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Cardigans-Sängerin
"Wenn er mich will, würde ich alles tun"

Die schwedische "Cardigans"-Sängerin Nina Persson präsentiert ihr Solodebüt "Animal Heart". Im Corsogespräch redet sie über Krankheit, ihren Status als Sex-Symbol - und ihre Bereitschaft, sich für eine Aufnahme mit ihrem Hausgott Neil Young notfalls einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen.

Nina Persson im Corsogespräch mit Marcel Anders | 22.02.2014
    Die Sängerin Nina Persson steht auf einer Bühne im hellen Licht einzelner Scheinwerfer
    Die Schwedin Nina Persson sang früher bei "The Cardigans" (picture alliance / dpa (Karpov Sergei))
    Marcel Anders: Frau Persson, die letzten Jahre waren Sie regelrecht abgetaucht. Wo haben Sie gesteckt?
    Nina Persson: Das höre ich momentan von allen Leuten, mit denen ich mich unterhalte. Eben: "Was hast du die ganze Zeit gemacht?" Und darauf kann ich nur sagen: "Es gibt nichts, was ich nicht probiert hätte." Doch die Öffentlichkeit hat davon nur wenig mitbekommen – weshalb alle meinen, ich hätte mich unter einem Stein verkrochen. Dabei war es toll, ein paar Jahre zu haben, in denen ich selbst auf die verrücktesten Ideen eingehen konnte, die ich sonst immer abgelehnt habe. Einfach, weil ich mit meiner Freizeit sehr wirtschaftlich umgehen musste. Doch zuletzt konnte ich machen, was ich wollte. Was toll war. Eben sehr kreativ, sehr inspirierend und frei.
    Anders: Zudem sind Sie Mutter eines kleinen Jungen namens Nils geworden. Was ist das für ein Gefühl?
    Persson: Es ist toll. Geradezu umwerfend. Wobei es für mich allein deshalb etwas Magisches hat, weil ich eigentlich dachte, ich könnte keine Kinder bekommen. Und es hat mir vor Augen geführt, wie verwöhnt ich war, wie viele Freiheiten ich wirklich besaß und wie wenig Verantwortung. Denn ein Baby zu haben, ist eine echte Herausforderung - die mir sehr gut getan hat.
    Anders: Kurz vor ihrer Schwangerschaft hatte man bei Ihnen noch Krebs diagnostiziert.
    Persson: Das war ein Schlag ins Gesicht. Oder als würde man dem Tod ins Auge schauen. Plötzlich so krank zu sein, ist ein seltsames Gefühl.
    Anders: Wie haben sie die Krankheit überwunden?
    "Ich hatte Glück, der Krebs war heilbar"
    Persson: Ich hatte Glück, dass es ein heilbarer Krebs war. Ich musste mich nur einem Eingriff unterziehen, und das war´s. Ich brauchte keine Chemotherapie oder Bestrahlung. Was ja dafür sorgt, dass man sich erst richtig krank fühlt. Klar, hat mich die Diagnose umgehauen, aber es verlief alles problemlos.
    Anders: Welche Auswirkungen hat das auf "Animal Heart"? Wie schlägt sich diese emotionale Achterbahnfahrt nieder?
    Persson: Als ich mit dem Album anfing, war mir war auf jeden Fall bewusst, dass sich viele Dinge in meinem Leben verändert haben. Trotzdem bin ich immer noch dieselbe. Und ich hatte mir wirklich große Sorgen gemacht, dass alles anders sein könnte. Gerade nachdem ich Mutter geworden bin, und mich dieses Kind über Jahre hinweg regelrecht in Beschlag genommen hat. Was das betrifft, hatte ich große Angst, ob ich je wieder in der Lage sein würde, einen halbwegs interessanten Song zu schreiben.
    Anders: Also über Entfremdung, Einsamkeit und Beziehungsprobleme. Wie können Sie als glücklich verheiratete Frau in solchen Dramen schwelgen? Ist das Masche oder lässt Sie das nicht los?
    Persson: Nein, und das ist ja das Tolle: Als ich meinen Mann kennengelernt habe, dachte ich: "Ich habe eine funktionierende Beziehung – worüber soll ich jetzt schreiben?" Aber mittlerweile verfassen wir die Texte gemeinsam. Wir sitzen da und schwelgen in diesen fürchterlichen Szenarien, die aber nicht echt sind. Denn glücklich verheiratet zu sein, sorgt definitiv dafür, dass alles ein bisschen leichter ist. Trotzdem gibt es immer noch Spannungen. Und insofern stellt privates Glück kein Hindernis dar, um über Beziehungsprobleme zu schreiben.
    Anders: Wobei die Liebhaber und Ex-Freunde, die Sie im Song "The Grand Destruction Game" beschreiben, ja wenig schmeichelhaft sind. Etwa schielende Sänger von zweitklassigen Boybands. War es wirklich so übel?
    Persson: Ich denke, ich bin nicht die einzige Person auf der Welt, der es so geht. Aber manchmal wünsche ich mir schon, dass ich etwas öfter angesprochen worden wäre, als es letztlich der Fall war. Und was sich darin niedergeschlagen hat, dass ich die Tendenz hatte, mich mit vielleicht eher zweitklassigen Dingen zu begnügen. Wobei mein Mann ganz klar eine Nummer Eins war, und deshalb bin ich auch bei ihm geblieben. Ansonsten habe ich unter einer Sache gelitten, die ja nicht nur Frauen betrifft. Nämlich: Wenn bestimmte Leute, nach denen du dich sehnst, nicht zu dir kommen, dann nimmst du dir halt, was du kriegen kannst. Was in meinem Fall schielende Sänger von schlechten Boybands waren.
