Christine Heuer: Am Ende entscheidet der Bundestag darüber, ob deutsche Soldaten im Kongo eingesetzt werden. Doch die Vorlage für eine solche Entscheidung liefert das Bundeskabinett. Genauer: Es hat dies heute Vormittag getan mit einem Beschluss für den umstrittenen Einsatz.
Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit Oberst Bernhard Gertz, dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes. Guten Tag, Herr Gertz!
Bernhard Gertz: Guten Tag, Frau Heuer!
Heuer: Reichen die vier Monate aus, oder reichen sie nicht aus?
Gertz: Aus meiner Sicht werden sie definitiv nicht ausreichen. Es steht ja außerdem inzwischen fest, dass man die vier Monate rechnen will ab dem geplanten Wahldatum 30. Juli. Selbstverständlich müssen aber die Truppen vorher im Land sein, um sich auf die Wahrnehmung der Aufgabe während des Wahlgangs vorzubereiten. Das heißt, es wird notwendigerweise länger dauern. und die Frist wird letztlich auch davon bestimmt werden, ob für die nachfolgenden Präsidentschaftswahlen beispielsweise neben dem ersten noch ein weiterer Wahlgang notwendig ist. Daher ist aus meiner Sicht durchaus offen, wie lange es dauert. Sicher aber ist aus meiner Sicht: Es wird mehr als vier Monate dauern.
Heuer: Umstritten ist ja auch der Ort des Einsatzes. Da ist die Rede davon, dass die deutschen Soldaten im Raum Kinshasa eingesetzt werden sollen. Ist Ihnen genau klar, was das praktisch bedeutet?
Gertz: Ich höre das sehr wohl. Es besteht ganz offensichtlich ein nachhaltiges deutsches Interesse, dass man sich auf Kinshasa konzentriert. Für mich ist aber völlig klar, dass die Aufgabe, die die Mission insgesamt hat, zwei Komponenten besitzt: erstens Abschreckung in Kinshasa selbst, zweitens aber Unterstützung von MONUC im ganzen Land, wenn beim Wahlgang oder danach Unruhen ausbrechen. Und wenn das passiert, dann halte ich es für schwer vorstellbar, dass das deutsche Kontingent sich ausschließlich auf Kinshasa konzentriert. Wenn Menschen evakuiert werden müssen, wenn in Not geratene Kameraden von EUFOR unterstützt werden müssen, dann wird sich eine Beschränkung auf Kinshasa nicht halten lassen. So wie ich den Text bisher gesehen habe, den die Bundesregierung beschließen will, ist das auch nicht ausgeschlossen.
Heuer: Wenn die Mission nicht auf Kinshasa beschränkt bliebe, dann würde es ja sicher noch gefährlicher für die deutschen Soldaten im Kongo. Die Bundesregierung sagt, die Risiken seien beherrschbar. Sind das Worte, die Sie beruhigen?
Gertz: Ich halte das für eine durchaus gefährliche Formulierung, was nicht bedeutet, dass ich nicht Zutrauen habe, dass die Bundesregierung, dass der Generalinspekteur, dass der Minister und seine Mitarbeiter diese Mission so verantwortungsbewusst ausplanen, dass die Risiken für deutsche Soldaten sich in Grenzen halten lassen. Aber niemand kann einen Garantieschein dafür abgeben, dass es nicht doch zu Unruhen kommt. Das wird letztlich auch vom Wahlverlauf und vom Wahlergebnis abhängen. Es ist völlig offen, wann, wie und wo solche Störungen eintreten. Wann sie eintreten, dann kann die Gewalt sehr schnell eskalieren und dann ist die Vokabel von der Beherrschbarkeit des Risikos in der Tat unangemessen.
Heuer: Herr Gertz, wenn man das alles bedenkt, wünschen Sie sich dann, dass der Bundestag am Ende doch nein sagt zu diesem Einsatz?
Gertz: Ich fürchte, der Bundestag wird im Ergebnis dem Einsatz zustimmen, weil die Bundesregierung Verpflichtungen eingegangen ist, aus denen sie schwer entlassen werden kann. Aber ich wünsche mir, dass der Bundestag gleichzeitig auch für die Zukunft sehr viel mehr Wert darauf legt, dass die Sinnhaftigkeit eines solchen Einsatzes ohne Zweifel außer Frage steht und dass die Sinnhaftigkeit auch den Soldaten vermittelt werden kann, die in den Einsatz gehen. Mein fester Eindruck ist, dass bis heute weder unsere Gesellschaft noch die betroffenen Soldaten diese Sinnhaftigkeit erkennen können.
Heuer: Und das ist ein Fehler, den man der Bundesregierung aus Ihrer Sicht unterstellen müsste, da nicht genug aufgeklärt zu haben?
