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Frauen-Handball
Borussia Dortmund kann nicht nur Fußball

Die Hälfte der Partien in der Champions League haben die Handball-Frauen von Borussia Dortmund bereits absolviert - und liegen ganz klar auf Kurs in Richtung Playoffs. Das hatten viele Experten vor dem Start der Saison für unmöglich gehalten. Die aktuellen Erfolge könnten sogar nachhaltig sein, sofern der Verein die richtigen Weichen stellt.

Von Sascha Staat | 14.11.2021
TusSies Metzingen vs. BVB Borussia Dortmund Handball Handball, HBF, 8.Ligaspiel, Saison 2021/2022 , 03.11.2021
Die Handballerinnen von Borussia Dortmund glänzen derzeit in der Champions League. (dpa / picture alliance / Tobias Baur)
Es ist der 22. Mai 2021, als Alina Grijseels die Meisterschale in die Höhe reckt. Die Handball-Frauen von Borussia Dortmund sind am Ziel ihrer Träume angekommen. Es ist die erste Meisterschaft in der Vereinsgeschichte, dazu ist sie historisch gut. Nie zuvor holt eine Mannschaft so viele Punkte, alle 30 Ligaspiele werden gewonnen. Ein Erfolg für die Ewigkeit.
Allerdings ist es ein bittersüßer Erfolg. Im Laufe der Saison ist mehrfach Quarantäne angesagt, es fehlen die Zuschauer auf den Tribünen, dazu verstirbt der stellvertretende Abteilungsleiter Andreas Bartels. Kelly Dulfer, eine tragende Säule, trägt interne Querelen nach außen. Bereits im Frühjahr kündigen wichtige Leistungsträgerinnen ihren Abgang an und verlassen im Sommer den Klub.

Vom Mitläufer zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten

Doch allen Unkenrufen - und einer durchwachsenen ersten Spielzeit in der Champions League - zum Trotz, kann der BVB national an die Leistungen der Vorsaison anknüpfen. In der Königsklasse ist man von einem Mitläufer zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten geworden. Für Kapitänin Grijseels liegt der Grund für den internationalen Höhenflug auf der Hand.
"Wir treten mannschaftlich sehr geschlossen auf und ich glaube, dass wir am Anfang unterschätzt wurden. Viele Spielerinnen nutzen ihre Chance in der Champions League. Da ist die Geschlossenheit der Schlüssel zum Erfolg."

Die Rolle als Außenseiter tut gut

Gleichzeitig kommt den Borussinnen die Rolle als Außenseiter zugute. Selbst die kühnsten Optimisten gingen nicht davon aus, dass man bereits zum aktuellen Zeitpunkt mit der Teilnahme an den Playoffs planen kann. Grijseels sieht das genauso.
"Als Underdog zu spielen ist immer einfacher. Das merken wir auch im Vergleich zur Bundesliga oder zum Pokal, dass wir uns als Favorit teilweise schwer tun. Klar spielt Erfahrung eine Rolle. Aber man sieht, dass das nicht immer ausschlaggebend ist."
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass der Verein fast immer der Außenseiter war. Erst 2015 stieg Dortmund wieder in die Bundesliga auf. Bereits damals wurden erfahrene und hochkarätige Neuzugänge verpflichtet, um sich dauerhaft in der Spitze zu etablieren. Trainer André Fuhr erklärt, warum es danach immer weiter nach oben ging.
"Der Verein hat vor zweieinhalb, drei Jahren beschlossen anzugreifen. So war die Personalplanung ausgerichtet. Wir haben es geschafft in kurzer Zeit Mannschaften zu formen, die erfolgreich sind. Das macht uns ein bisschen stolz. Ich glaube es ist gut für den Frauenhandball, dass die Marke Borussia Dortmund so eine Rolle spielt und ich hoffe, dass wir den Weg weitergehen können."

Noch jede Menge Baustellen

Um genau das zu tun, hat der Verein an einigen Stellschrauben zu drehen. Zuletzt versperrte ein Hausmeister den Zugang zur Trainingshalle, eine den Ansprüchen genügende Arena gibt es in Dortmund nicht. Das sind allerdings Kleinigkeiten im Vergleich zu den beiden größten Baustellen. Nicht nur der Vertrag des Trainers läuft am Saisonende aus, auch der wichtiger Stammspielerinnen.
Grijseels ist das prominenteste Beispiel. Sie führt momentan die Torschützenliste der Champions League an und ist heiß begehrt. Ausländische Spitzenvereine haben bereits ihre Fühler nach der 25-jährigen ausgestreckt. Bei den Verhandlungen spielen auch die finanziellen Möglichkeiten eine Rolle, sagt Trainer André Fuhr. "Wir haben ungefähr ein Drittel von dem Etat, was ein potenzieller Champions-League-Sieger hat. Und Geld wirft bekanntlich auch Tore."

Droht das Ende?

Um sich den ganz Großen weiter anzunähern, muss am 21. November ein wichtiger Schritt getan werden. Auf der Jahreshauptversammlung geht es dann um eine entscheidende Satzungsänderung. Wird dem Antrag zugestimmt, könnten bis zur Hälfte der Mitgliedsbeiträge für die Handball-Abteilung genutzt werden. Wird der Antrag abgelehnt, wäre dies gleichbedeutend mit dem Ende des Profisports innerhalb des eingetragenen Vereins. So deutlich formulierte es zuletzt Präsident Dr. Reinhard Rauball.
Abteilungsleiter Andreas Heiermann ist dahingehend optimistisch. "Ich gehe fest davon aus, dass die Mitglieder von Borussia Dortmund dafür stimmen werden. Und es so kommt, wie der Präsident es vorgeschlagen hat. Dass ein Teil des Beitrages direkt für die Profisportler im e.V. verwendet wird. Ich bin ganz sicher, dass die Mitglieder das sogar relativ einstimmig entscheiden werden."

Die Fans und die Anerkennung fehlen - noch?

Nachteile, wie die schlechte Hallensituation, sind ihm bewusst. Aber nicht nur das ist ihm ein Dorn im Auge. "Wir haben einfach zu wenige Fans. Unsere Damen merken, dass sie einfach zu wenig Anerkennung kriegen. Wenn wir die noch kriegen, dass die Zuschauer diese Anerkennung rüberbringen, indem sie in die Halle kommen,  dann bin ich ganz zuversichtlich, dass wir nächstes Jahr wieder eine riesen Truppe haben."
Das selbstgesteckte Ziel der BVB-Handballerinnen, mal ein Viertelfinale oder sogar das Final Four der Champions League zu erreichen, ist mutig. Utopisch ist es allerdings nicht.