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Cameron unter Druck

Die Gegner eines geeinten Europas befinden sich in Großbritannien derzeit im Aufwind. Davon könnte die rechtspopulistische Unabhängigkeitspartei UKIP profitieren. Einen EU-Austritt fordern mittlerweile aber auch andere.

Von Jochen Spengler | 07.05.2013
    "Großbritannien sollte raus aus der EU, die sich in ein bürokratisches Monster verwandelt hat." Das ist eine Aussage, die auf der Insel keinen Hund hinterm Ofen hervorlockt; erst letzte Woche hat damit die rechtspopulistische Unabhängigkeitspartei UKIP bei den Landkreiswahlen ein Viertel der Wählerstimmen geholt; vor allem die Konservativen sind erschüttert und sinnen nun über Wahlabsprachen mit der Partei von Nigel Farage nach. Der aber fordert dafür den Kopf des konservativen Premierminister David Cameron:

    Was Cameron aber wirklich Kopfschmerzen bereiten dürfte, ist, dass der EU-Austritt heute morgen nicht von einem weiteren UKIP-Mann oder Tory-Hinterbänkler gefordert wurde, sondern von einem respektierten und glaubwürdigen Leuchtturm der Konservativen, von Nigel Lawson, dem langjährigen Schatzkanzler.

    Der 81-J ährige Lord schreibt in der Times, dass sich die EU fundamental gewandelt habe seit dem Beitritt Großbritanniens 1975, für den er seinerzeit gestimmt habe. Sie steuere wegen des Euro auf eine volle politische Union hinaus, obwohl die von den Völkern nicht gewollt sei; Großbritannien werde dabei immer mehr an den Rand gedrängt. Deswegen spreche alles für den Austritt. Er glaube auch, dass der wirtschaftliche Gewinn die Kosten weit übertreffen werde. Eine Analyse, die der Vizepremier und Chef der Liberaldemokraten Nick Clegg prompt zurückwies.
    "Die EU zu verlassen macht uns weniger wohlhabend, es gefährdet bis zu drei Millionen Jobs, die von unserem Platz im weltgrößten Binnenmarkt abhängen, es würde schwieriger werden mit grenzüberschreitenden Gefahren wie dem Klimawandel umzugehen und wir würden in Washington, Peking und Tokio weniger ernst genommen."

    Doch Nick Clegg ist ein einsamer Rufer in der Wüste. In der Konservativen Partei wird Lord Lawsons Artikel die EU-Feinde stärken und legitimieren. Schließlich war Nigel Lawson Margaret Thatchers Finanzminister und gilt als Wahrer des ökonomischen Vermächtnisses der eisernen Lady. Auch Thatchers engster politischer Vertrauter, der Ex-Generalsekretär der Tories, Lord Tebbit, hat sich vor wenigen Tagen kritisch über die Politik Camerons geäußert:

    "UKIP bietet den Menschen eine Politik des gesunden Menschenverstandes, Punkte, mit denen die meisten im Land übereinstimmen. Etwa dass wir von unseren Freunden in Brüssel an der Nase herumgeführt werden und dass wir eine Entscheidung brauchen, wie wir damit umgehen. Cameron ist völlig neben der Spur, indem er das Händchen von Herrn Clegg hält."

    Doch mit dem ist er nun einmal in einer Koalition. Es macht Camerons Lage nicht leichter, dass Lord Lawson nebenbei noch die Strategie des Premiers zerfetzte, der mit der EU ein neues Verhältnis aushandeln und dies dann 2017 in einem Referendum zur Abstimmung stellen will.

    Die EU werde sich nämlich allenfalls auf völlig belanglose Zugeständnisse einlassen, schreibt der Ex-Finanzminister. In Brüssel sei die Doktrin sakrosankt, dass "mehr" Europa eine gute Sache ist, und der Glaube absolut, dass Kompetenzen, die einmal an die Union übertragen wurden, nie mehr an die Mitgliedsstaaten zurück gegeben werden können.