Samstag, 18. Mai 2024

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Carline und das Iglu-Dorf

Oben auf der Zugspitze gibt es ein Eishotel. Romantiker nächtigen hier auf einem Schaffell. Und selbst ein Whirlpool lädt hier bei eisiger Kälte. Eine Nachtwanderung.

Von Michael Watzke | 20.02.2011
    "Kalinka, kalinka, kalinka maya, f sadu yagoda malinka, malinka maya."

    Willkommen auf der Zugspitze. Dem höchsten und russischsten Berg Deutschlands.

    "Kalinka, kalinka, kalinka maya, f sadu yagoda malinka, malinka maya."

    Hier oben, in fast 3000 Metern Höhe, ist Deutschland geradezu sibirisch.

    "Ich heiße Dimitri, ich bin ursprünglich in einem kasachischen Dorf geboren, das liegt an der Grenze zur Mongolei. Wissen Sie, wo die Mongolei ist? Am Arsch der Welt. Aber ich bin ein 'native German'. Wissen Sie, was das ist? Also ursprünglich ein Deutscher, nur im falschen Land geboren."

    Dimitri, 34, Sommersprossen im Gesicht und auf den Schultern einen Rucksack, aus dem es verdächtig gluckst.

    "Also, ich habe ungefähr sechs Liter russischen Wodka dabei. Nicht aus dem Geschäft, sondern original aus Russland. Was haben wir noch dabei? Williams, Pflaume, Jägermeister. Alles mögliche."

    Mit sechs Litern Wodka auf dem Zugspitzplatt. Dabei sehen wir jetzt schon Sterne. So hell und klar wie nirgendwo sonst. 30 Männer und Frauen und unser Wanderführer, Andreas Schmidt:

    "Okay, willkommen bei der Nachtwanderung. Wir sind hier auf ungefähr 2650 Metern. Der Zugspitzgipfel ist links über uns. Dieses helle Gebäude da oben. Das ist die deutsche Seite. In der Mitte seht Ihr ganz schwach eine kleine Lampe. Das ist der Deutsche Wetterdienst. Der Wetterturm ist besetzt, ständig. Das bläuliche Licht links ist die Tiroler Zugspitzbahn. Gut, dann laufen wir mal los, ist ja eine Wanderung. Folgt dem Licht!"

    Ich halte mich an Dimitri, den Rucksack-Russen. Carline, meine Begleitung, hält sich an mich und ihren Plastikschlitten:

    "Hast Du gehört? Du musst bei mir bleiben!
    - Ich bin ganz dicht bei Dir, Carlinchen.
    - Gut! Ich hak mich mal ein, ja? Damit wir auch ja nicht verloren gehen heute.
    - Vorsicht, die linke Seite ist verdammt steil, also bitte nicht so weit links, am besten gerade runter. Ich geh' voraus.
    - Achtuuuung, ich fahr nach liiiinks, oh Gott!"

    Carline ist ein wilder Schneehase mit romantischen Anwandlungen. Deshalb hat sie mich auf die Zugspitze eingeladen, ins Iglu-Hotel. Weil sie Schnee romantisch findet.

    "Oh schau, es glitzert! Es glitzert überall und es funkelt! Alles ist weiß und ganz unwirklich!
    - Sag mal, Carline, wie verhält sich Romantik und Kälte zueinander? Reziprok? Parallel? Orthogonal?
    - Pass auf, Michel: Hitze ist eher sexy, mit glitzernder Haut und schwitzenden Körpern und so. Während Kälte eher der romantische Teil ist, mit Kuscheln, Schmusen und An-den-Händen-Halten und so kleinen Muff-Geschichten. So ist das: Kälte ist romantisch, Hitze ist sexy!"

    Zugspitze ist maximale Kälte. Dabei haben wir für unser nächtliches Iglu-Abenteuer noch Glück, sagt Bergführer Max:

    "Heute sind's minus drei Grad. Ziemlich moderat, würde ich sagen. Kommt schon manchmal vor, gerade mit dem Wind, dass es minus 20 Grad werden, an schlimmen Tagen. Und dann schlottert man ganz schön mit den Zähnen. Aber heute sind ja alle dick angezogen, gute Schuhe, das passt. Ich hoffe, dass es ein bisschen kälter wird. Weil sonst schwitz ich mich zu Tode."

