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Wenn Musik eine Marke bewerben soll

Bestimmte Hits verbindet man automatisch mit bestimmten Marken. Der Grund: Die Werbung nutzt gezielt Songs, um damit Produkte zu vermarkten. Das kann für Künstler Vorteile haben, denn so mancher Nobody wurde so über Nacht zum Star. Das Vermarktungskonzept kann aber auch negative Folgen für den Künstler haben.

Von Juliane Reil | 26.08.2016
    Der Entertainer Friedrich Liechtenstein posiert im Rahmen einer Single Release Party am 20.03.2014 in Berlin.
    Der Schauspieler und Entertainer Friedrich Liechtenstein wurde durch eine virale Werbekampagne einem großen Publikum bekannt (dpa / Jörg Carstensen)
    "Musik bleibt irgendwie immer hängen im Kopf. Und wenn es dann eben so einen Ohrwurmfaktor hat wie "Ist mir egal", dann umso mehr. Man kriegt es dann nicht mehr aus dem Kopf. Und dann bleibt auch die Marke hängen."
    Meint Marielle Heiss von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt. Sie hat den Werbespot für die BVG, in dem der Song "Is mir Egal" zu hören ist, mitentwickelt. Der Song in Verbindung zum Video, in dem skurrile Figuren wie Gruftis, Dragqueens und ein Mops im Haikostüm als Fahrgäste in der U-Bahn zu sehen sind, war ein viraler Hit. Im Internet schauten bis heute knapp 17 Millionen Leute den Clip an. Die meisten Kommentatoren: begeistert. Kein Zufall, weiß die Werbefrau, die von der Authentizität ihrer Werbung überzeugt ist.
    "Ich glaube, ein Erfolgsfaktor von "Ist mir Egal" war, dass die Berliner sich auch damit identifizieren konnten und die ganzen Leute, die da mitgespielt haben, das waren ja keine Schauspieler, sondern das waren echte Berliner Leute. Also wir haben die in keine Kostüme gesteckt."
    Mitgespielt hat auch Kazim Akboga. In dem Video ist der 34-Jährige in der Rolle des Fahrkartenkontrolleurs zu sehen. Außerdem hat er seinen Song für den Werbespot freigegeben. Mit anderem Text war "Is mir Egal" im Netz schon vorher ein viraler Hit, auf den die Werbung aufgesprungen ist.
    Was passiert mit der Glaubwürdigkeit des Künstlers?
    Die BVG hat Akboga endgültig zum Internet-Star gemacht - und der Neuköllner Musiker die BVG ein bisschen cooler. Unter Werbern nennt man das Imagetransfer. Nur: Verliert ein Lied nicht an künstlerischem Wert, wenn es plötzlich ein Produkt bewerben soll? Und was passiert mit der Glaubwürdigkeit des Künstlers?
    In dadaistischer Manier und mit viel Selbstironie war Akbogas Song ursprünglich ein Protest: gegen Kommerz und die Leistungsgesellschaft. Auch wenn diese Botschaft vielleicht nicht immer so erkannt wurde, meint der Musiker, der früher selbst Werbetexter war.
    "Ich muss mir selbst eingestehen, dass die wenigsten überhaupt diesen rebellischen Charakter durchgeholt haben. Weil, ich sage mal, wenn mich jemand auf der Straße sieht, ist die erste Frage, ob ich Geld mache. Ich glaube, mehr Gedanken haben sich die Leute nicht gemacht. Deswegen glaube ich nicht, dass die Leute bei dem ersten Song überhaupt dieses bisschen Rebellische durchgeholt haben."
    Was einmal als Protest gedacht war, wirbt jetzt für ein Unternehmen und seine angebliche Toleranz. Aber natürlich musste sich Musik immer verkaufen, auch wenn sie noch so subversiv war: Das gilt für den Rock'n'Roll der 50er genauso wie für den Hip-Hop der Gegenwart. Und manchmal kann es auch für beide Seiten gut gehen - sozusagen eine Win-win-Situation.
    "Das Geheimnis von einem 'Viral', sich da nicht zu viel Kopf zu machen"
    Friedrich Liechtenstein nutzte die Kampagne eines Supermarktes, um sich langfristig als Musiker zu etablieren. Die Fallhöhe, als Künstler plötzlich in einem Werbeclip aufzutauchen, war für ihn nicht hoch: Vor dem viralen Hit war der Berliner Schauspieler und Entertainer nur einem Nischenpublikum bekannt.
    Bei anderen Musikern kann der Auftritt in einem Werbefilm schon eher an der künstlerischen Integrität kratzen. Zum Beispiel bei Anja Plaschg alias Soap & Skin. Eigentlich bekannt für Piano und künstlerischen Anspruch, wirkt ihre Musik in einer Autowerbung ziemlich befremdlich. Tom Waits lässt es erst gar nicht dazu kommen. Er hat jede Nutzung seiner Musik für Werbezwecke verboten.
    Die Zusammenarbeit mit der Werbeagentur sieht Kazim Akboga als gute Erfahrung. Er verfolgt weiter seinen musikalischen Weg. Aber an "Is mir egal" anzuknüpfen ist gar nicht so leicht, weiß der Berliner.
    "Da habe ich es nicht kalkuliert und man sieht ja auch - weil das ist auch das Geheimnis von einem 'Viral', sich da nicht zu viel Kopf zu machen. Weil die Sachen, die ich danach gemacht habe, sind dann nicht mehr so gut angekommen. Wo ich dann das Denken angefangen habe, ist es dann nicht mehr so gut geworden."