Nach dem Ergebnis der Gutachten, soweit wir sie vorliegen haben, verbleibt natürlich ein Restrisiko. Aber dieses Restrisiko ist nach Auskunft der Behörden also zu steuern. Unter diesem Gesichtspunkt halte ich das Risiko für hinnehmbar.
Eine Einschätzung, die Wolfgang Renneberg, Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium, bestätigt:
Nach dem bisherigen Kenntnisstand wird es auch nach dem Einsatz einer Panzerfaust jedenfalls nicht zu katastrophalen Schäden kommen. Freisetzungen werden nicht zu vermeiden sein bei einem solchen Angriff. Aber die Freisetzungen werden sich in einem solchen Rahmen abspielen, der nicht katastrophal ist.
Regierung und Parlament verlassen sich bei ihrem Urteil auf eine Studie der Kölner Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS). Dort hat man 1992 einen Castor-Behälter probeweise mit einer Panzerfaust beschossen. Aus einer solchen Waffe, die auf dem Schwarzmarkt verfügbar ist, kann ein Terrorist von der Schulter aus ein Projektil abfeuern. Trifft es auf den Castor-Container, explodiert eine so genannte Hohlladung: Sprengstoffe, die so raffiniert angeordnet sind, dass sie sich nur nach vorne hin in einen dünnen Flammenstrahl entfalten. Wie ein Laser bohrt sich die Explosion dieses sogenannten Hohlladungsstachels durch den 40 Zentimeter dicken Stahl des Behälters und verdampft in wenigen Millisekunden alles Metall in seinem Einschusskanal, dem Durchmesser eines Fünf-Mark-Stücks. Aus diesem Loch in der Behälterwand können dann radioaktive Schwebstoffe entweichen. Die GRS hat im Experiment diese Freisetzungen gemessen. Abteilungsleiter Florentin Lange:
Es ist kein katastrophales Ereignis, es ist eine signifikante Strahlenexposition, aber keine, die zum Beispiel zu massiven gesundheitlichen Auswirkungen führen würde.
Allerdings teilen die Experten der GRS nicht mit, mit welcher Panzerfaust sie den Behälter beschossen haben. Aus Sicherheitsgründen müsse dies geheim bleiben. Entscheidend für die Freisetzungen von Radioaktivität sei, so die GRS, dass die Panzerfaust ein Loch in die Behälterwand stanze. Die stärksten Panzerfäuste könnten auch keinen größeren Schaden anrichten als die Waffe mittlerer Stärke, mit der es den GRS-Experten vor zehn Jahren gelungen war, den Castor zu perforieren. Eine Denkweise, die Thomas Meuter erstaunt. Meuter ist Ressortleiter für Wehrtechnik bei der Fachzeitschrift Behördenspiegel und zählt zu einer Handvoll von Journalisten in Deutschland, die sich auf Rüstung und Waffentechnik spezialisiert haben:
Das ist ja ein physikalisches Problem: mehr Sprengstoff verbracht auf das Ziel, auf das zu beschießende Ziel, bedeutet auch mehr Zerstörungsenergie. Wenn Sie 40 cm zu durchdringen haben und haben heute einen modernen Panzerfaustgefechtskopf, der durchschlägt Ihnen das mühelos, und die Sekundärwirkungen hinter dem Ziel, die sind natürlich ungleich größer als bei einer kleinen Panzerfaust. Also von daher gesehen ist diese Aussage aus meiner Sicht nicht richtig. Man muss davon ausgehen, dass eben die Entwicklung auch in der Waffentechnik weitergegangen ist und die hier offensichtlich in den Tests nicht berücksichtigt worden ist.
Der Physiker und unabhängige Atomgutachter Helmut Hirsch hat in einer Studie für den Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, untersucht, welche Folgen der Beschuss eines Castor-Behälters mit einer Panzerfaust für die Umgebung des Anschlagsortes hätte. Der Explosionsdruck würde radioaktive Substanzen durch das Loch im Container nach außen blasen:
Sie können im Umkreis von einigen Kilometern noch eine so starke Strahlung haben, dass die Gebiete geräumt werden müssen. Das heißt, wenn solche Unfälle sich im bebauten Gebiet, zum Beispiel am Stadtrand, wo eine Bahnlinie vorbeiführt, abspielen und die Windrichtung entsprechend ist, kann das dazu führen, dass eine Stadt geräumt werden muss und als eine funktionierende soziale Einheit praktisch ausgelöscht ist.
Der Wehrtechnik-Experte Thomas Meuter hat allerdings Vorschläge, wie man die Castor-Transporte kurzfristig vor dem Beschuss mit einer Panzerfaust sichern könnte. Und zwar genauso, wie sich moderne Panzer davor schützen: mit einer Zusatzpanzerung aus Kunststoff oder Keramik, die den dünngebündelten Explosionsstrahl ablenkt oder aufsplittet.