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Calder-Ausstellung in Basel
Meister des fragilen Gleichgewichts

In der Fondation Beyeler werden verschiedene Skulpturen von Alexander Calder gezeigt. Wie von Geisterhand erheben sich die spinnenartigen Körper in die Lüfte und zeigen, was das freie Spiel der Kräfte vermag.

Von Christian Gampert | 28.05.2016
    "The Brass Family" (1929) von Alexander Calder in der Ausstellung "Alexander Calder und Fischli/Weiss" der Fondation Beyeler in Riehen.|
    "The Brass Family" (1929) von Alexander Calder. (picture alliance / dpa / KEYSTONE)
    Alles schwebt. Schon im Park der Fondation Beyeler steht ja seit Jahren eine dieser beweglichen Calder-Skulpturen, Lamellen wiegen sich sacht im Lufthauch, sie kreisen in einem abstrakten Raum, der aber gleichzeitig ganz konkret ist, hier, jetzt, auf dieser Wiese im Park – oder später dann in den White Cubes des Museums.
    Im Foyer empfangen uns aber zunächst Ratte und Pandabär, zwei Plüschtiere, die die Schweizer Künstler Peter Fischli und David Weiss sich als Alter Ego ausgesucht haben und mit denen sie ihre Beziehung als Künstler-Duo auf komische, kindhafte Weise nachinszenieren: Laurel and Hardy, Bouvard und Pécuchet. Die Ausstellung will das "Equilibre", das ruhige Gleichgewicht, das den Calder-Mobiles eigen ist, zu den Objekten und abgefilmten Performances von Fischli&Weiss in Bezug setzen.
    Wirklich zwingend ist das nicht; die beiden Schweizer inszenieren – mit aufgetürmten Stühlen, rollenden Kugeln und Feuerwerk-Parcours – zwar auch allerlei Balance-Akte. Aber das gehört eher in die Sparte "Absurditäten des Alltags", während es bei Alexander Calder um die Bewegung an sich geht, um wie absichtslos hingetupfte Ensembles abstrakter Elemente, die kristallin rein, geisterhaft oder eben auch völlig sinnfrei im leeren Raum schweben, in ihrem eigenen Weltall.
    Die Kuratorin Theodora Vischer hat diese Gebilde wie metallische Luftgeister vor allem in den zentralen Saal drapiert. Aber sie führt uns auch vor, was für ein langer Weg das war – zum Fliegen. Calders Vater und Großvater waren nämlich Monumentalbildhauer; Calder selber studierte Maschinenbau, bevor er sich mit 25 Jahren mehr für Kunst und Leichtigkeit interessierte. In einem Kabinett wird gezeigt, wie Calder in der Frühphase wochenlang die Bahnen von Zirkuszelten zeichnete: schwebende Räume.
    Der Zirkus als Ort eines rein physikalischen, artistischen, absurden Vergnügens: Das wird dann in Paris in den 1920er-Jahren ein Hauptmotiv für Calder, der aus Draht zunächst kleine, dann immer größere Zirkusfiguren fertigt – und einige auch in mechanische Bewegung bringt. Das kann Theodora Vischer sogar mit einem Film zeigen.
    "Und hat auch den Zirkus mit den kleinen Figuren immer wieder vorgeführt im Bekanntenkreis, hat Leute dazu eingeladen; auch Mondrian war mal an einer solchen Aufführung offenbar."
    Noch aber war das alles gegenständlich – bis Calder den strengen Geometriker Piet Mondrian in seinem Atelier besuchte. Der hatte auch seinen Arbeitsraum mit Rechtecken in Blau, Rot, Gelb, Weiß bestückt.
    Für Calder war das ein Schock, als er das gesehen hat. Und er sagte: Das bewegt sich ja eigentlich, diese farbigen Rechtecke, die da in verschiedenen Konstellationen hängen.
    Luft sorgt für Bewegung
    Nach dem sogenannten Mondrian-Erlebnis malt Calder einige Wochen lang abstrakte Bilder. Und merkt dann: Man kann diese geometrischen Formen wirklich zum Fliegen bringen, wenn man sie an feinen Drähten aufhängt und wie mit einem Astwerk Strukturen bildet. Man muss es nur perfektionieren. Den Rest macht die Luft, draußen oder drinnen.
    In der Fondation Beyeler sind nun noch genügend Calder-Skulpturen zu sehen, die sehr irdisch auf dem Boden stehen, wo die abstrakten Lamellen zunächst ineinander verzahnt werden und spinnenartige Körper bilden, bevor sich das Ganze in die Luft erhebt. Wo Kugeln auf Umlaufbahnen geschickt werden wie in einem Weltmodell. Wo Kreise und Dreiecke sich kreuzen wie in einem Aquarium von Miró. Und wo dann das, was später Jean Tinguely witzig und spotzend und motorgetrieben in Bewegung setzte, völlig von selbst, sakral, mönchisch, von Geisterhand bewegt wird. Spieler sind sie alle beide, aber während Tinguely eher Motorsportler ist, Rennwagen- und Traktorfahrer, muss man Alexander Calder ab den 1930er-Jahren als Segelflieger sehen.
    So ist das eine wirklich schöne, luftige Sommerausstellung geworden: Sie macht Spaß. Und sie macht uns nachdenklich, weil wir selbst oft so erdenschwer auf dem Boden wandeln. Und sie zeigt, dass die Kunst mit wenigen Mitteln viel erreichen kann. Das freie Spiel der Kräfte, das in der Wirtschaft nicht funktioniert: Hier wird das Wunder wahr – bei einem amerikanischen Tüftler.
    Ausstellungsinfos:
    "Alexander Calder &Fichli/Weiss vom 29. Mai bis 4. September 2016
    FONDATION BEYELER, Baselstrasse 101, CH-4125 Riehen / Basel