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California Breed
Glenn Hughes' letzte Chance

Etliche Schlüsselfiguren der wilden Rockzeiten Ende der 1960er, Anfang der 70er sind gestorben, in Rente oder zumindest in Altersteilzeit. All das trifft nicht auf Glenn Hughes zu, den Mann, der - vor allem von sich selbst - stets als "The Voice of Rock" bezeichnet wird. Nun hat er wieder ein neues Projekt am Start: California Breed heißen die Band und ihr gleichnamiges Album.

Von Tim Hannes Schauen | 17.05.2014
    Das Cover der gleichnamigen Band California Breed.
    Das neue Album trägt den Namen der Band. (Rechte: Frontier Records)
    Da sitzt er also, und er sieht aus wie ein Rockstar: Schwarze Britpopfrisur, die Sonnenbrille thront im abgedunkelten Kölner Hotelzimmer da wo sie hingehört: im Gesicht von Glenn Hughes. Der ist ziemlich dürr, was die Lederjacke, die Ringe an seinen Fingern samt buntem Nagellack nicht kaschieren können. Aber er ist ja auch schon 62. Und er ist, wieder einmal, auf Promotour, um eine neue Band zu bewerben. Diesmal: California Breed.
    "Im Februar 2013 war ich in LA bei Julian Lennon auf einer Party und Julian sagte: "Ich muss Dir unbedingt diesen jungen Burschen vorstellen, sein Name ist Andrew Watt." Andrew kam also herüber und sah so aus, wie ich in den 70ern ausgesehen habe: Enge Jeans, Hut, lange Haare. Fand ich schon mal cool. Wir haben uns dann eine Weile unterhalten, sprachen natürlich über Musik, über David Bowie und auch über Andrews Lieblingsgitarristen: John Fruscianti und Jeff Buckley. Später schickte er mir ein paar Aufnahmen, wo ich merkte, dass er ein guter Songschreiber ist. Ich lud ihn zu mir nach LA ein, und innerhalb von ein paar Stunden hatten wir zwei Stücke geschrieben, die jetzt auf der Platte sind. Also rief ich Jason an: Bist Du in der Stadt? Du solltest morgen mal vorbeikommen."
    Sein Ego scheint so groß zu sein wie seine Stimme
    Glenn Hughes ist lange im Geschäft, hat - als Sänger zumeist auf hohem Niveau - mit großen Kollegen zusammen gespielt: Deep Purple, Black Sabbath, Whitesnake, um nur einige zu nennen. Doch das Fachliche ist die eine Seite, menschlich wurde oft schmutzige Wäsche gewaschen. Sein Ego scheint ebenso groß zu sein, wie seine Stimme. Die Kooperation etwa mit Gary Moore endete mit diesem Fazit:
    "Hughes ist ein Arschloch, ich werde nie mehr mit ihm zusammen arbeiten."
    2010 bildete Hughes mit Trommler Jason Bonham, Keyboarder Derek Sherinian und Gitarrenheld Joe Bonamassa Black Country Communion, deren erste zwei Alben zum Besten gehören, was der harte Rock der Neuzeit zu bieten hat.
    Doch die Zusammenarbeit endete vor einem Jahr im Knatsch. Bonamassa knurrte dem Schreihals Hughes kürzlich noch hinterher:
    "Zu meinen Solokonzerten kommen pro Show 5000 Zuschauer, bei Black Country Communion hatten wir 3800 - zusammen bei acht Gigs. Warum also sollte ich in Clubs mit einem 62jährigen Mann spielen, der sich für einen verdammten Rockstar hält?"
    Hughes muss man im Interview gar nicht auf das Thema ansprechen, er rückt gleich selbst mit seiner Sichtweise heraus:
    "Ich möchte, dass die Fans wissen, dass wir alle Freunde sind, niemand redet mehr darüber. Joe hatte einfach zu wenig Zeit. Wenn wir noch drei, vier Jahre zusammengeblieben wären und vernünftig getourt wären, dann wäre Black Country mit Sicherheit sehr, sehr groß geworden."
    Glenn Hughes schaut nach vorne
    Glenn Hughes wird doch nicht etwa altersmilde? Nein, er schaut nach vorne. Dieser Neustart könnte sein letzter sein - und entsprechend dick und lautstark rumpelt California Breed los: Ein Powertrio, erneut mit Jason Bonham am Schlagzeug und mit Andrew Watt, dem 23jährigen und bisher eher lokal bekannten New Yorker an der Gitarre, der auch singt.
    Hughes ordnet seine neue Kombo ganz unbescheiden stilsicher und gewohnt breitmäulig gleich mal neben Free, Cream und Led Zeppelin ein.
    Das Album produziert hat Dave Cobb in Nashville, er ist auch unter anderem für den Sound der Rival Sons verantwortlich. Über die Rival Sons wurde Hughes auf Cobb aufmerksam.
    "Ich habe eine Radiosendung in England, und als ich dort zum ersten Mal Pressure And Time von den Rival Sons spielte, gefiel mir der Sound, und ich habe gegoogelt, wer das produziert hat: Es war ein Typ namens Dave Cobb in Nashvill. Damals war ich noch bei Black Country, aber schon da war mir klar: Das ist der Sound, den ich brauche, eines Tages werde ich auch ein Album in Nashville produzieren. Jack White, die Black Keys - aus Nashville kommt viel trendige Rockmusik. Nashville ist wild und gefährlich."
    "Das Album klingt wirklich retro, wir haben analoges Equipment verwendet, in Cobbs Studio steht eine Menge Vintage-Zeug herum, also Verstärker, Gitarreneffekte und so was. Die Gesangspuren sind wirklich in einem Take entstanden: Dave sagte: 'Glenn, willst Du nicht den Bass später spielen und dazu singen, wenn Jason und Andrew ihre Spuren aufnehmen?' So haben wir es gemacht, und am nächsten Tag sagte ich: 'So, und jetzt machen wir den Gesang richtig', aber Dave meinte nur: 'Hast Du schon - gestern. Du bist fertig.' "
    Heftige Drogenvergangenheit
    Auf seine Stimme kann Glenn Hughes sich immer noch etwas einbilden, auf sie ist trotz seiner heftigen Drogen- und Alkoholvergangenheit immer noch Verlass.
    "Ich bin selbst ganz erstaunt, finde, ich klinge wie mit 22. Aber der Unterschied ist, wenn ich jetzt schreie, dann sind diese Schreie melodisch. Im Song All falls down hört man, dass ich auch schön singen kann, nicht nur schreien."
    Um Glenn Hughes muss man sich also keine Sorgen machen: Große Klappe und viel dahinter. Dabei klingt diese letzte Chance von Glenn Hughes auf angenehme Weise: wie von gestern. Für September ist eine Tour auch in Deutschland geplant.
    Das Album California Breed ist am 16. Mai, erschienen, daraus stammt auch der Song "All falls down".