    Dimitri, der sibirische Tiger, ist mit einer Gruppe von schwäbischen Supermarkt-Managern nach Garmisch gekommen.

    "Meine Chefin hat uns eingeladen auf die Zugspitze, weil wir Spitzenleistungen bringen. Und da bin ich dabei. Bin ein guter Mann, können sie jeden hier fragen. Ich liebe Schwaben, Bayern, also Süddeutschland. Ich komme mit den Leuten hier super klar. Weil die einfach sind. Direkt. Gerade. Ehrlich. Das gefällt mir. Bisschen konservativ vielleicht, das muss man zugeben."

    Dimitri spricht schwäbisch mit russischem Akzent. Seine Sätze enden oft mit dem Wort "waisch?" Wer seinem tiefen Singsang lange genug lauscht, für den verwandeln sich die umliegenden Gipfel des Wetterstein-Massivs in das Ural-Gebirge.

    "Kalinka, kalinka, kalinka maya, f sadu yagoda malinka, malinka maya. Kalinka, malinka? Das bedeutet Carlina, diese Beere, und Malinka ist Himbeere.
    - Also heißt es 'Beere, meine Beere?
    - Also, Sinn hat's keinen, da kann ich nicht helfen. Carlina ist eine Beere, Carlina krasnaja. Das ist nichts anderes als eine rote Beere, gibt's meistens in Moor-Gegenden.
    - Ich heiße Mohr mit Nachnamen! Carline Mohr! Carline ist die Beere, die aus dem Moor kommt. Jetzt weiß ich es endlich!
    - Ja, Du kommst vom Mohr, das passt!
    - Die Geschichte war bei uns so, dass meine Mutter als Kind immer Kalinka gerufen wurde, eben nach diesem Lied, das Du gesungen hast. Und aus Kalinka wurde Kalineken, und daraus wurde Carline. Meine Mutter wird bis heute Carline gerufen, und ich heiße in echt so!
    - Sadu yagoda malinka, das bedeutet: im Garten draußen, im Wald, da ist meine Beere. Und die suche ich. Das ist praktisch eine Sehnsucht nach etwas Süßem, nach etwas Besonderem in einer Wüste, in einem Moor.
    - Ja! Und da bin ich!
    - Genau."

    So. Und jetzt komme ich ins Spiel. Der frierende Eskimo an Carlines Seite:

    "Sie sind der Freund von ihr?
    - Ja!
    - Ich finde, Sie haben die richtige Beere erwischt. Wobei, ein bisschen sauer muss schon sein. Wenn das nur süß ist wie die Himbeere, dann ist es langweilig, waisch? Aber so, Carlina, das ist etwas sauer. Das bedeutet, Du musst immer kämpfen für die Liebe, für die Beziehung. Deshalb müsst ihr schon aufpassen, gell?"#

    Ich passe gut auf die wacholder-wilde Carline-Beere auf. Damit sie mir niemand klaut, wie jenen Maibaum auf dem Zugspitzplatt, zu dem uns Wanderführer Andreas stapfen lässt. Deutschlands höchster Maibaum. Aus seinem 30 Meter hohen, weißblauen Stamm wachsen metallene Wimpel. Sie knirschen im eisigen Bergwind.

    ""Also, das sind diese Handwerks-Zünfte, das ist Tradition in Bayern. Und bei uns hier oben gibt's natürlich auch die Zahnradbahner, die Mechaniker. Deshalb ist da auch eine Zahnradbahn abgebildet. Sonst ein Standard-Maibaum, wie er in Bayern üblich ist."

    Und wie es in Bayern üblich ist, war der Maibaum auf der Zugspitze eines Tages verschwunden:

    "Am 1. Mai ist ja bei uns noch Skibetrieb, das ist das letzte Skiwochenende. Und ein paar Stammgäste von uns haben sich hier nach dem Skifahren versteckt. Und die haben in Österreich einen Hubschrauber bestellt. Die hatten natürlich Zeitdruck, weil der Hubschrauber auf Termin kam. Das waren Rentner, die haben richtig geschwitzt."

