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Caroline Peters
"Männergesangsvereine kommen mir jetzt normal vor"

Am 16. September startet die dritte Staffel der ARD-Serie "Mord mit Aussicht". Die Schauspielerin Caroline Peters spielt darin die Kommissarin Sophie Haas. Im Deutschlandfunk verrät Peters, wie sich das Leben in Hengasch verändert hat und warum die meisten Theaterregisseure die Serie nicht kennen.

Caroline Peters im Gespräch mit Sven Ahrent | 05.08.2014
    Caroline Peters spielt in der ARD-Serie "Mord mit Aussicht" die Kommissarin Sophie Haas
    Caroline Peters spielt in der ARD-Serie "Mord mit Aussicht" die Kommissarin Sophie Haas (dpa, Horst Galuschka )
    Sven Ahnert: Sie ist der bunte Vogel aus Köln, wenn Sie mit ihrem roten BMW-Cabriolet durch die verschlafenen Straßen von Hengasch brettert, um einen Fall zu lösen: In der Rolle der in die Eifel-Provinz versetzten Kommissarin Sophie Haas hat die Film- und Theaterschauspielerin Caroline Peters ein Millionenpublikum verzaubert und prächtig unterhalten. Die gebürtige Mainzerin, pendelt zwischen Berlin und Wien, zwischen Theater- und Filmwelt. Mit großem Erfolg in beiden Genres. Seit 2004 ist Caroline Peters festes Mitglied im Ensemble des Wiener Burgtheaters, hat in Inszenierungen von Luc Bondy gespielt und Stücke von René Pollesch und Anton Tschechow geprägt. Im Gespräch erzählt die Schauspielerin von ihrer fruchtbaren und schönen Doppelexistenz, als ausdrucksstarke Mimin zwischen Kino, Fernsehen und Bühne.
    Mord mit Aussicht ging zum ersten Mal im Januar 2008 mit einer Mini-Staffel von sechs Episoden im Ersten auf Sendung. Die Serie von Autorin Marie Reiners fand zwar den Beifall der Kritiker, die Zuschauer blieben jedoch aus. Das änderte sich erst, als die ARD im Sommer 2010 die Serie mit sieben neuen Folgen auf den Dienstagabend legte. Im Schnitt über fünf Millionen Zuschauer sahen - trotz Fußball-WM - den Eifelkrimi; auch bei den jüngeren Zuschauern, die ARD-Serien sonst verschmähen, erreichte die Serie einen Marktanteil von bis zu 11,8 Prozent. Die Krimiserie wurde sowohl für den Deutschen Fernsehpreis als auch für den Grimme-Preis nominiert.
    Caroline Peters, die dritte Staffel von Mord in Aussicht steht vor der Tür, Sie haben vor kurzem die letzte Folge abgedreht. Wie war die Wiederbegegnung mit der Eifel und ihren Bewohnern?
    Caroline Peters: Was sich bei mir in Bezug auf die Eifel geändert hat, ist, dass mir das normaler vorkommt. Ich weiß, dass mir das am Anfang ganz extrem aufgefallen ist, dass ich mich so gefühlt habe, wie bei so einer Dokumentarfilmreise in die BRD. Also, dass ich auf einmal dachte: Wow! Außerhalb von Berlin-Mitte und diesen Orten, wo wir uns so bewegen, da gibt es noch ganz viel Bundesrepublik Deutschland vor dem Mauerfall, und das hatte ich vergessen. Ich hatte auch viele Gegenstände, die damit verbunden sind und viele Essgewohnheiten, solche Dinge, vergessen. Und die sind auf einmal wieder da: Da gibt es Toast Hawaii und Leute, die kegeln und Männergesangsvereine. Die kommen mir jetzt normal vor. Mir ist das vor sieben Jahren, als wir zum ersten Mal dort gedreht haben, noch wahnsinnig ins Auge gestochen. Das ist so lustig, weil: es gibt ja diese Ostalgie, so eine Nostalgie nach der DDR und die Sehnsucht nach der BRD, die gibt es auch, die würde man aber nicht zugeben, die wird nicht thematisiert. Wir haben im Ahrtal gedreht, da kam ich mir vor, als wäre ich meine eigenen Eltern in den frühen Siebzigerjahren, dass man so in Weinbergen spaziert und dann deutschen Wein trinkt aus diesen Weingläsern, die diese grünen Riffelränder unten haben und dazu ein Toast Hawaii isst, und dass das völlig normal ist. Das war eine Zeitreise, aber das kommt mir schon normal vor. (lacht).
