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Bundesweit einzigartig

Die Idee zu einem gemeinsamen Auftritt dreier Hochschulen aus Niedersachsen ist während eines vom Wissenschaftsministerium veranstalteten Workshops entstanden. Zunächst als sehr originell aufgenommen, wurde sie im letzten April dann besiegelt: Die TU Braunschweig, TU Clausthal und die Leibniz Universität Hannover gründen die Niedersächsische Technische Hochschule (NTH).

Von Maike Schröder |
    Eine bundesweit einzigartige Universität soll noch in diesem Jahr in Niedersachsen gegründet werden: eine Universität ohne eigene Professoren und ohne eigene Studenten. Auch eine Verwaltung oder ein Budget wird sie nicht haben. Die zukünftige Niedersächsische Technische Hochschule, kurz NTH, benötigt aber für den Kampf um Fördergelder den Status einer Universität.

    Die NTH wird drei bisher konkurrierende Hochschulen unter ein Dach bringen. Diese Universitäten in Braunschweig, Clausthal und Hannover bleiben weiterhin eigenständig - zumindest in den nächsten Jahren. Die Professoren und Studenten bleiben den einzelnen Hochschulen zugeordnet. Trotzdem hält Wissenschaftsminister Lutz Stratmann den gemeinsamen Auftritt der drei Hochschulen für unabdingbar:

    "All diejenigen, die das Gesamtinteresse unseres Landes im Blick haben, wissen, dass es zu diesem Prozess im Prinzip keine Alternativen gibt. Wir kriegen es nur über Strukturveränderungen hin. Wenn wir das nicht tun, dann fallen wir ab, und dann wird der Abstand zwischen Süddeutschland und Norddeutschland noch größer als er ohnehin schon ist. Wobei wir im Vergleich zu den norddeutschen Ländern das erfolgreichste Land jetzt schon sind, darauf sind wir sehr stolz."

    Aber die Niedersächsische Technische Hochschule soll noch attraktiver werden. Es geht auch darum, herausragende Professoren und viele Studierende zu gewinnen. Dazu soll sich die NTH mit einem charakteristischen Profil einen Namen machen. Die einzelnen Hochschulen müssen ihre Ingenieur- und Naturwissenschaften aufeinander abstimmen. Jürgen Hesselbach, Präsident der Technischen Universität Braunschweig, sieht darin die wichtigste Aufgabe der NTH:

    "Diese Entwicklungsplanung kann Entscheidungen beinhalten, die gegen eine einzelne Hochschule getroffen werden. Das halte ich schon für ziemlich heftig. Also das kann natürlich nicht bedeuten, Hannover und Braunschweig beschließen jetzt, wir lösen Clausthal auf. Das geht nicht. Es gibt eine Bestandsgarantie, aber wir könnten sagen, ein bestimmtes Fach wird jetzt nur noch dort oder hier gemacht."

    Welches Fach wo gekürzt werden soll ist noch genauso unklar wie der endgültige Sitz der NTH. Obwohl es hauptsächlich um einen Briefkasten geht, ist diese Entscheidung psychologisch sehr wichtig. Und beim Fächerabgleich gibt es weiterhin Irritationen. Im letzten Jahr plante Braunschweig seine Physiker gegen Hannovers Bauingenieure zu tauschen und umgekehrt. Die Betroffenen erhielten die Informationen darüber meist aus der Presse, so wie Bastian Gundlach.

    "Und als Physikstudent zu erfahren, dass die Physik geschlossen werden soll, wo man keinen Abschluss hat, das ist schon - das ist schon nicht so toll erstmal. Dadurch dass diese Diskussion schon seit einem Jahr aufgekommen ist, sind die Diskussionen etwas verebbt, und man lebt damit, dass man jeden Tag was Neues hört. Den einen Tag geht das in die eine Richtung, und am nächsten Tag hört man genau das Gegenteil, so dass man mittlerweile einfach darüber hinwegsieht und einfach hofft, dass es nicht soweit kommt, wie manchmal gesagt wird."

    Der Braunschweiger Physik-Diplomand kann erst einmal beruhigt sein: die Schließung der Physik in Braunschweig ist nicht mehr geplant, aber sie wird um ein knappes Drittel gekürzt. Die Physiker wollen nun mit einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit auf ihre Angebote aufmerksam machen und sehen erste Erfolge in leicht gestiegenen Studentenzahlen. Sie möchten ihre Position an der TU Braunschweig behaupten und halten das NTH-Konzept für unausgegoren.

    Während an der akademischen Basis Skepsis herrscht, sind die Uni-Präsidien deutlich positiver gestimmt. Braunschweigs Präsident Jürgen Hesselbach würde sich sogar schnellere Änderungen wünschen und verweist auf einen früheren niedersächsischen Wissenschaftsminister:

    "Hochschulen zu verändern - da gibt's so einen schönen Spruch von Thomas Oppermann, den zitiere ich jetzt gerne wieder: "Das Verändern einer Hochschule ist vergleichbar mit dem Verlagern eines Friedhofs - Es fehlt die aktive Mitwirkung von unten.""