    Die Räuber wollten sich den Diebstahl teuer bezahlen lassen. Sie verlangten Gratis-Jahresskipässe für das Zugspitz-Gebiet. Doch die Bayerische Zugspitzbahn, rechtmäßige Eigentümerin des Maibaums, blieb hart.

    "Die Verhandlungen haben sich dann ganz schön lang hingezogen, weil es natürlich keine Tradition ist, da Riesen-Preise zu ergattern. Die Zugspitzbahn hat letzlich 120 Brotzeiten zur Verfügung gestellt. Das heißt, die waren Stammgäste und konnten quasi ein Jahr lang frühstücken hier oben. Skipässe haben sie keine gekriegt."

    Dimitri schenkt heimlich den ersten russischen Wodka aus. Er kennt die Maibaumgeschichte schon, er war oft auf der Zugspitze. Wie so viele seiner Landsleute. Garmisch-Partenkirchen ist Bayerns größte russische Enklave.

    "In der letzten Zeit ist ja eine Schicht in Russland entstanden, die Geld besitzt. Die nennen sich Neu-Russen. Und die wissen nicht, wohin mit dem Geld. Sie verbringen viel Zeit in Europa, speziell in Deutschland. Da, wo es einfach gut organisiert ist, wie hier auf der Zugspitze. Alles top vorbereitet, da geben sie gerne ihr Geld aus."#ä#

    Pelze, Juwelen, Immobilien – die Russen sind in Garmisch-Partenkirchen als Kunden beliebt. Als Partyvolk berüchtigt. Manch Werdenfelser Pensionswirt weist russischen Gästen die Tür. Zu Unrecht, findet Dimitri.

    ""Ich behaupte, dass die Deutschen nicht weniger trinken als die Russen. Die Deutschen geben nur nicht so an. Die Russen sind Angeber. Die erzählen immer, dass sie wer weiß was trinken und feiern und schlägern. Aber die Deutschen, was die wegsaufen, an Weißbier, was da runterfließt in Bayern – das will ich gar nicht wissen. Weil das ist ja kriminell!
    - Nein, auf keinen Fall.
    - Doch. Literweise schon. Aber prozentmäßig weniger. Herr Müller, geben Sie doch zu: Sie haben heute das doppelte getrunken – und sind besser drauf wie ich.
    - Übung macht den Meister. Heute gibt es kein Konzert, weil Mischa besoffen ist ...
    - ... und Krischa und Anton den Plattenspieler geklaut haben.
    - Im Osten war's ja so, da hat man russisch in der Schule gehabt. Und die blödsinnigsten Sätze sind hängengeblieben. Weil es ja ein Pflichtfach war.
    - So war es bei mir in deutsch: In der ersten Klasse habe ich gelernt: 'Ich bin 13 Jahre alt und Pionier!' Und das konnte ich noch, als ich nach Deutschland gekommen bin!"

    Herr Müller und ich trinken noch einen Wodka. Nur, um Dimitris Alkohol-Theorie zu bestätigen. Doch sein Vorsprung ist nicht mehr aufzuholen. Und ich muss aufpassen, dass meine Wacholder-Beere nicht säuerlich wird.

    "Michel, weißt Du, was wir jetzt machen? Wir wandern jetzt richtig Schnee-Iglu-Dorf.
    - Und was machen wir da?
    - Da haben wir die Romantik-Suite gebucht. Du und ich. Mit Lammfell und Whirlpool und Sauna. Und das wird unglaublich romantisch, weil wir müssen uns ganz dicht aneinander kuscheln, damit wir nicht erfrieren. Ich glaube, es gibt in der Romantik-Suite sogar einen Doppelschlafsack. Ist das nicht romantisch? Freust Du Dich?"

    Ja, eigentlich schon. Obwohl ich nicht so der romantische Typ bin. Ich bin eher praktisch veranlagt.

    "Ich hab die Süddeutsche mitgebracht.
    - Was hast Du? Das ist nicht Dein Ernst. Du hast nicht in unsere Romantik-Suite die Süddeutsche mitgebracht?
    - Ich muss die irgendwann lesen.
    - Michael Watzke."