    Ahnert: Hat sich denn das Leben in Hengasch verändert, hat denn z,B, auch die politische Realität den Weg in die Eifel gefunden?
    Peters: Es gibt eine Bürgermeisterwahl, die sich so damit beschäftigt, was könnte Demokratie sein und was nicht, aber eben heruntergebrochen auf die kleinstmögliche Form von Demokratie, nämlich auf die eines Dorfes, und es gibt nur den einen oder den anderen. Da kann man so ganz einfache Beobachtungen machen. Was völlig ausgeklammert ist: die ganze digitale Revolution. Die leben immer noch im Tal der Seligen, was aber auch ein wenig der Realität entspricht, da hat man nirgendwo richtig Netz, das ist absurd. Man denkt: Das gibt's überhaupt nicht mehr, aber wir stehen dann alle permanent am Set rum und haben kein Netz und können ganz viele Sachen nicht machen und ich fand das zwischendurch irgendwann herrlich.
    Ahnert: „Mord mit Aussicht" ist ja auch eine Serie über die Licht- und Schattenseiten von Heimat. Ist der Begriff Heimat für Sie ein Thema?
    Peters: Inzwischen fällt mir auf, dass alle Leute immer wieder von sich sagen, ich leb ja hier, aber ich komm gar nicht von hier. Das ist ein unglaublich wiederkehrendes Thema, dass ich das Gefühl habe, alle Leute, die ich kenne, haben in ihrer Familiengeschichte durch den Zweiten Weltkrieg einen Bruch und dann sind die Flüchtlinge gewesen oder vertrieben worden. Oder danach war da zu wenig Industrie und dann musste man da weg. Alle sind irgendwohin anders gebracht worden. Ich kenn ganz wenig Menschen, die sagen, ich bin Berliner, meine Eltern sind Berliner, meine Groß- und Urgroßeltern sind Berliner. Das ist doch Heimat, wenn man das alles so zurückverfolgen kann. Vielleicht ist das auch so ein deutsches Ding, weil sich unsere Heimat permanent verändert hat. Und ich kenne praktisch niemanden, der das hat. Vielleicht ist das so ein deutsches Ding, dass wir nicht so genau wissen, wo unsere Heimat ist, weil sich unsere Heimat permanent verändert hat. Die Leute aus der DDR haben ihre Heimat verloren, die Leute aus der BRD haben ihre Heimat verloren. Ost- und West-Berlin, das ist doch identitätsstiftend gewesen und das gibt's nicht mehr.
    Ahnert: Sie können wahnsinnig komisch sein in Ihrer Rolle als Kommissar Haas, aber immer als eine Art Gratwanderung zwischen Komik, Ernst und einer Spur Slapstick. Entspricht das auch ein wenig ihrem Naturell?
    Peters: Ich find das Leben oft wahnsinnig komisch, aber oft erst im Nachhinein. Es gibt jeden Tag so viele Situationen, wo man sofort alle Nerven wegschmeißen könnte, weil das zu viel ist, zu komplex ist und so viel Quatsch immer passiert. Man tritt in Hundescheiße, dann fällt der Fahrradschlüssel in den Gulli, dann fängt es an zu regnen, dann fallen die Haare auseinander, dann telefoniert man, dann ist der Akku alle, dann versucht man Geld zu ziehen und die Karte zerbricht, womit man nicht alles jeden Tag zu kämpfen hat. Das sind Sachen, die im Nachhinein wahnsinnig lustig sein können. Darauf beruht auch die Komik von Mord mit Aussicht, dass man denkt, echt, das ist jetzt mein Leben, dass ich das erleben muss. Ich fass es nicht. Und dass man dann darüber lacht.