Gertz: Das halte ich in der Tat für einen schweren Fehler in der Vorbereitung. Er ist aber auch angelegt in der Beschränkung des Mandats, denn 450 Soldaten in Kinshasa selbst, von denen ein Großteil in die Eigensicherung und Flugplatzsicherung und ins Hauptquartier geht und nur ein ganz kleiner Teil wirklich sichtbar ist, zu verkaufen als großen europäischen Beitrag zur Stärkung des demokratischen Wahlprozesses, das ist nicht vermittelbar. Deswegen ist es auch von der Anlage bereits verfehlt.
Heuer: Wenn es schwere Fehler in der Vorbereitung gab, dann ginge es vielleicht auch darum, schwere Fehler in der Durchführung oder in der Folge dieses Beschlusses zu verhindern. Herr Gertz, rechnen Sie damit, dass mehr als die jetzt beschlossenen 800 Soldaten im Laufe der nächsten Monate in den Kongo geschickt werden von Deutschland aus?
Gertz: Das kann man nicht wirklich ausschließen. Natürlich ist der Wunsch der Bundesrepublik, das Engagement zu begrenzen, nicht zuletzt deshalb, weil wir alle wissen, dass andere Nachbarn in Europa sehr viel stärkere Verpflichtungen im Kongo haben, weil sie dort im Gegensatz zu uns nicht nur starke wirtschaftliche Interessen oder postkoloniale Verpflichtungen haben, sondern auch bis heute bestimmenden Einfluss auf afrikanische Politik zu nehmen versucht haben. Ich gehöre zu den altmodischen Menschen, die nicht gerne bereit sind, Kastanien aus einem Feuer zu holen, das andere gelegt haben. Deswegen sollten wir, wenn es um Ausweitung geht, dann auch in der Tat diejenigen in die Pflicht nehmen, die mit zur Verursachung der dort herrschenden Zustände beigetragen haben.
Heuer: Heißt konkret, die Belgier sollen gehen und nicht die deutschen Soldaten?
Gertz: Das heißt konkret: Belgier und Franzosen sind da ganz sicher stärker im Obligo als die Deutschen. Die Delegation auf die Deutschen nach dem Motto, die seien unbelastet ist ein charmanter Versuch, uns auf ein Feld zu ziehen, auf dem andere sicherlich stärker für Ordnung zu sorgen haben.
Heuer: Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Oberst Bernhard Gertz. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Gertz.
Gertz: Auf Wiederhören.
Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit Oberst Bernhard Gertz, dem Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes. Guten Tag, Herr Gertz!
Bernhard Gertz: Guten Tag, Frau Heuer!
Heuer: Reichen die vier Monate aus, oder reichen sie nicht aus?
Gertz: Aus meiner Sicht werden sie definitiv nicht ausreichen. Es steht ja außerdem inzwischen fest, dass man die vier Monate rechnen will ab dem geplanten Wahldatum 30. Juli. Selbstverständlich müssen aber die Truppen vorher im Land sein, um sich auf die Wahrnehmung der Aufgabe während des Wahlgangs vorzubereiten. Das heißt, es wird notwendigerweise länger dauern. und die Frist wird letztlich auch davon bestimmt werden, ob für die nachfolgenden Präsidentschaftswahlen beispielsweise neben dem ersten noch ein weiterer Wahlgang notwendig ist. Daher ist aus meiner Sicht durchaus offen, wie lange es dauert. Sicher aber ist aus meiner Sicht: Es wird mehr als vier Monate dauern.
Heuer: Umstritten ist ja auch der Ort des Einsatzes. Da ist die Rede davon, dass die deutschen Soldaten im Raum Kinshasa eingesetzt werden sollen. Ist Ihnen genau klar, was das praktisch bedeutet?
Gertz: Ich höre das sehr wohl. Es besteht ganz offensichtlich ein nachhaltiges deutsches Interesse, dass man sich auf Kinshasa konzentriert. Für mich ist aber völlig klar, dass die Aufgabe, die die Mission insgesamt hat, zwei Komponenten besitzt: erstens Abschreckung in Kinshasa selbst, zweitens aber Unterstützung von MONUC im ganzen Land, wenn beim Wahlgang oder danach Unruhen ausbrechen. Und wenn das passiert, dann halte ich es für schwer vorstellbar, dass das deutsche Kontingent sich ausschließlich auf Kinshasa konzentriert. Wenn Menschen evakuiert werden müssen, wenn in Not geratene Kameraden von EUFOR unterstützt werden müssen, dann wird sich eine Beschränkung auf Kinshasa nicht halten lassen. So wie ich den Text bisher gesehen habe, den die Bundesregierung beschließen will, ist das auch nicht ausgeschlossen.
