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Erfolg für Rechtspopulisten bei britischen Regionalwahlen

Das gab es im britischen Dreiparteiensystem seit 1945 nicht mehr: Bei Kommunalwahlen hat die antieuropäische Unabhängigkeitspartei UKIP als vierte Kraft 26 Prozent der Stimmen gewonnen - eine derbe Watsche für die Konservativen von Premierminister David Cameron.

Von Jochen Spengler | 03.05.2013
    Teilweise lagen die Wahlforscher richtig: Die Konservativen verlieren einige Hundert Landräte, bleiben aber mit großem Abstand stärkste Partei in Englands Grafschaften. Die in Westminster mitregierenden Liberaldemokraten verlieren ebenfalls Dutzende Mandate. Und wie fast schon normal, zwei Jahre vor einer Parlamentswahl. Die oppositionelle Labour-Partei gewinnt dazu. Sie hat auch bei einer Nachwahl zum Unterhaus den Sitz des früheren Außenminister David Miliband verteidigt; der Bruder des Labour-Chefs Ed zieht sich aus der britischen Politik zurück.

    Und dennoch lagen die Wahlforscher an einem entscheidenden Punkt ziemlich daneben, was John Curtice, Politikprofessor aus Glasgow auch freimütig einräumt: UKIP, die Unabhängigkeitspartei, habe weit besser abgeschnitten als vorhergesagt. Die Rechtspopulisten, die von den etablierten Parteien als Spinner und Clowns bezeichnet werden, und die Großbritannien aus der EU führen wollen, nicht zuletzt um die Einwanderung aus Osteuropa zu stoppen, sie dürften nicht wie prognostiziert nur 15 Prozent der Wähler überzeugt haben, sondern mehr als ein Viertel.

    "Diese 26 Prozent der Wähler sind im Durchschnitt älter, weniger gut ausgebildet und gesellschaftlich relativ konservativ eingestellt – in Fragen von der Einwanderung bis zur gleichgeschlechtlichen Ehe."

    Sie haben das britische politische System erschüttert und dem Establishment der drei führenden Parteien eine empfindliche Klatsche gegeben. Grant Shapps, Generalsekretär der Konservativen Partei, aus deren Wählerreservoir UKIP vor allem schöpft, räumte die Niederlage ein, relativierte aber:

    "Wir kamen aber auch von einem überragenden Wahlergebnis im Jahr 2009; jetzt haben sich viele entschieden, nicht für die Mainstream-Parteien zu stimmen – und so war es für alle drei kein großer Wahltag."

    Die Karte, anders zu sein als alle andern, hatte Nigel Farage, der Chef von UKIP ganz bewusst gespielt.

    "Es geht um eine Grundeinstellung. Wir werden doch von Karrierepolitikern geführt, die völlig abgehoben sind und noch nicht mal dieselbe Sprache, wie wir sprechen. Die Menschen die uns gewählt haben, wehren sich gegen das Establishment. Völlig zurecht gegen drei Parteien, drei Führungsspitzen, die gleich aussehen und klingen und die niemals einen richtigen Job im normalen Leben hatten."

    Dennoch sei dies keine reine Protestwahl gewesen, behauptete der UKIP-Führer, dessen politisches Programm widersprüchlich ist und sich auf eher wenige Forderungen konzentriert: für Einwanderungsstopp, Sparpolitik, Raucherkneipen – gegen Windräder, Steuererhöhungen und EU-Mitgliedschaft.

    "Großbritannien steckt in der Bredouille und braucht radikale Reformen. Wir müssen wieder die Kontrolle über unser Land gewinnen und das verweist auf die europäische Frage, über die niemand in der Hauptstadtelite reden will. Aber es gibt es im Land tatsächlich eine Mehrheit dafür, unser Land von Brüssel zurückzuholen und wir sind die einzigen mit dieser Einstellung für die man stimmen kann."

    Auch wenn sich das politische Pendel in Großbritannien heute deutlich nach rechts verschoben hat, steht UKIP keineswegs vor der Machtübernahme. Die Partei stellt bislang keinen einzigen Abgeordneten im Parlament und sie wird allen heutigen Erfolgen zum Trotz keinen einzigen Landkreis regieren. Allerdings hat sie heute erstmals Wurzeln an der Basis, in den Landkreisen geschlagen und sich damit von einer unbeachteten Aktionsgruppe zu einer ernst zu nehmenden Partei gemausert; im britischen Mehrheitswahlsystem ist dies allenfalls der Beginn eines langen Weges an die Macht.