Als es begann, war der Kanadier Chris Wylie ein Internet-Profiler bei SCL, einer Daten-Firma, die sich auf Verhaltensforschung spezialisiert hatte. Er sollte herausfinden, was junge Briten in die Arme des IS treibt. Wie müssen die drauf sein, um radikalisiert zu werden? Kann man sie im Netz in die andere Richtung manipulieren und so Gewalt vorbeugen? Hacking zum Schutz der Gesellschaft: So fing es an. Und dann kam Steve Bannon ins Spiel.
"Er erkannte, dass diese Arbeit in den USA umgedreht werden könnte. Dass dieselben Instrumente, mit denen man Menschen, die offen für Radikalisierung sind, vorsorglich abschirmt, genutzt werden können, um genau diesen Menschentyp mit Profiling und gezielten Narrativen zu mobilisieren und zu radikalisieren", erzähl Chris Wylie.
"Er erkannte, dass diese Arbeit in den USA umgedreht werden könnte. Dass dieselben Instrumente, mit denen man Menschen, die offen für Radikalisierung sind, vorsorglich abschirmt, genutzt werden können, um genau diesen Menschentyp mit Profiling und gezielten Narrativen zu mobilisieren und zu radikalisieren", erzähl Chris Wylie.
Die Nutzer eint der durchlaufene Manipulationsprozess
Diese Idee war die Geburtsstunde von Cambridge Analytica, das Bannon und seine Freunde in den USA als Tochterfirma von SCL aufbauten. Mit Hilfe des 24-jährigen Hackers Chris Wylie. Genau wie vorher fahndete er in den sozialen Netzwerken nach jungen, ledigen, zornigen Männern, Leuten, die keinen Job, keine Freundin, kein Geld hatten, die sich zu kurz gekommen fühlten im Leben.
Wylie und seine Kollegen lockten sie mit Werbung an und fütterten sie dann gezielt mit manipulativen Inhalten.
"Du sitzt in deinem Schlafzimmer rum um ein Uhr morgens, surfst im Netz, und da taucht aus dem Nichts etwas auf, das dich neugierig macht. Das klickst du an. Und plötzlich fangen andere an, mit dir zu chatten. Die teilen Links mit dir und fragen: Hast Du das schon gesehen?"
"Du sitzt in deinem Schlafzimmer rum um ein Uhr morgens, surfst im Netz, und da taucht aus dem Nichts etwas auf, das dich neugierig macht. Das klickst du an. Und plötzlich fangen andere an, mit dir zu chatten. Die teilen Links mit dir und fragen: Hast Du das schon gesehen?"
Auf Facebook potenziert sich die Zahl derer, die sich miteinander austauschen, ganz schnell. Hat man 50, 60 Leute zusammen, greift Schritt drei: Die Einladung zu einer Veranstaltung. Man trifft sich unter Gleichgesinnten in einer Bar oder einem Coffeeshop. "Die sehen aus wie du, die reden wie du", sagt Chris Wylie, das sind ganz normale Bürger aus Deiner Umgebung. Nur dass sie alle den selben Manipulationsprozess durchlaufen haben.
"Wenn die über den Deep State reden oder über die große Verschwörung von George Soros, um Leute wie dich zu unterdrücken, dann wirken die nicht, als hätten sie etwas vor. Wenn du online gehst, reden alle darüber. Aber wenn du CNN schaust oder die New 'York Times' liest, dann siehst du nichts von alledem."
"Sie zeigen mit dem Finger auf eine große liberale Verschwörung"
Von da an erreichen vernünftige Argumente die Zielpersonen von Hackern wie Chris Wylie nicht mehr. Die andere, die liberale Seite steht unter Generalverdacht, nichts als Propaganda zu verbreiten.
"Sie zeigen mit dem Finger auf eine große liberale Verschwörung, auf ein heimliches Hauptquartier mit George Soros an der Spitze. Auf Geheimtreffen, wo die Liberalen die Weltordnung planen. Aber genau das macht Altright."
Steve Bannons Bewegung funktioniert wie eine Sekte, sagt Chris Wylie. Und er muss es wissen, denn vor seinem Ausstieg half er dem Altright-Gründer ja bei der Gehirnwäsche. Aber warum macht Bannon das überhaupt?
Steve Bannons Bewegung funktioniert wie eine Sekte, sagt Chris Wylie. Und er muss es wissen, denn vor seinem Ausstieg half er dem Altright-Gründer ja bei der Gehirnwäsche. Aber warum macht Bannon das überhaupt?
Die Wahl von Donald Trump in den USA sei nur ein Teil der Geschichte, warnt Wylie. Altright wolle viel mehr: den kulturellen Aufruhr, eine Erschütterung, die alles unter sich begräbt. Um auf den Trümmern eine neu-rechte Ordnung aufzubauen.
Politik und Behörden laut Wylie handlungsunfähig
Chris Wylie hat seine Erfahrungen im Innern von Cambridge Analytica nach seinem Ausstieg öffentlich gemacht. Heute warnt er, dass Bannons Muster und System überall funktionieren kann. Mit welchem Ziel auch immer. Politik und Behörden wüssten immer noch nicht, wie sie mit der Bedrohung aus dem Netz umgehen sollen. Und die Social-Media-Plattformen könnten nach wie vor tun und lassen, was sie wollen.
"Wir haben Mark Zuckerberg unsere Demokratie anvertraut. Einem Mann, der nicht einmal der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterworfen ist, geschweige denn der in Europa, Asien, Afrika oder sonstwo auf der Welt. Und ich finde das ziemlich beunruhigend."
Am 8. Oktober 2019 erschien Christopher Wylies Buch "Mindf*ck - Inside Cambridge Analytica's Plot to Break the World", Profile, 269 Seiten.