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Buzzfeed
Was wird aus der deutschen Redaktion?

Buzzfeed ist bekannt für Quizze und witzige Auflistungen, aber auch für preisgekrönte Recherchen. Nun droht der deutschen Redaktion das Aus. Ihr bleiben wenige Wochen, um einen Investor zu finden.

Von Daniel Bouhs | 15.04.2020
Logo des Portals Buzzfeed
Das Portal Buzzfeed setzt vor allem auf Unterhaltung - aber auch auf tiefer gehende Recherche (Buzzfeed)
"Ja, was soll ich jetzt noch sagen?" - Daniel Drepper im März 2019. Beruflich war das für ihn der bisherige Höhepunkt: die Auszeichnung als "Chefredakteur des Jahres" für Buzzfeed Deutschland.
Seine Redaktion hat weitere Preise gesammelt, etwa den Otto-Brenner-Preis für die Recherche über Vergewaltigungen von Erntehelferinnen auf Europas Feldern. Nun müssen Drepper und seine Kolleginnen und Kollegen um die Zukunft bangen.
Drei deutsche Marken: Nachrichten, Unterhaltung und Essen
"Buzzfeed hat fünf Jahre lang in die deutschen Marken investiert – in die drei deutschen Marken: also Unterhaltung, ‚Einfach Tasty‘ für Essen und Kochvideos und ‚Buzzfeed News‘ als Rechercheeinheit. Meiner Ansicht nach auch sehr erfolgreich", erklärt Drepper.
Der Chefredakteur von BuzzFeed Deutschland, Daniel Drepper, spricht am 24.10.2017 in München (Bayern) bei den Medientagen München 2017.
Daniel Drepper, Chefredakteur der deutschen Buzzfeed-Redaktion (picture alliance /Tobias Hase/dpa)
Das Problem: Buzzfeed habe nur die Reichweite aufgebaut, statt auch bei der Vermarktung Gas zu geben. Erst Anfang dieses Jahres sei eine Spezialistin von Axel Springer gekommen.
"Die Anzeigenkunden brechen weg"
In Zeiten von Corona gibt die Buzzfeed-Zentrale nun ihre deutsche Redaktion auf - genauso wie in Brasilien. Es gelte, Gewinne zu sichern. Dreppers Redaktion ist nicht mehr Teil des Konzepts:
"Wir haben auf jeden Fall, wie viele andere Menschen jetzt gerade auch, definitiv Pech gehabt. Buzzfeed war insgesamt in der zweiten Hälfte des letzten Jahres schon profitabel. Buzzfeed Deutschland wäre dieses Jahr – da bin ich mir sehr sicher – auch schon profitabel gewesen, weil das sehr gut anlief die ersten drei Monate. Das wird jetzt nicht funktionieren natürlich. Die Anzeigenkunden brechen weg. Und deshalb suchen wir nach einem Partner, der die Zeit überbrückt, um dann ab nächstem Jahr mit uns durchzustarten."
Ex-Chefredakteurin: Stets Druck, Geld zu verdienen
Juliane Leopold war Gründungschefredakteurin von Buzzfeed in Deutschland – vor Drepper. Heute ist sie Digital-Chefredakteurin der "Tagesschau". Recherchen gab es auch schon zu ihrer Zeit, aber weniger: Leopold erzählt, es habe bei Buzzfeed stets den Druck gegeben, Geld zu verdienen, vor allem mit Unterhaltungsinhalten.
Dass hierzulande auch stärker auf Investigation gesetzt wurde, habe sie überrascht. Die Medienmärkte seien immerhin völlig unterschiedlich:
"Sie haben auch in den USA versucht, mit einer großen Investigativ-Unit, mit einem großen Nachrichtenbereich, die Muskeln spielen zu lassen, da wirklich ein neuer Player zu werden in der Medienszene. Und das ist in den USA gelungen und konnte gelingen, weil die Medienlandschaft anders aufgebaut ist: viel geschwächtere Nachrichtenmarken, ein sehr polarisierter Nachrichtenmarkt mit Fox News und CNN und Co., wo Buzzfeed wirklich ein neues Segment erschließen konnte. In Deutschland sind wir ganz anders aufgestellt."
Große Konkurrenz auf dem Markt für junge Zielgruppen
Viele Verlage hätten auch eigene, junge Angebote gestartet. Dazu ARD und ZDF mit Funk, das ebenso sowohl Recherchen bietet als auch Unterhaltung. Das Geschäft für Buzzfeed sei einfach schwierig gewesen.
Kann Buzzfeed also tatsächlich auf einen "Partner" hoffen, der Geld in die Hand nimmt, um die Redaktion zu retten? Medienwissenschaftler Stephan Weichert, der bis vor Kurzem an der Hamburg Media School gelehrt hat, ist bei klassischen Verlagen skeptisch. Zuletzt habe man aber ja auch bei der "Berliner Zeitung" und der "Hamburger Morgenpost" gesehen, dass sich überraschend doch noch Käufer gefunden hätten – aus der IT-Szene.
Investoren-Zusage muss bis Ende Mai kommen
"Und so kann ich mir auch für Buzzfeed Einzelunternehmer vorstellen, die es reizt, in diesen publizistischen Markt zu gehen, vielleicht aber auch ein großes Haus – ich sage jetzt mal Axel Springer – sich durchaus überlegt, ob es für das publizistische Angebot durchaus bereichernd wäre, sich auf eine solche Marke einzulassen. Aber ich glaube, die meisten Häuser schauen, dass sie jetzt irgendwie sicher durch diese Krise kommen und sich nicht noch neue Baustellen ans Bein binden."
Buzzfeed-Chefredakteur Daniel Drepper berichtet von einigen Interessierten. Er sei optimistisch. Aber: Die Zeit laufe Ende Mai ab.
"Das heißt nicht, dass im Mai eine Unterschrift da sein muss, aber es heißt, dass wir im Mai jemanden haben müssen, bei dem beide Seiten sich sicher sind, dass wir da zusammenkommen. Wenn das nicht klappt, dann war es das für Buzzfeed in Deutschland."