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Camping auf der Insel
Urlauben im Brexit-Land

Urlaub jenseits von Bed and Breakfast: Immer mehr Touristen reisen trotz der britischen Entscheidung für einen Brexit nach Großbritannien - nicht nur pauschal nach London, Edinburgh oder Oxford, sondern auch individuell mit Zelt, Wohnmobil und Wohnwagen.

Von Rocco Thiede | 17.09.2017
    Wohnwagen und Wohnmobile auf einem Campingplatz nahe dem Strand in der Nähe von Weymouth in der Grafschaft Dorset an der britischen Südküste
    Raus in die Natur statt rein in die Stadt - immer mehr Individualtouristen erobern Großbritannien mit dem Wohnmobil (dpa / Thomas Muncke)
    "Die Engländer sind sehr nett. Wir finden die Landschaft toll. Die Strände sind schön. Es ist einfach angenehm.", sagt Sabine Lenz aus Niederkassel in Nordrhein-Westfalen. Der Brexit hatte für Familie Lenz keinen Einfluss auf ihre Urlaubsentscheidung. Mutter Sabine schildert ihre Beobachtungen:
    "Momentan spürt man noch nichts davon. Aber wenn man sich mit Engländern unterhält: Die freuen sich eigentlich alle drauf, dass der Brexit kommt und erklären, dass auch damit, dass sie gerne eigenständig sein wollen. Das ist aber das Einzige, was man davon spürt."
    Arne Lenz, der 16-jährige Sohn, ist wie seine Mutter und sein Vater begeisterter Wellenreiter und Windsurfer. Er verrät, wo es gute Bedingungen für seinen Sport gibt: "Jetzt in dem Urlaub eher in Nordengland, aber sonst auch in Cornwall unten. In Penzance auch in der Nähe von Lands End unten. Es war eigentlich überall sehr schön." Der Schüler Arne mag wie seine Eltern die Mentalität der Briten und - man staune - sogar das Wetter! "Die Leute sind sehr freundlich. Es ist nicht ganz so warm."
    "Weil wir die Leute als sehr freundlich, als sehr offen auch empfinden. Wir machen das mit dem Zelt auch, weil man ein bisschen Kontakt mit den Leuten hat. Die Leute die campen sind halt sehr speziell, kommunikativ. Das genießen wir eigentlich.", ergänzt Vater Boris Lenz. Zelten ist finanziell gesehen auch ein günstiger Urlaub.
    Aber nicht nur: "Die Engländer sind für uns eigentlich die Nation, wo man am besten campen kann. Ich glaube, die haben das Campen erfunden. Wir treten dann immer diesem Caravan Campingclub bei, da gibt es so overseas temporal memberships, das kann man alles online machen. Da kommt man so mit 30 Pfund pro Nacht aus mit der Familie zu dritt, mit einem Zelt fünf Mal zweieinhalb Meter. Da kann man halt drei Wochen Urlaub machen und hat halt nix ausgegeben, wo man anders für eine Woche ein Ferienhaus bucht."
    Flache Strände, kleine Wellen
    Boris Lenz lobt die schönen Strände Englands, die beste Bedingungen für junge und ältere Freizeitsportler bieten: "Die Strände sind da sehr speziell. Es gibt viele Strände, wo das Wasser sehr flach aufläuft. Man hat da schöne Wellen, sehr kontrolliert, wo das Kind kleiner war, war das ungefährlich und wenn man mehr Spaß haben will, findet man da auch irgendwo eine Ecke."
    "Wir hatten keine Probleme. Die Leute sind freundlich. Es gibt wenig Stellplätze. Wir waren auf Campingplätzen.", erzählt Inge Arendt. Familie Arendt kommt aus der Nähe von Biberach und machte drei Woche in Schottland Ferien mit ihrem neuen Wohnmobil. Auch sie haben wenig von der Diskussion in den britischen Medien um die Folgen des Brexits mitbekommen.
    Das mobile Reisen ist für die Arendts, die früher auch schon viel mit dem Wohnwagen unterwegs waren, ideal. Inges Mann Peter Arendt geht auf einige Besonderheiten ein: "Ich bin der Fahrer eigentlich. Seit zwei Jahren haben wir unser Wohnmobil und es macht sehr viel Spaß. Hier in England haben wir keine Probleme oder auch in Schottland, wo wir waren. Linksfahren auch kein großes Problem. Da gewöhnt man sich innerhalb von Stunden dran. Da hier einen Parkplatz zu kriegen ist gar nicht so einfach."