    So bin ich. Meine zur Nüchternheit neigende Charakter-Disposition hatte sich bereits bei der Schlafsack-Ausgabe angedeutet:

    "Seid Ihr denn romantisch veranlagt oder eher nicht?
    - Na klar, wir sind total romantisch!
    - Na ja, wir sind ganz okay-romantisch.
    - Ein Kuschel-Schlafsack bitte!
    - Und falls Ihr dann doch nicht so kuschelig seid, könnt Ihr den auch trennen.
    - Oh, schau, das ist ja super, Carline.
    - Dann ist aber Polen offen, mein Freund.
    - Sind die auch warm, die Schlafsäcke?
    - Na ja, je nachdem, wie romantisch Ihr seid."

    Was mich tröstet: Ich bin als unromantischer Mann nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das bestätigen unsere Iglu-Zimmer-Nachbarn – meist frischverliebte Pärchen:

    "Ich bin der Michael.
    - Ich bin die Sarah. Ich hab's ihm zum Geburtstag geschenkt. Um mal so ein bisschen eine Romantik-Nacht hier auf den Bergen zu haben.
    - Ich hab's ihm auch zum 30. Geburtstag geschenkt, das Romantik-Iglu. Er hätte mir das nie geschenkt. Aber er kann mir jetzt die Füße wärmen.
    - Ich hätte ihr das nicht geschenkt. Weil ihr immer kalt ist.
    - Er kann ganz gut die Wärmflasche spielen. Jetzt zum Beispiel. Die Füße gehen, aber die Finger sind kalt."

    Unsere Wandergruppe steht endlich vor dem Iglu-Hotel, einem großen, weißen Schneehügel auf dem Zugspitzplatt in 2700 Metern Höhe. Hinter einer klappernden Holztür schimmern bläulich leuchtende Höhlengänge aus Schnee.

    "Bitte eintreten, hinein in die gute Stube. Alle fit? Kalt, warm?
    - Kalt!
    -Okay, einer Dame ist kalt, dem Rest ist warm.
    -Die Füße werden schon langsam kalt."

    Im Inneren des Iglus erwarten uns eisige Yeti-Skulpturen und Höhlen-Schnitzereien im Schnee. Athene Henn, unsere Iglu-Hotelchefin, geleitet uns durch die glitzernden Gänge zu unserer Schlafstätte:

    "So, jetzt dürft Ihr vorausmarschieren in Euer Iglu.
    - Sekunde. Oh. Jetzt geht das Licht an!
    - Oh, Michael, das ist ja ein Traum! Wir haben thematisch die Unterwasserwelt. Wir haben Höhlenmalereien mit Seepferdchen, Fischen.
    - Genau, Ihr seid jetzt sozusagen wie in einem U-Boot und könnt durch die Bullaugen raus ins tiefe Meer schauen.
    - In der Mitte haben wir einen Dippelbett-Block mit ganz vielen Fellen. Ziege?
    - Schaffell. Die halten superwarm von unten. Eigentlich würden die Schlafsäcke reichen. Aber auch die Felle allein halten ausreichend warm. Wir haben aber unter den Fellen Matratzen liegen. Und darunter sind noch mal Isoliermatten. Da kommt nix durch heute Nacht.
    - Zauberhase, hast Du gesehen, dass wir eine Minibar haben? Mit Champagner. Komm, wir gehen mal gucken!
    - Friert der nicht ein?
    - Da ist doch Alkohol drin, der friert nicht so schnell.
    - Wie habt Ihr das gemacht mit diesem Iglu? Das sieht ja wirklich aus wie eine mongolische Jurte aus Schnee.
    - Wir machen das mit Ballons. Aus einer festen LKW-Plane. Die Ballons werden aufgepumpt, verankert und dann mit einer Schneefräse mit Naturschnee eingeschneit. In der Nacht sackt der Schnee ab, und dann kann man den Ballon am nächsten Tag wieder rausziehen, nachdem man die Luft rausgelassen hat. Und dann, wenn das Grundgerüst steht, kommen unsere Künstler und verzieren alles."

    Wohin man auch blickt im Iglu-Hotel: überall Schnee- und Eiskristalle. Die Temperatur in der Winterhöhle bleibt stets unter null Grad:

    "Michael, Du dampfst beim Ausatmen.
    - Deshalb muss man auch soviel trinken. Weil man bei jedem Atemzug Flüssigkeit verliert. Denn die Luft ist so trocken."