Heuer: Wenn die Mission nicht auf Kinshasa beschränkt bliebe, dann würde es ja sicher noch gefährlicher für die deutschen Soldaten im Kongo. Die Bundesregierung sagt, die Risiken seien beherrschbar. Sind das Worte, die Sie beruhigen?
Gertz: Ich halte das für eine durchaus gefährliche Formulierung, was nicht bedeutet, dass ich nicht Zutrauen habe, dass die Bundesregierung, dass der Generalinspekteur, dass der Minister und seine Mitarbeiter diese Mission so verantwortungsbewusst ausplanen, dass die Risiken für deutsche Soldaten sich in Grenzen halten lassen. Aber niemand kann einen Garantieschein dafür abgeben, dass es nicht doch zu Unruhen kommt. Das wird letztlich auch vom Wahlverlauf und vom Wahlergebnis abhängen. Es ist völlig offen, wann, wie und wo solche Störungen eintreten. Wann sie eintreten, dann kann die Gewalt sehr schnell eskalieren und dann ist die Vokabel von der Beherrschbarkeit des Risikos in der Tat unangemessen.
Heuer: Herr Gertz, wenn man das alles bedenkt, wünschen Sie sich dann, dass der Bundestag am Ende doch nein sagt zu diesem Einsatz?
Gertz: Ich fürchte, der Bundestag wird im Ergebnis dem Einsatz zustimmen, weil die Bundesregierung Verpflichtungen eingegangen ist, aus denen sie schwer entlassen werden kann. Aber ich wünsche mir, dass der Bundestag gleichzeitig auch für die Zukunft sehr viel mehr Wert darauf legt, dass die Sinnhaftigkeit eines solchen Einsatzes ohne Zweifel außer Frage steht und dass die Sinnhaftigkeit auch den Soldaten vermittelt werden kann, die in den Einsatz gehen. Mein fester Eindruck ist, dass bis heute weder unsere Gesellschaft noch die betroffenen Soldaten diese Sinnhaftigkeit erkennen können.
Heuer: Und das ist ein Fehler, den man der Bundesregierung aus Ihrer Sicht unterstellen müsste, da nicht genug aufgeklärt zu haben?
Gertz: Das halte ich in der Tat für einen schweren Fehler in der Vorbereitung. Er ist aber auch angelegt in der Beschränkung des Mandats, denn 450 Soldaten in Kinshasa selbst, von denen ein Großteil in die Eigensicherung und Flugplatzsicherung und ins Hauptquartier geht und nur ein ganz kleiner Teil wirklich sichtbar ist, zu verkaufen als großen europäischen Beitrag zur Stärkung des demokratischen Wahlprozesses, das ist nicht vermittelbar. Deswegen ist es auch von der Anlage bereits verfehlt.
Heuer: Wenn es schwere Fehler in der Vorbereitung gab, dann ginge es vielleicht auch darum, schwere Fehler in der Durchführung oder in der Folge dieses Beschlusses zu verhindern. Herr Gertz, rechnen Sie damit, dass mehr als die jetzt beschlossenen 800 Soldaten im Laufe der nächsten Monate in den Kongo geschickt werden von Deutschland aus?
Gertz: Das kann man nicht wirklich ausschließen. Natürlich ist der Wunsch der Bundesrepublik, das Engagement zu begrenzen, nicht zuletzt deshalb, weil wir alle wissen, dass andere Nachbarn in Europa sehr viel stärkere Verpflichtungen im Kongo haben, weil sie dort im Gegensatz zu uns nicht nur starke wirtschaftliche Interessen oder postkoloniale Verpflichtungen haben, sondern auch bis heute bestimmenden Einfluss auf afrikanische Politik zu nehmen versucht haben. Ich gehöre zu den altmodischen Menschen, die nicht gerne bereit sind, Kastanien aus einem Feuer zu holen, das andere gelegt haben. Deswegen sollten wir, wenn es um Ausweitung geht, dann auch in der Tat diejenigen in die Pflicht nehmen, die mit zur Verursachung der dort herrschenden Zustände beigetragen haben.
Heuer: Heißt konkret, die Belgier sollen gehen und nicht die deutschen Soldaten?
Gertz: Das heißt konkret: Belgier und Franzosen sind da ganz sicher stärker im Obligo als die Deutschen. Die Delegation auf die Deutschen nach dem Motto, die seien unbelastet ist ein charmanter Versuch, uns auf ein Feld zu ziehen, auf dem andere sicherlich stärker für Ordnung zu sorgen haben.
Heuer: Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Oberst Bernhard Gertz. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Gertz.
Gertz: Auf Wiederhören.
