Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Calexico And Iron & Wine
Mehr als die Summe der Einzelteile

Die Magie des Moments einzufangen und dabei nicht den Song aus den Augen zu verlieren, ist alles andere als leicht - Calexico And Iron & Wine gelingt das auf ihrem neuen gemeinsamen Album "Years to Burn". Hier finden kongeniale Musiker eine Ebene - 15 Jahre nach der ersten Gruppen-EP „In the Reins“.

Von Anke Behlert | 08.06.2019
Calexico und Iron & Wine 2019
Sam Beam, John Convertino und Joey Burns haben seit 2004 immer mal wieder zusammengearbeitet (Piper Ferguson)
Die Haare sind grauer geworden, die Bärte länger und die Familien größer bei Sam Beam, John Convertino und Joey Burns. Aber die drei mittelalten Männer wollen sich musikalisch immer noch herausfordern. Sie suchen das Unerwartete im Studio, den Moment, in dem Magie entsteht, sagt der 52-jährige Burns:
"Sich selbst zu überraschen ist sehr wichtig - aber auch ziemlich schwierig, weil man alle Prozesse so genau kennt. Sam, John und ich sind uns recht ähnlich, wir sind alle eher entspannt und offen für die Ideen der anderen. Wir, also John und ich, hatten keine ausgearbeiteten Demos oder konkreten Vorstellungen und ich denke, das war Sam ganz recht. Manche seiner Gitarrenparts sind dieses mal roher, er spielt nicht so perfekt sondern mit Ecken und Kanten und das mag ich sehr."
Unbegründete Zweifel
Die Wege von Burns, Convertino und Sam Beam kreuzten sich zum ersten mal 2004. Beams Manager Howard Grenolds brachte sie zusammen. Die Musiker waren ein wenig skeptisch – waren Beams Songs nicht komplett und auskomponiert, gab es darin überhaupt Raum für zusätzlichen Input? Oder würden Calexico mit all ihrer Instrumentenpower die Stücke einfach plattwalzen? Die Zweifel waren unbegründet, auf "In the Reins" erweitern Calexico mit ihrem Gespür für cineastische Grandezza die verhuschten Folkmelodien von Iron & Wine. Beams Gesang und Burns' Harmonien klingen himmlisch.
Seitdem haben die Künstler immer wieder gelegentlich zusammengearbeitet – Beam ist auf einigen Calexico-Alben zu hören, gemeinsam haben sie einen Bob-Dylan-Song für den Soundtrack des Films "I'm not There" aufgenommen. Für mehr war lange keine Zeit, bis zum letzten Jahr. Im Dezember begaben sich die drei zusammen mit Produzent Matt Ross-Spang in ein Studio in Nashville.
Nashville hat eine Verbindung zu ihrer Musik
"Wir leben alle in unterschiedlichen Teilen der USA – Sam in North Carolina, John in Texas und ich in Arizona. In Nashville konnten wir also alle ein paar Tage in Ruhe arbeiten. Außerdem wohnt unser guter Freund Paul Niehaus dort, der auch auf dem Album zu hören ist. Die Stadt hat eine lange musikalische Geschichte, viele interessante Orte, und nicht zuletzt gibt es eine Verbindung zu der Art Musik, die wir machen. Und auch zur Musik von Iron & Wine."
Mit der ersten Single "Father Mountain" gibt es auf "Years to Burn" einen Iron-&-Wine-typischen Wohlfühl-Song, mit entspannt klimpernden Akustikgitarren, dem verschleppten Besen-Groove Convertinos und einem Refrain, der sofort im Ohr hängen bleibt. Zwischen eher klassischem Songmaterial überrascht das atmosphärisch-ambienthafte "Outside El Paso". Das Stück erinnert an die Jazzausflüge Calexicos auf ihrem nur auf Tour erhältlichen Album "Travellall".
Keine bloße Fortsetzung
Während auf "In the Reins" hauptsächlich Sam Beam den Gesang übernommen hatte, ist auf "Years to Burn" auch hin und wieder Joey Burns als Leadsänger zu hören. Beam hat ihm sogar seinen eigenen Song "In Your Own Time" überlassen:
"Sam meinte: 'Du könntest ihn doch singen!' Ich bin also in unser Apartment gegangen, hab' den Song in einer Stunde gelernt und wir haben ihn dann im Studio aufgenommen. Ich finde er klingt sehr nach Alternative Country, wie ein Uncle-Tupelo-Song. Und die Textzeile 'someone will catch you if you fall' mag ich sehr. Sie repräsentiert den Geist dieser Zusammenarbeit sehr gut. Ein paar Freunde treffen sich und schauen zusammen auf die Vergangenheit, aber vor allem auch auf die Gegenwart."
"Years to Burn" ist Teil zwei, aber keine bloße Fortsetzung von "In the Reins". Hier treffen sich drei kongeniale Musiker auf einer Ebene, und das Ergebnis ist mehr ist als die Summe der Einzelteile. Sie ergänzen die Stücke des jeweils anderen hörbar, ohne dass dabei dessen Charakter verloren geht. Die Magie des Moments einzufangen und dabei nicht den Song aus den Augen zu verlieren, ist alles andere als leicht. Calexico und Iron & Wine gelingt das auch dieses Mal.