    Dimitri nimmt das mit dem Trinken besonders ernst. Als sein Wodka-Vorrat zur Neige geht, schlägt er einen Ausflug unter den Sternenhimmel vor:

    "Wer geht mit in den Pool? Hände in die Höhe! Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben! Einer zu viel. Okay, Müller, Dich kriegen wir auch noch rein!"

    Der Whirlpool unterm Firmament. Das besonders romantische Extra des Iglu-Hotels. 40 Grad warmes Wasser, dessen dichte Nebelschwaden sich nahtlos mit der darüberliegenden Milchstraße verbinden. Und dazwischen:

    "Der Mond!
    - Wie eine umgekippte Obstschale.
    - Oh Mond, sprach ein Glas Burgunder, oh Mond, Du göttliches Wunder. Du gießt aus silberner Schale das taumelnde, fahle, trunkene Licht wie sengende Glut hin über das nachtigallene Land. Da sprach der Mond, indem er verschwand: Jaja, ich weiß, schon gut, schon gut."

    Während Carline im Mondlicht Ringelnatz zitiert, liegt Dimitri im Whirlpool wie ein russischer Oligarch in der Birkensauna. Er singt das traurige Lied der russischen Wolgaschiffer:

    "Das singen wir meistens nach der zweiten Flasche.
    - Bravo!
    - Danke, danke, gesungen wird gerne. Mit Herz und Seele. In Russland ist es Tradition, nach der Sauna einfach in den Schnee zu fallen. Ich empfehle das jedem! Eure Haut wird rot. Die Durchblutung wird gefördert. Und Ihr werdet morgen wie neugeboren sein. Wir sagen immer: wie die sauren Gurken aus dem Glas. Knackig und gesund!"

    Tatsächlich hüpfen alle schwäbischen Whirlpool-Gäste hinter Dimitri her, als er sich in den Schnee wirft. Ein aberwitziger und gleichzeitig romantischer Augenblick. Ich muss daran denken, was Dimitri bei der Nachtwanderung nach dem dritten Wodka über die russische Seele gesagt hat:

    "Man sagt in Russland: Mit Wölfen leben – wie Wölfe heulen. Das mache ich auch. Ich habe verstanden, dass Nationalität eigentlich keine Rolle spielt. Du bisch so gut wie'd bisch – und nicht woher Du kommsch! Die russische Kultur ist halt riesig. So wie die deutsche auch. Es wird gerne getrunken, gesungen, gefeiert. Wir haben eine Riesen-Seele. Da feierst Du mit einem Stück Brot die ganze Nacht."

    Irgendwann sitzen Carline und ich allein im Whirlpool unter den Sternen. Viel romantischer kann eine Nacht in den Bergen nicht werden. Eigentlich. Andererseits: die Grundpfeiler der Romantik sind nach kulturwissenschaftlicher Definition die Individualität und der Zufall. Kann man Romantik wirklich buchen?

    "Natürlich, wenn wir zusammen hier romantische Sachen machen, wie im Pool sitzen oder schneewandern, dann ist das inszeniert. Inszenierte Romantik. Und die wahre Romantik kommt dann, wenn ich sage: mein Bein friert. Und du nimmst, während du isst und trinkst, ganz nebenbei, mein Bein zwischen Deine Hände und reibst daran. Einfach so. Damit es warm wird. Das ist dann die Romantik, die in der Romantik entsteht."

    Eigentlich schön, diese Romantik in der Romantik. Wenn zwei Menschen im selben Augenblick das gleiche fühlen. So zauberhaft war mir zumut, dass ich spürte, wie ich, der Verfechter des aufgeklärten Skeptizismus, plötzlich selbst zum Romantiker wurde.

    "Könnte es auch romantisch sein, wenn ich jetzt einfach mal ein paar Blasen aufsteigen lasse hier?
    - Raus jetzt hier, aber ganz schnell!"

    Schade. Frauen verstehen männliche Romantik einfach nicht. Dabei hätte ich die Bläschen sogar in Herzform aufsteigen lassen können.