    "Ich denke in Schottland, manche Straßen, wenn man mit einem Wohnwagen schwierig zu fahren. Mit dem Wohnmobil war kein Problem.", ergänzt Peters Frau Inge. "Wir sind wirklich ein paar ganz enge Straßen gefahren, so zum Beispiel beim Mull of Kentyre, das war sehr, sehr eng, aber es ging. Nichts passiert. Es gehört ein bisschen Mut dazu, wie gesagt mit dem Linksverkehr."
    Ökonomisch ist das Reisen mit dem Wohnwagen oder Wohnmobil günstiger, als wenn man mit dem PKW von Pension zu Pension mit Bed and Breakfast pendelt. Peter Arendt relativiert etwas: "Es ist auf jeden Fall nicht ganz so billig. Sicher, es gibt wenig Stellplätze in Schottland oder England, da muss man auf einen Campingplatz, und der ist nicht ganz billig. Circa 20 Pfund, zwei Personen ein Wohnmobil. Der Teuerste war auch 40 Pfund in York. Der beste Stellplatz war in Canterbury, drei oder vier Pfund."
    "In Schottland kann man einfach parken"
    Dabei ist es gar nicht so einfach, einen freien, also kostenlosen Übernachtungsplatz in England zu finden, so wie in Deutschland, wo man auf vielen Parkplätzen fast überall eine Nacht frei und umsonst mit seinem Wohnmobil oder Caravanhänger stehen kann. "Nein ich glaub das ist in England überhaupt nicht erlaubt. In Schottland kein Problem. Da kann man überall einfach parken, wenn man niemanden stört. Aber in England ist das ja verboten."
    Die Arendts sehen in ihrer Form des mobilen Reisens durch Großbritannien nur Vorteile, wie Peter bestätigt: "Ich würde sagen, man kommt überall hin, mit dem Wohnmobil, wenn mit dem Wohnwagen, den muss man halt irgendwo abstellen und dann fährt man eine Runde und muss wieder zurückfahren. Weil die Strecken sind schon sehr lang, wenn man wieder umdrehen muss. Und der Verkehr, es geht nicht so schnell wie bei uns. Auch selbst die Autobahn oder Motorways, mit den vielen Circles oder Roundabouts - man kann nicht so schnell fahren, die Straßen sind qualitativ deutlich schlechter."
    Matthias Schretter ist Mitte 40 und kommt aus dem oberbayerischen Schongau. Viele Jahre war der gelernte Koch in den USA, auf Kreuzfahrtschiffen und in der britischen Hauptstadt in einem Spezialitätenrestaurant angestellt. Seit einigen Wochen tourt Matthias mit seinem zum Motorhome umgebauten, weißen Lieferwagen mit Münchner Kennzeichen über die britische Insel. Von außen fällt das Fahrzeug als umgebautes Wohnmobil kaum auf. Innen hat er alles, was er zum Leben braucht:
    "Ja. Einen kleinen Ford-Transit. Von außen schaut's aus wie ein ganz normaler Transporter: verdunkelte Scheiben. Aber innen habe ich alles drin: Musik, Kühlbox, Heizung, Kochgelegenheit, übers Handy Internet. Das ist meine Wohnung. Was ich seit Kurzem drauf hab, ist Solar. Da habe ich drei große Batterien drinnen, die das zwischenspeichern. Dadurch kann ich meine elektrische Kühlbox laufen lassen, mein Notebook, meine Handys laden.
    Ist eigentlich alles da, was man in einem richtigen Zuhause auch hat, nur bei mir sind's halt knappe fünf bis sechs Quadratmeter, wo ich nicht mal Stehhöhe habe. Aber für eine Person absolut ausreichend. Und das Coole dabei ist auch, von außen sieht man eben nicht, dass es ein Camper ist, sondern es ist einfach nur ein Transporter. Dadurch kann ich überall stehen - in Wohngebieten, überall auch, wo dort steht 'Übernacht-Schlafen-verboten'. Das gibt's öfter, die Schilder hier oder 'Camper verboten'. Das interessiert mich alles nicht."