    Ahnert: Träumen Sie von einer Traumrolle oder sind sie dagegen immun?
    Peters: Ja, ständig, mal konkret, mal unkonkret. Man sieht was, das man toll findet. Ich finde zum Beispiel Groß und Klein von Botho Strauß - eine traumhafte Rolle oder Hedda Gabler, das würde ich gerne mal spielen. Dann würde ich unwahrscheinlich gerne Ingeborg Bachmanns Leben verfilmen und die Rolle übernehmen. Eine unglaublich interessante Figur. Ich finde, dass ich ihr ähnlich sehe. Man hat immer Ideen, was man gerne machen würde. Ich würde für mein Leben gern in einer Rolle bei Woody Allen auftauchen. Was mir natürlich nicht vergönnt sein wird, das werde ich nicht erleben. Im Kopf bastele ich ständig mit Freunden und Bekannten dran, wie man solche Sachen zu uns übertragen kann und daraus etwas basteln kann. Annie Hall und Blue Jasmin sind absolute Traumrollen. Man sieht schon immer Sachen, wo man sagt, wow. Das ist mal was.
    Ahnert: Das Fernsehen als Institution und Rollengeber wird doch unter Theaterleuten immer ein bisschen beargwöhnt. Haben Sie in dieser Richtung schlechte Erfahrungen gemacht?
    Peters: Bisher nicht. Da hatte ich auch Sorge und ich finde, dass das eine Gunst meiner Generation von Schauspielern ist, dass wir das geschafft und auch bei vielen gleichaltrigen Intendanten und Regisseuren durchgesetzt haben: Ein Schauspieler macht beides. Die ganz starke Trennung der 80er und 90er Jahre noch, das ist ganz verpönt, das darf man gar nicht, das eine ist Kunst und das andere Dreck, die gibt es nicht mehr. Da gibt es Abstufungen, und es ist besser, einen Kinofilm zu machen. Unsere Serie hatte immer unter Kollegen einen ganz hohen Stellenwert, was mich sehr gefreut hat. In den Episoden- und Gastrollen sind ja viele Schauspieler aus den Theatern Deutschlands, und das hatte unter Kollegen immer einen sehr großen Leumund, was wir da machen und hat immer sehr geholfen, und die meisten Theaterregisseure – ehrlich gesagt - gucken sowieso kein Fernsehen und kriegen das nicht mit, dass das überhaupt stattfindet.
    Ahnert: Seit 2004 arbeiten Sie fest am Wiener Burgtheater, einer Bühne, die einen sagenhaften Ruf genießt als historisch gewachsene Institution. Hatten Sie in der ersten Zeit großen Respekt und sogar ein wenig Angst vor den Geistern der Vergangenheit?
    Peters: Ja, total. Ich hatte mal ein Stück von Rene Pollesch, das hatte den zauberhaften Titel: „Tausend Dämonen wünschen Deinen Tod." So habe ich mich gefühlt, als ich mit dem Fahrrad dem Burgring entlanggefahren bin zu den ersten Endproben auf der Burgbühne. Da hatte ich immer das Gefühl, da hängt so viel Geschichte gerade von Schauspielern in diesem Haus, dass die alle wie so Geister über mir im Bühnenhimmel schweben und so auf mich heruntergucken und denken: „Du blöde Kuh, was bildest Du Dir ein, auf unserer Burgbühne stehen zu wollen!" Dann aber habe ich immer so gedacht: „Ja, ihr seid tot und ich bin hier. Das ist jetzt der Unterschied, und das muss klappen."