall prüfen, sondern wir wissen, dass Mord in allen Ländern strafbar ist und bei Mord kann dann eben jemand ausgeliefert werden.
Spengler: Nun ist ja zum Beispiel in Irland Abtreibung Mord. Könnte es passieren, dass eine Deutsche, die hier abgetrieben hat von Deutschland, sozusagen an Irland ausgeliefert wird?
Zypries: Nein, das kann nicht passieren. Zunächst mal ist die ganz überwiegende Meinung der Auffassung, dass Mord eben Mord an einer lebenden Person voraussetzt und nicht an einem Fötus, sodass Abtreibung schon mal gar nicht unter diese Katalogtat fallen würde. Selbst wenn man das aber machen wollte, gibt es natürlich noch zahlreiche so genannte Verhältnismäßigkeitssicherungen im Nachhinein, dass heißt, jeder Staat, auch Deutschland würde prüfen, nachdem es festgestellt hat, es ist eine beiderseitige Strafbarkeit gegeben, wird gegen die Grundsätze unseres Rechtsstaats verstoßen. Das heißt, in dem Falle beispielsweise müssten wir jemanden ausliefern für eine Tat, die bei uns strafbar ist. Das würden wir dann nicht tun, diesen Vorbehalt haben wir und diesen Vorbehalt kann das Gericht prüfen. Wenn das Gericht das nicht tut, dann kann das an zweiter Stelle noch mal in der doppelten Prüffolge der Staat tun, der dann auch noch mal mitprüfen muss, ob der Staatsbürger dann nun endgültig ausgeliefert wird.
Spengler: Wird mit dem EU-Haftbefehl nicht gegen ein ehernes juristisches Prinzip verstoßen, das da lautet, von dem auch eben im Bericht die Rede war: keine Strafe ohne Gesetz? Also, wenn man Unrecht begeht, muss man vorher wissen, was überhaupt strafbar ist. Das heißt ja, dass ein Bürger wissen müsste, was Recht und Gesetz in 25 Staaten ist, weil es sich ja doch unterscheidet?
Zypries: Wenn ich das sagen darf, ich glaube, dass verwechseln Sie jetzt, das wird in dem konkreten Fall Darkazanli gesagt, keine Strafe ohne Gesetz.
Spengler: Weil damals, als er das begangen hat, das in Deutschland noch nicht unter Strafe war. Also, die Bildung einer terroristischen Vereinigung im Ausland.
Zypries: Genau. Dass ist aber genau der Denkfehler, der da gemacht wird, weil man natürlich nicht kontrolliert, ob die Tat, die er in Spanien begangen hat, in Deutschland insofern strafbar wäre, als es sich dann um die Ausländer-Inländer-Problematik handelt, sondern man müsste das spiegelbildlich nach Deutschland transferieren. Die Spanier sagen, er ist schuldig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Spanien. Diesen Straftatbestand gab es in Deutschland natürlich schon: schuldig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Deutschland. Insofern stimmt es nicht, denn wir würden ja jetzt nicht prüfen, ist er in Deutschland, kann er da angeklagt werden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Spanien. Das kann ja nicht funktionieren, sondern es muss spiegelbildlich nach Deutschland übertragen werden, und das heißt, terroristische Vereinigung im Inland, und das war in Deutschland strafbar. Von daher sehe ich auch da gar kein Problem.
Spengler: Also, Sie sagen, der EU-Haftbefehl verstößt inhaltlich nicht gegen das Grundgesetz?
Zypries: Ich meine der EU-Haftbefehl als Ganzes verstößt nicht und in diesem konkreten Fall gibt es noch viel weniger Anhaltspunkte.
Spengler: Wenn denn aber die Bundesregierung argumentiert, wir sind ohnehin völkerrechtlich verpflichtet, zwingendes europäisches Recht, bedingungslos und unabhängig von der Verfassung umzusetzen, heißt das dann nicht doch, die Regierung agiert unabhängig vom Grundgesetz?
Zypries: Nein, das heißt es nicht. Denn das Grundgesetz gibt ja gerade der Regierung die Ermächtigung, das zu tun. Wir haben ja die Verfassung geändert, sowohl in Artikel 23 und haben dort festgelegt mit verfassungsändernder Mehrheit von Bundestag und Bundesrat, dass Hoheitsrechte nach Europa übertragen werden können. Wir haben für diesen konkreten Fall noch mal die Verfassung geändert und gesagt, Auslieferungen Deutscher sind zulässig. Da ist eine zweimalige Verfassungsänderung erfolgt, und wir haben auch ein innerstaatliches Verfahren, das auch hier eingehalten wurde. Das heißt, die Parlamente sind während der Erarbeitung dieses Rahmenbeschlusses beteiligt worden, es gab im Parlament breite Diskussionen über diesen Rahmenbeschluss.
