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Callcenter war mal

Teure Wartezeiten für inkompetente Beratung - Callcenter haben beim Verbraucher keinen besonders guten Ruf. Doch es gibt auch Unternehmen, die gegensteuern und sich bewusst vom Schmuddelimage absetzen. Ein Berliner Dialogcenter etwa geht andere Wege.

Von Francisca Zecher |
    " Lexwear-Steuerhotline, mein Name ist Sabine Kühn, was kann ich für Sie tun? "

    Sabine Kühn sitzt in ihrer Wohnung vor zwei Computerbildschirmen und nimmt Anrufe von Kunden entgegen, die Fragen zu einer Software zum Ausfüllen von Steuererklärungen haben .

    " Jetzt machen Sie das bitte mal wieder zu und gehen noch einmal auf das Fragezeichen. Und zwar liegt das, was Sie freigeben müssen in folgendem Ordner ... "

    Sie arbeitet für das Callcenter Value5. Die 50-Jährige hat zuvor lange als IT-Spezialistin gearbeitet. Das ist den Verantwortlichen von Value5, das sich selbst lieber Dialogcenter nennen, bei der Auswahl ihrer Telefonberater besonders wichtig, erklärt Marketingleiter Andreas Vogt.

    " Es sind Freiberufler, die meistens schon mehrere Jahre in ihrem Feld tätig sind, sei es jetzt Lohn und Buchhaltungssoftware oder Steuerberater, Ärzte oder Physiotherapeuten, je nachdem welche Frage auftauchen kann. Und unsere Grundphilosophie ist, das er mindestens fünf Jahre in diesem Feld Geld verdient hat. "

    In dem so genannten Virtuellen Dialogcenter sitzen die Mitarbeiter nicht wie Legehennen in einer Batterie nebeneinander. Sie arbeiten von zuhause aus, die einzelnen Kunden werden ihnen über das Internet zugeleitet. Bei der Vermittlung der Anrufe können unter anderem Aspekte wie geografische Herkunft der Ratsuchenden berücksichtigt werden. Rund 500 Mitarbeiter beschäftigt Value5 im ganzen Bundesgebiet - und spart Mietkosten für Büroräume. Doch neben der Verringerung der Fixkosten - für Andreas Vogt besteht auch noch ein psychologischer Vorteil. So könnten die Berater in der ihnen vertrauten Umgebung viel besser arbeiten. Das wiederum wirke sich positiv auf die Außenwirkung des Unternehmens aus, in dessen Namen beraten werde, argumentiert er. Die Mitarbeiter können sich ihre Arbeitszeit frei einteilen, bezahlt wird nach bearbeiteten Anrufen. Einer Qualitätskontrolle sind die Mitarbeiter bei der Arbeit von zuhause aus dennoch unterworfen. Im Anschluss an jedes Telefonat wird die Kundenzufriedenheit abgefragt.

    " Anhand dieser Eingabe wird der einzelne Berater bewertet, und diese Bewertung fließt dann wiederum in die Anrufverteilung. Das heißt im Endeffekt, derjenige, der nicht gut berät, fliegt aus diesem System auch raus. "

    Durch die virtuellen Strukturen kann das Dialogcenter zudem sehr schnell auf unvorhergesehene Situationen reagieren, erklärt der Marketingleiter. Dann zum Beispiel, wenn ein Unternehmen ein fehlerhaftes Produkt ausgeliefert hat oder ein System zusammengebrochen ist.

    " Bei Projekten, wo sehr schnell 100 Berater benötigt werden, da haben wir die Möglichkeit, auf der einen Seite E-Mails rauszuschicken, aber auch einen Alarm-Call zu machen. Das heißt, da wird jemand mit einer Textnachricht angerufen, bitte gehen sie doch in zwei Stunden in die Hotline. Wenn ein Volumenanstieg entsteht, können wir sehr schnell reagieren. "

    Diese starke Konzentration auf die Bedürfnisse der Kunden hat jedoch ihren Preis:

    " Wir sind sicherlich etwas teurer, wobei wir, wenn wir, wenn wir das ausrechnen, wir sagen, wir haben eine sehr hohe Lösungsrate. Das heißt, der Kunde, der anruft, dem wird beim ersten Anruf auch geholfen! Das heißt, die Minutendauer, bis zur Lösung ist kürzer, als wenn ich jemanden dransetze, der kein Spezialist ist und beim ersten Anruf keine Lösung bietet. "

    Seit 2004 ist Value5 auf dem Callcenter Markt tätig, der Jahresumsatz liegt im einstelligen Millionenbereich. Dabei machen 80 Prozent das so genannte In-Bound-Geschäft aus. Hier ruft der Kunde an und will beraten werden. Auf der anderen Seite stehen die so genannten Out-Bound-Geschäfte, zu denen auch die im Branchenjargon "Cold-Calls" genannten kalten Anrufe gehören, lästige Kontakte, die der Angerufene nicht gewünscht hat. Value5 lehnt diese Art der Kunden-Akquisition ab. Vertriebsmitarbeiter Daniel Rohrbach:

    " Wir rufen Kunden an, die schon als Kunden gelistet sind also so genannte warme Kunden, wo wir wissen, dass die Adresse bereinigt ist und wo wir wissen: Diese Kunden dürfen wir anrufen. Es gibt ja die Robinson-Liste, wir können keinen Kunden anrufen, der auf dieser Liste erscheint. "

    Das Unternehmen hat sich auf bestimmte Branchen spezialisiert. Dazu gehören unter anderem die Bereiche Finanzen und Informationstechnologie. Kunden sind zum Beispiel die Haufe-Mediengruppe, die Software-Produkte vertreibt oder das Routenplanungs-Unternehmen Map&Guide. Die Seriosität der Kunden spielt bei der Auftragsannahme eine wichtige Rolle.

    " Es kommt auch vor, dass wir Projekte nicht machen, wo wir merken, dass ab einem bestimmten Punkt etwas von uns verlangt wird, was wir gar nicht machen wollen. Das ist zum Beispiel das Verkaufen von Lotterielosen am Telefon mit allen Mitteln. Wir haben davon nichts. Auf der einen Seite glaube ich daran, dass Berater, die gut sind, verbrannt werden. Dann gerät auch das komplette Produkt in Verruf. "

    Auch Beraterin Sabine Kühne kann sich nicht vorstellen, in einem Callcenter zu arbeiten, in dem es nur um die Quote geht, also eine bestimmte Zahl von Anrufen, die jeden Tag abzuarbeiten sind:

    " Weil die Kunden wenn sie anrufen Hilfe erwarten und nicht wenn ich irgendwo anrufe und denen dann auf die Nerven gehe, weil ich ihnen irgendwas andrehen will. "

    Doch darüber muss sich Sabine Kühne keine Sorgen machen. Die Diskussion über die Schwarzen Schafe in der Callcenter Branche rücken Value5 automatisch in ein besseres Licht. Jetzt trenne sich in der Branche die Spreu vom Weizen, erklärt Marketingleiter Andreas Vogt. Und dabei gehöre sein Unternehmen natürlich zum Weizen.