    Anders: Kann es sein, dass Männer Angst vor Ihnen hatten – vor dem erfolgreichen Popstar?
    "Ich weiß nicht, ob Männer Angst vor mir hatten"
    Persson: Ich weiß es nicht. Aber ich finde es interessant - und sehr ironisch. Ich meine, in letzter Zeit habe ich etliche Leute kennengelernt, die mir gestanden haben, wie sehr sie in mich verliebt waren – und das zu einer Zeit, als ich solche Bekenntnisse bitter nötig gehabt hätte. Aber sie haben nie ein Wort gesagt. Und auch nie versucht, mir ihre Gefühle mitzuteilen. Dabei hätten sie mich so leicht haben können. Nur: Jetzt ist es zu spät – was im Grunde ziemlich traurig ist. Es hätte bestimmt ein großer Spaß werden können, wenn sie sich damals getraut hätten. Denn ich war frei – und offen für alles. Ist das nicht lustig?
    Anders: Heißt das, Sie haben Ihren Erfolg wie auch Ihre Image als Sex-Symbol der 90er nie wirklich genossen?
    Persson: Ja, wobei ich kein Problem damit habe, sexy zu sein. Aber ich empfand es lange Zeit als schwierig, meine Profession als Musiker als etwas zu erachten, auf das ich stolz sein konnte. Denn ich wollte das ja eigentlich nie werden. Ich bin da vielmehr reingerutscht. Und es schien mir auch das Aufregendste zu sein, was ich damals hätte tun können – gerade wenn man bedenkt, wo ich herkomme. Ich meine, ich mochte Musik und ich mochte diese Jungs, die eine Menge Spaß verbreiteten. Doch plötzlich ist das zu einer großen Sache geworden. Und damit hatte ich echte Probleme. Denn ich wurde so erzogen, dass das Beste, was man aus seinem Leben machen konnte, darin bestand, zu studieren, zu arbeiten und sich sozial zu engagieren. Aber nur auf der Bühne zu stehen und all die Dinge, die sonst noch mit diesem Job einhergehen, schienen halt nicht genug zu sein. Weshalb ich mich lange unwohl in meiner Rolle gefühlt habe. Und ich dachte, es wäre eh nur etwas Temporäres. Also, dass ich irgendwann wieder zur Schule gehe. Aber nach den ersten zehn Jahren, wurde mir klar: "Wow, ich mache das jetzt schon so lange, und es ist noch kein Ende in Sicht. Außerdem macht es mir irgendwie Spaß. Wer weiß, vielleicht gehe ich doch nicht mehr zur Schule." Woraus echte Gewissensbisse resultierten – und ziemliche Kämpfe mit meinen Eltern.
    Anders: Ist "Animal Heart" dann auch ein bisschen Selbsttherapie? Also was diesen elektronischen Sound im Sinne der 80er betrifft, der irgendwo zwischen Disco, Funk und Soul liegt…
    Persson: Mir war schon früh bewusst, dass das eine Sache wäre, die ich anders machen könnte. Denn ich hatte ja keine Band zur Verfügung. Von daher konnte ich die Gitarren einfach ganz weglassen – und mich stattdessen auf meine Wurzeln konzentrieren. Nämlich die Popmusik, die in den 80ern im Radio lief. Wie etwa Alphaville, die mit das Beste waren, was Deutschland je hervorgebracht hat. Oder die Bee Gees, die tolle Melodien hatten – aber auch sehr sentimental waren. Und es ist ein großer Spaß, das wiederzuentdecken und da einzutauchen. Schließlich habe ich es immer wie eine kleine Sünde behandelt – wie etwas, dessen man sich schämen sollte. Aber jetzt bekenne ich mich dazu. Schließlich ist der Sound ja auch wieder angesagt. Momentan gibt es viel Musik, die sich darauf bezieht.
    Anders: Was kommt als nächstes? Wollten Sie nicht mal ein Album mit Ihrem großen Helden, mit Neil Young, aufnehmen?
    "Neil ist einer meiner Hausgötter"
    Persson: Wenn er mich will, würde ich alles tun. Also sogar mein Eislaufkostüm anziehen oder mich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen. Was immer er möchte. Denn Neil ist einer meiner Hausgötter. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich in seiner Gegenwart überhaupt ein simples "Hi" hervorbringen würde. Denn allein der Gedanke hat etwas Furcht einflössendes. Und ich ziehe es vor, ein romantisches Bild von meinen Helden zu bewahren. Wenn mich die Leute fragen, wer mein größter Held ist, oder mit wem ich am liebsten arbeiten würde, dann sage ich zwar immer Neil Young. Aber ich fürchte im Grunde würde das einiges für mich zerstören. Von daher glaube ich nicht, dass ich mich je darauf einlasse. Tut mir leid, Neil Young. Ich weiß, dass du es unbedingt willst, aber ich muss leider ablehnen. (lacht)
    Anders: Vielen Dank für das Gespräch!
    Persson: Thank You.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.