Spengler: Das ist also nicht so, dass das Parlament einfach nur abnickt, was die Minister in Brüssel beschlossen haben?
Zypries: Nein, das ist Sache des Parlaments wie es damit umgeht. Das Parlament hat alle Rechte, diese Sachen zu diskutieren und es hat auch bei diesem Rahmenbeschluss diskutiert. Es gab beispielsweise auch ganz andere Einwände, nämlich die Frage von Abgeordneten, warum wir überhaupt noch die beiderseitige Strafbarkeit verlangen und nicht ganz darauf verzichten.
Spengler: Also, der Bundestag hätte das Gesetz ablehnen dürfen?
Zypries: Er hätte es nicht mehr ablehnen dürfen nachdem der Rahmenbeschluss gefasst war. Der Rahmenbeschluss ist europäisches Recht und umzusetzen.
Spengler: Aber das ist doch genau das Problem oder nicht?
Zypries: Das kann man so oder so sehen. Die Abgeordneten hatten ja sowohl vor der Erstellung des Rahmenbeschlusses schon die Möglichkeit, die Regierung zu binden. Sie hätten sagen können, wir wollen nicht als Abgeordnete, dass ihr diese Regelung so trefft in diesem Rahmenbeschluss. Das hätten sie tun können, das haben sie aber nicht getan.
Spengler: Wenn nun das Bundesverfassungsgericht doch urteilen sollte, nein, dieses Europa funktioniert nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien so wie Sie es gerade geschildert haben. Die Abgeordneten müssen vorher sozusagen sagen, nein, das wollen wir nicht. Die Beschlüsse könnten deswegen nicht bindend sein. Was wäre dann?
Zypries: Eine solche Entscheidung kann ich mir schlechterdings nicht vorstellen, denn die Verfassung sieht vor, dass die Abgeordneten im Vorfeld befasst werden, das Parlament im Vorfeld befasst wird. Das wird auch gemacht von Seiten der Regierung und ich kann deshalb nicht erkennen, dass irgendetwas verfassungs- oder rechtsstaatswidrig sein sollte, wenn jemand die Rechte, die er hat, vielleicht nicht in dem Maße wahrnimmt, wie sich das andere wünschen würden.
Spengler: Aber wenn das nun ganz ausgeschlossen würde, würde ja nicht darüber verhandelt werden?
Zypries: Naja, da ist ja doch eine große Bandbreite denkbar an dem, was man da, zu welchem Ergebnis man da kommen kann. Abgesehen davon, dass man natürlich auch zu dem Ergebnis kommen kann, wir haben das jetzt mal breit diskutiert und es ist alles in Ordnung, kann man natürlich auch in vielen kleineren Abstufungen sagen, da müsste noch mal drüber nachgedacht werden.
Spengler: Wäre man, und dies kurz zum Schluss, nicht auf der sicheren Seite, wenn man einfach dem Europaparlament mehr Rechte gäbe und es einfach an diesem Gesetzgebungsverfahren beteiligte?
Zypries: Das Europaparlament ist beteiligt worden an dem Gesetzgebungsverfahren, allerdings nur in dem Rahmen, wie das im Moment vorgesehen ist. Wenn wir die Europäische Verfassung haben werden, dann wird eine wesentlich breitere und intensivere Beteiligung des Europäischen Parlaments erfolgen und dann werden Demokratiedefizite, wie sie derzeit noch gerügt werden können, nicht mehr bestehen.
Brigitte Zypries: Der Fortschritt besteht auf europäischer Ebene darin, dass wir sagen, wir haben ein einheitliches Europa. Das einheitliche Europa gibt an den Grenzen vollständige Freiheit, es gibt Arbeitsfreiheit, es gibt Niederlassungsfreiheit, es gibt Dienstleistungsfreiheit. Das heißt dann aber auch, dass sich die Menschen aus dem jeweils anderen EU-Staat rechtmäßig in den Ländern verhalten müssen, sich an die dort geltenden Gesetze halten müssen. Wenn jemand schwere Straftaten begeht, so wie es ja Mamoun Darkazanli vorgeworfen wird - da geht es ja nicht um Ladendiebstahl -, dann muss er damit rechnen, dass er von dem Land vor Gericht gestellt wird. Dass das überhaupt möglich ist, das beruht auf einer Verfassungsänderung. Der deutsche Verfassungsgeber hat, Bundestag und Bundesrat, mit fast 100 Prozent gesagt, wir wollen, dass das möglich ist.
