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Cassini stützt Einstein

Physik. - Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein beschreibt die Struktur von Raum und Zeit im Universum. Sie ist mittlerweile fast 90 Jahre alt - für eine moderne wissenschaftliche Theorie ein geradezu biblisches Alter. Sie macht viele Vorhersagen - und bisher passen alle Beobachtungen zu dieser Theorie. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" berichten italienische Forscher über einen weiteren Test der Relativitätstheorie.

    Von Dirk Lorenzen

    Die Relativitätstheorie mag recht alt sein, wissenschaftlich abgehakt ist sie deswegen noch lange nicht. Im Gegenteil: Sie ist ein hochmodernes Forschungsthema. Luciano Iess, Raumfahrtingenieur an der Universität "La Sapienza" in Rom, macht mit seinen Kollegen ein Experiment zur Relativitätstheorie - und nutzt dafür die Saturnsonde Cassini:

    Wir messen äußerst präzise die Geschwindigkeit dieser Raumsonde. Dazu schicken wir ein Radiosignal zu Cassini. Cassini empfängt das Signal und schickt es sofort zur Erde zurück. Die Bewegung der Raumsonde verändert das Signal ein wenig - genau das messen wir. Wir können so stundenlang die Geschwindigkeit der Raumsonde auf zwei Tausendstel Millimeter pro Sekunde genau messen.

    Die Raumsonde Cassini wird im nächsten Jahr den Saturn erreichen. Das Experiment zur Relativitätstheorie machen Luciano Iess und seine Kollegen gleichsam unterwegs - und hatten der Sonde extra dafür besonders gute Funktechnik eingebaut. Bei den Messungen im Juni 2002 zog Cassini von der Erde aus gesehen knapp neben der Sonne vorbei - allerdings war Cassini gut 1,2 Milliarden Kilometer entfernt weit hinter der Sonne. Die Radiosignale mussten auf der Reise zu Cassini und zurück dicht an der Sonne vorbeilaufen. Iess:

    Radiowellen und auch normale Lichtteilchen werden von der Anziehungskraft der Sonne abgelenkt. Die Materie der Sonne krümmt mit ihrer Anziehungskraft den Raum in der Umgebung der Sonne - das besagt zumindest die Relativitätstheorie. Die Radiowellen laufen dann einen kleinen Bogen und der Weg von der Erde zur Raumsonde ist etwa 72 Kilometer länger als sonst, wenn die Radiosignale nicht so dicht an der Sonne vorbei müssen. Das führt zu einer leichten Verspätung der Signale - sie kommen etwa 2 Zehntausendstel Sekunden später an als normal. Da wir Position und Geschwindigkeit von Cassini genau kennen, haben wir das jetzt 50 Mal präziser gemessen als je zuvor.

    Die durch die Anziehungskraft der Sonne verursachte Verzögerung der Radiosignale entspricht genau dem erwarteten Wert. Gäbe es Abweichungen, so müssten neben den von der Relativitätstheorie beschriebenen Effekten auch noch andere Phänomene eine Rolle spielen. Doch davon ist bisher nichts zu sehen. Natürlich wäre eine Verletzung der Relativitätstheorie ein viel aufregenderes Ergebnis, räumt Luciano Iess ein:

    Die Frage ist, ob die Allgemeine Relativitätstheorie wirklich die endgültige Theorie der Schwerkraft ist - oder ob sie in einem bestimmten Bereich nicht mehr stimmt und dort verletzt wird. Das ist eine ganz wichtige Frage: Denn die Schwerkraft ist eine der vier Grundkräfte der Natur - wir müssen sie so genau wie möglich erforschen. Wir wissen mit unserem Experiment nun, dass die Vorhersagen der Relativitätstheorie mindestens auf 0,02 Promille genau stimmen.

    Die Physiker wissen nicht recht, ob sie sich über diesen Befund freuen oder ärgern sollen. Denn die uns im Alltag so banal erscheinende Schwerkraft bereitet den Theoretikern große Probleme. Eine zusätzliche Komponente der Schwerkraft könnte helfen. Auch manche kosmologischen Modelle setzen darauf, dass vor allem im ganz jungen Universum Zusatzeffekte eine große Rolle gespielt haben, die heute aber sehr klein sind. Die Frage ist nur, wie klein? Die Physiker wünschen sich geradezu, endlich zur "normalen" Schwerkraft hinzukommende Effekte zu messen, um die Relativitätstheorie entsprechend zu erweitern. Dann wären die Forscher einen großen Schritt weiter auf der Suche nach der "Weltformel": einer Theorie, die alle Kräfte des Universums in einem großen Modell vereinigt.