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"Captain Berlin vs. Dracula"

Seine frühen Werke wären beinahe auf dem Index gelandet. Doch dann hat ein Gericht die Filme "Nekrimantik" und "Der Todesking" zu Kunst erklärt. Inzwischen hat sich der Film- und Fernsehregisseur, Musikproduzent und Autor Jörg Buttgereit auch des Hörspiels angenommen. Seine neue Radioarbeit für Eins Live bringt den Superhelden Captain Berlin mit Hitlers Hirn, Graf Dracula und einem wahnsinnigen Naziarzt im Berlin des Jahres 1973 zusammen.

Von Frank Olbert | 11.02.2006
    Frank Olbert: Herr Buttgereit, worum geht es in Ihrem neuen Hörspiel?
    Jörg Buttgereit: Es geht darum, dass das Hirn von Adolf Hitler überlebt hat und mithilfe von Dracula, der das Geheimnis des ewigen Lebens kennt, die Weltherrschaft wiedererlangen will. Sein Leibarzt hat ihn in einen Metallkörper, einen Roboter verpflanzt. Captain Berlin ist ein Superheld, der schon vor 1945 ein Attentat auf Hitler versucht hat, ein Superheld des linken Widerstands sozusagen. Und auch Dracula will mit Hitler nicht gemeinsame Sache machen, weil er ja aus dem Ostblock stammt und ein Sozialist ist. Das Ganze spielt im Jahr 1973 in Berlin. Die Mauer steht also noch.
    Frank Olbert: Das klingt ein bisschen wie so eine "Best of"-Compilation von Comics?
    Jörg Buttgereit: Genau, das ganze Konzept stammt aus den 70er-Jahre Comics. Es gab damals gerade in Amerika eine Menge Kriegs- Comics, die den Weg nach Deutschland nie gefunden haben. Adolf Hitler kommt darin als eine Figur vor, die mit der historischen Person nicht sehr viel zu tun hat. Es ist eine Art Schreckgespenst, eine Karikatur des hässlichen Deutschen. Diese Figur findet sich da oft zusammen mit Außerirdischen oder Superhelden. Diese Figur habe ich jetzt einfach mal so übernommen, wie man sie aus dieser amerikanischen Trivialliteratur kennt, ohne zu bedenken, dass wir uns hier in Deutschland befinden und eigentlich immer mit dieser Schuld auf den Schultern herumrennen. Es geht mir darum, dass man sich dieser Ikonen und bösen Symbole bemächtigt, sie in diesem Punkrock-Kontext benutzt und so entmystifiziert, damit eine Auseinandersetzung überhaupt wieder stattfindet.
    Frank Olbert: Aber ist das nicht auch ein Problem? Bringt man das nicht in eine lächerliche Sphäre hinein, in die es nicht gehört?
    Jörg Buttgereit: Ich habe gemerkt, dass gerade in der Trivialkultur oft mehr Auseinandersetzung stattfindet, als wenn man das Thema ganz trocken wie in einer Unterrichtsstunde abarbeitet, weil man da ja auch oft abschaltet Ein Beispiel ist der japanische Monsterfilm
    Da hat man auch diesen Effekt, dass das Trauma des Atombombenabwurfs über Hiroshima und Nagasaki in trivialen Gummimonster kulminiert, die über Tokyo herfallen. Da findet eine Aufarbeitung statt, auch wenn sie sehr verschlüsselt ist.
    Frank Olbert: "Captain Berlin vs. Dracula" ist Ihr achtes Hörspiel für Eins Live. Sind Sie jetzt vom Trash-Film zum Trash-Hörspiel umgestiegen?
    Jörg Buttgereit: Die Filme, die ich damals gemacht habe, entstanden ja mit einem sehr geringen Budget. Ich schätze mal, dass das Budget für die Hörspiele, die ich jetzt mache, doppelt so hoch ist. In der Zwischenzeit habe ich ja auch professionell als Fernsehregisseur gearbeitet, Spezialeffekte für eine größere Produktion gemacht oder auch Musikclips für richtig große Budgets. Aber die inhaltliche Freiheit habe ich zurzeit eigentlich nur im Hörspiel.
    Das Hörspiel "Captain Berlin vs. Dracula" sendet Eins Live am Donnerstag, den 9. März um 23 Uhr.