Spengler: Wenn es so ein Auslieferungsersuchen gibt, dann prüft eben ein deutsches Gericht nicht mehr, wie es früher war, mit Zeit, mit Zeugenvernehmung und eben auch nicht, ob das Delikt in Deutschland überhaupt strafbar wäre?
Zypries: Das ist nicht richtig. Es wird nach wie vor geprüft, ob die beiderseitige Strafbarkeit, so nennt man das, besteht. Das wird entweder im Einzelfall geprüft oder es ist quasi vorab geprüft worden und steht in einem so genannten Katalog. Delikte wie Mord, Todschlag, schwerer Betrug und andere Sachen sind in allen europäischen Staaten strafbar. Da hat man gesagt, diese Delikte können wir zusammenfassen in eine Rubrik, da müssen wir dann nicht immer im Einzelfall prüfen, sondern wir wissen, dass Mord in allen Ländern strafbar ist und bei Mord kann dann eben jemand ausgeliefert werden.
Spengler: Nun ist ja zum Beispiel in Irland Abtreibung Mord. Könnte es passieren, dass eine Deutsche, die hier abgetrieben hat von Deutschland, sozusagen an Irland ausgeliefert wird?
Zypries: Nein, das kann nicht passieren. Zunächst mal ist die ganz überwiegende Meinung der Auffassung, dass Mord eben Mord an einer lebenden Person voraussetzt und nicht an einem Fötus, sodass Abtreibung schon mal gar nicht unter diese Katalogtat fallen würde. Selbst wenn man das aber machen wollte, gibt es natürlich noch zahlreiche so genannte Verhältnismäßigkeitssicherungen im Nachhinein, dass heißt, jeder Staat, auch Deutschland würde prüfen, nachdem es festgestellt hat, es ist eine beiderseitige Strafbarkeit gegeben, wird gegen die Grundsätze unseres Rechtsstaats verstoßen. Das heißt, in dem Falle beispielsweise müssten wir jemanden ausliefern für eine Tat, die bei uns strafbar ist. Das würden wir dann nicht tun, diesen Vorbehalt haben wir und diesen Vorbehalt kann das Gericht prüfen. Wenn das Gericht das nicht tut, dann kann das an zweiter Stelle noch mal in der doppelten Prüffolge der Staat tun, der dann auch noch mal mitprüfen muss, ob der Staatsbürger dann nun endgültig ausgeliefert wird.
Spengler: Wird mit dem EU-Haftbefehl nicht gegen ein ehernes juristisches Prinzip verstoßen, das da lautet, von dem auch eben im Bericht die Rede war: keine Strafe ohne Gesetz? Also, wenn man Unrecht begeht, muss man vorher wissen, was überhaupt strafbar ist. Das heißt ja, dass ein Bürger wissen müsste, was Recht und Gesetz in 25 Staaten ist, weil es sich ja doch unterscheidet?
Zypries: Wenn ich das sagen darf, ich glaube, dass verwechseln Sie jetzt, das wird in dem konkreten Fall Darkazanli gesagt, keine Strafe ohne Gesetz.
Spengler: Weil damals, als er das begangen hat, das in Deutschland noch nicht unter Strafe war. Also, die Bildung einer terroristischen Vereinigung im Ausland.
Zypries: Genau. Dass ist aber genau der Denkfehler, der da gemacht wird, weil man natürlich nicht kontrolliert, ob die Tat, die er in Spanien begangen hat, in Deutschland insofern strafbar wäre, als es sich dann um die Ausländer-Inländer-Problematik handelt, sondern man müsste das spiegelbildlich nach Deutschland transferieren. Die Spanier sagen, er ist schuldig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Spanien. Diesen Straftatbestand gab es in Deutschland natürlich schon: schuldig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Deutschland. Insofern stimmt es nicht, denn wir würden ja jetzt nicht prüfen, ist er in Deutschland, kann er da angeklagt werden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Spanien. Das kann ja nicht funktionieren, sondern es muss spiegelbildlich nach Deutschland übertragen werden, und das heißt, terroristische Vereinigung im Inland, und das war in Deutschland strafbar. Von daher sehe ich auch da gar kein Problem.
Spengler: Also, Sie sagen, der EU-Haftbefehl verstößt inhaltlich nicht gegen das Grundgesetz?
Zypries: Ich meine der EU-Haftbefehl als Ganzes verstößt nicht und in diesem konkreten Fall gibt es noch viel weniger Anhaltspunkte.
