Kai Diekmann und Gabor Steingart lassen sich bestens gestylt vor einem Zirkuszelt ablichten. Der Ex-"Bild"-Chef und der Ex-"Handelsblatt"-Geschäftsführer Seite an Seite im Medienzirkus. Noch einmal: "Cheese" - und das "Campfire Festival" für Journalismus und digitale Zukunft beginnt – in eben diesem Zelt. Auftakt-Speaker: David Schraven, Geschäftsführer des gemeinnützigen Recherche-Zentrums Correctiv, dem Initiator des Festivals:
"Wir glauben, dass wir einen Ausgleich brauchen in der Gesellschaft. Dass wir versuchen müssen, das, was an populistischen Gräben aufgerissen wird, wieder zuzuschütten. Durch viel Arbeit, viel Mühe, indem wir wieder Maaß und Mitte finden. Indem wir überlegen: Was sind denn die ausgleichenden Sachen, wo sind wir zusammen?"
Sein Credo: Zu lange hätten sich die Medien von den Menschen immer weiter abgekapselt, teilweise gar nicht mehr mitgekriegt, was wirklich passiert. Beim Campfire sollen Gesellschaft und Journalismus wieder zusammenrücken.
Gesellschaft und Journalismus gehören zusammen
"Wir müssen Orte für Debatten finden. Und wo kann man Debatten führen? Am Lagerfeuer! Da, wo die ganzen Geschichten angefangen haben, wo die ersten Journalisten saßen und den Tratsch aus dem Nachbardorf erzählt haben, da fängt das alles an. Und deswegen heißt das Festival 'Campfire'."
Zwei Hauptbühnen, 15 Programmzelte: Die Wiese vor dem Düsseldorfer Landtag, auf der sich die journalistische Lagerfeuer-Camping-Zeltstadt erhebt, ist gut besucht. Auch wenn die erwarteten 10.000 Besucher am Ende vielleicht doch etwas zu hochgegriffen sind.
150 Programmpunkte verteilen sich auf drei Tage. Und auf unterschiedliche Medienpartner: Der Deutscher Journalisten-Verband ist genauso mit dabei wie etwa Facebook und Google oder die AOK. Fast jedes Zelt wird von einem anderen Akteur bespielt. Hauptpartner ist die Rheinische Post – deren Chefredakteur im RP-Zelt zum Dompteur von Dieckmann und Steingart avanciert.
Gräben schließen: dass die beiden dafür keine Poster-Boys sind, ist auch ihm klar.
Michael Bröcker: "Ich hab grad eben das Stichwort auf der Bühne schon gehört: Es ging um Maß und Mitte im Deutschen Journalismus – wer ist da besser geeignet als die beiden Journalisten, die für Maß und Mitte stehen." (Lautes Lachen im Publikum.) "Den musste ich mir gönnen."
Nischen-Highlights und journalistische Prominenz
Es entfaltet sich ein komödiantischer Schlagabtausch zwischen Moderator und den journalistischen Selbstdarstellern. Das Thema: "Wie viel Selbstvermarktung vertragen die Medien?"
Kai Diekmann: "Das müssen wir begreifen, wenn wir über Kommunikation heute reden, da hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden."
Bröcker: "Und ich muss als Moderator bergreifen, wann ich Kommunikation unterbrechen darf, ich werde das noch lernen…" (Lachen im Publikum.)
Die Sitzreihen unter der blauen Zeltkuppel sind brechend voll. Das Publikum: zwischen 20 und 50, teils lässig und bunt, teils im Anzug mit glänzenden Lacklederschuhen.
Wer Nachhaltigeres will, geht zum Zelt der GLS-Bank und kriegt dort etwa zu hören, wie über den Klimawandel berichtet werden muss. Das Publikum macht mit beim Brainstorming:
"Ich hab nochmal gerade so ein bisschen eine verrückte Idee. Ich höre öfter Deutschlandfunk morgens, dann höre ich hier vom Klimawandel und dann fängt mein Tag ja schon mal ziemlich scheiße an. Wenn man sich mit diesen ganzen Themen beschäftigt, da denke ich, dass man am Ende eigentlich immer so einen positiven Punkt bringen muss. Und letztendlich gibt es für ganz viele Probleme ja auch Lösungen. Und kann man nicht etwa ein Problem rausgreifen und man nimmt das und zeigt es dann halt fünf Minuten vor der Tagesschau. Also diese Idee dann so in fünf Minuten. Einfach nur: Was ist das Problem, wie ist die Lösung, wie kann man das ändern. Und so ein Bewusstsein schaffen bei den Leuten. Dann würden sich die Leute irgendwann auch fragen: Hä, warum macht ihr das denn nicht, Politik?"
Die übliche Krisenberichterstattung wollen in einem anderen Panel auch die "Riff-Reporter" durchbrechen. Gründerin Tanja Krämer:
"Für die Autoren ist es eine Publikationsplattform. Für die Leser ist es im Grunde ein großes Online-Magazin von Journalisten, die Experten sind in ihren Themengebieten, und die eben sehr tiefgehend und sehr kontinuierlich berichten können – zu Themen, die man sonst in den klassischen Medien nicht mehr unbedingt findet."
Nicht die journalistischen Big Names, sondern gerade die vielfältigen kleinen Initiativen sind ein ums andere Mal das heimliche Highlight des Festivals. Den Besuchern gefällt die Mischung und der Blick hinter die Kulissen:
"Dann wird auch das ganze Medienspektrum realer"
Besucherin: "Sehr interessant. Erhellend. Ich habe etliche Sachen gehört, die mich sehr bewegt haben auch, zum Beispiel vorhin der Vortrag von Dündar. Und dann kommt die Welt plötzlich nah und dann wird auch das ganze Medienspektrum realer. Ich find’s hoch interessant."
Besucher: "Sehr informativ, es ermöglicht einen Einblick, den man sonst nicht hat. Zum Beispiel in Recherchen, große Recherchen."
Besucherin: "Es sind so viele interessante Eindrücke. Neue Eindrücke. Die mir wieder Aufschluss geben über manches, was ich mir bisher nicht erklären konnte. Das ich die Menschen hier kennen lerne, die hinter den Nachrichten stehen, und sehe wie sowas funktioniert."
"In jedem Zelt gibt es eine Diskussion, großartig."
Am Rande eines Panels zeigt sich auch Journalist Can Dündar begeistert:
"Es ist unglaublich zu sehen, wie sehr sich die Menschen für Medienthemen interessieren. Unter jedem Zelt gibt es eine Diskussion, was großartig ist, wirklich."
Eine Wiederannäherung von Medien und Gesellschaft – mit dem Campfire Festival scheint ein erster Schritt geglückt.