    Zigaretten und Alkohol sind teuer
    Matthias Schretter kommt bei seinem Campingleben mit relativ wenig Geld über die Runden. Kauft in den Supermärkten ein, kocht selbst und vermeidet Restaurantbesuche. "Jetzt bin ich seit Anfang April hier. Hauptsächlich London, Südengland, Cornwall. Man kann hier super günstig auch leben, wenn man natürlich hier nicht raucht, so extrem billig wie in Deutschland das Rauchen ist, ist es hier nicht. Da muss man gleich mal das Doppelte drauflegen. Also guter Tipp - Jeder, der nach England fährt: Nehmt eure Zigaretten aus Deutschland mit. Genauso Alkohol - sind sehr hohe Steuern drauf hier.
    Da kann man das Doppelte bis Dreifache im Supermarkt rechnen, was es bei uns kostet. Da hab ich mir 50 Liter Bier mitgenommen. Sind leider aus, weil jetzt bin ich fünf Monate unterwegs und da hab ich noch paar Hippies noch gehabt und ein paar Punks, die mir geholfen haben beim Biertrinken (lacht). Jetzt bin ich auf Cider umgestiegen. Weil in Deutschland gibt es keinen guten Cider. Hier gibt es richtig guten Cider, der aber im Verhältnis gar nicht so teuer ist."
    Da Matthias im vielen von Verboten geprägten und oft mit kameraüberwachten Parksystem immer einmal wieder eine kostenfreie Lücke findet, kam er um die fast überall eingeforderten Parkgebühren regelmäßig herum. Nur einmal hatte er Pech: "Ich finde auch immer Parkplätze, wo ich nichts zahle. Man muss halt natürlich öfters mal etwas weiter laufen. Aber laufen ist gut für die Gesundheit. Man muss oft hier zahlen für die Parkplätze - ist auch relativ teuer. Aber seit ich da bin, hab ich genau 3,60 Pfund fürs Parken ausgegeben.
    Das Witzige dabei oder fast Frustrierende dabei ist, wo ich 2,60 Pfund gezahlt habe, da habe ich was erledigen müssen in der Stadt und hab keinen anderen Parkplatz gefunden. Und da komme ich zurück um 16.27 Uhr. Mein Ticket ist abgelaufen um 16.27 Uhr und da steht schon so ein Parkwächter mit seiner Maschine da und wartet bis auf 28 umspringt, damit er mir ein Ticket ausstellen kann – das kostet dann gleich mal 100 Pfund. Wo ich gekommen bin, gibt er mir noch highfive: 'Oh, you made it' (lacht). Parken wird hier sehr viel kontrolliert, nicht so wie in Deutschland. Darum sollte man schon ein bisschen aufpassen."
    "Die Küste um Cornwall ist wunderschön"
    Matthias hat auf seiner Tour schon viele schöne Plätze gesehen. Für Reisende in den Süden Englands empfiehlt er besonders: "Die ganze Küste rundum um Cornwall ist wunderschön. St. Michael - das ist eine Burg, die im Wasser ist, schaut wunderschön aus. Man hat pro Tag zwei Stunden Zeit, wo man zu Fuß rübergehen kann, wo Ebbe ist, die andere Zeit muss man mit dem Boot fahren, kostet dann halt zwei Pfund pro Weg. Es gibt so viele, schöne, kleine Buchten: Newquay ist schön, dann Mousehole, Penzance auch ganz nett."
    Demnächst wird sich auch Matthias Schretter wieder in seine bayerische Heimat aufmachen. Den Herbst über möchte er nicht in Großbritannien bleiben, auch weil er als Saisonkoch in einem Wintersportort in den Alpen arbeiten kann. Im Grunde ist er sehr zufrieden. Aber:
    "Zu meinem Glück fehlt eigentlich nur noch eins, das ist eine nette Frau, die mit mir die ganzen Erlebnisse teilt, wenn ich die ganzen schönen Plätze sehe, sehe ich sie halt immer alleine. Und das würde ich gern mit einer Frau teilen. Ich glaube, dann wäre mein Glück perfekt."