Spengler: Wenn denn aber die Bundesregierung argumentiert, wir sind ohnehin völkerrechtlich verpflichtet, zwingendes europäisches Recht, bedingungslos und unabhängig von der Verfassung umzusetzen, heißt das dann nicht doch, die Regierung agiert unabhängig vom Grundgesetz?
Zypries: Nein, das heißt es nicht. Denn das Grundgesetz gibt ja gerade der Regierung die Ermächtigung, das zu tun. Wir haben ja die Verfassung geändert, sowohl in Artikel 23 und haben dort festgelegt mit verfassungsändernder Mehrheit von Bundestag und Bundesrat, dass Hoheitsrechte nach Europa übertragen werden können. Wir haben für diesen konkreten Fall noch mal die Verfassung geändert und gesagt, Auslieferungen Deutscher sind zulässig. Da ist eine zweimalige Verfassungsänderung erfolgt, und wir haben auch ein innerstaatliches Verfahren, das auch hier eingehalten wurde. Das heißt, die Parlamente sind während der Erarbeitung dieses Rahmenbeschlusses beteiligt worden, es gab im Parlament breite Diskussionen über diesen Rahmenbeschluss.
Spengler: Das ist also nicht so, dass das Parlament einfach nur abnickt, was die Minister in Brüssel beschlossen haben?
Zypries: Nein, das ist Sache des Parlaments wie es damit umgeht. Das Parlament hat alle Rechte, diese Sachen zu diskutieren und es hat auch bei diesem Rahmenbeschluss diskutiert. Es gab beispielsweise auch ganz andere Einwände, nämlich die Frage von Abgeordneten, warum wir überhaupt noch die beiderseitige Strafbarkeit verlangen und nicht ganz darauf verzichten.
Spengler: Also, der Bundestag hätte das Gesetz ablehnen dürfen?
Zypries: Er hätte es nicht mehr ablehnen dürfen nachdem der Rahmenbeschluss gefasst war. Der Rahmenbeschluss ist europäisches Recht und umzusetzen.
Spengler: Aber das ist doch genau das Problem oder nicht?
Zypries: Das kann man so oder so sehen. Die Abgeordneten hatten ja sowohl vor der Erstellung des Rahmenbeschlusses schon die Möglichkeit, die Regierung zu binden. Sie hätten sagen können, wir wollen nicht als Abgeordnete, dass ihr diese Regelung so trefft in diesem Rahmenbeschluss. Das hätten sie tun können, das haben sie aber nicht getan.
Spengler: Wenn nun das Bundesverfassungsgericht doch urteilen sollte, nein, dieses Europa funktioniert nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien so wie Sie es gerade geschildert haben. Die Abgeordneten müssen vorher sozusagen sagen, nein, das wollen wir nicht. Die Beschlüsse könnten deswegen nicht bindend sein. Was wäre dann?
Zypries: Eine solche Entscheidung kann ich mir schlechterdings nicht vorstellen, denn die Verfassung sieht vor, dass die Abgeordneten im Vorfeld befasst werden, das Parlament im Vorfeld befasst wird. Das wird auch gemacht von Seiten der Regierung und ich kann deshalb nicht erkennen, dass irgendetwas verfassungs- oder rechtsstaatswidrig sein sollte, wenn jemand die Rechte, die er hat, vielleicht nicht in dem Maße wahrnimmt, wie sich das andere wünschen würden.
Spengler: Aber wenn das nun ganz ausgeschlossen würde, würde ja nicht darüber verhandelt werden?
Zypries: Naja, da ist ja doch eine große Bandbreite denkbar an dem, was man da, zu welchem Ergebnis man da kommen kann. Abgesehen davon, dass man natürlich auch zu dem Ergebnis kommen kann, wir haben das jetzt mal breit diskutiert und es ist alles in Ordnung, kann man natürlich auch in vielen kleineren Abstufungen sagen, da müsste noch mal drüber nachgedacht werden.
Spengler: Wäre man, und dies kurz zum Schluss, nicht auf der sicheren Seite, wenn man einfach dem Europaparlament mehr Rechte gäbe und es einfach an diesem Gesetzgebungsverfahren beteiligte?
Zypries: Das Europaparlament ist beteiligt worden an dem Gesetzgebungsverfahren, allerdings nur in dem Rahmen, wie das im Moment vorgesehen ist. Wenn wir die Europäische Verfassung haben werden, dann wird eine wesentlich breitere und intensivere Beteiligung des Europäischen Parlaments erfolgen und dann werden Demokratiedefizite, wie sie derzeit noch gerügt werden können, nicht mehr bestehen.
