Die Tiere gehören dem Hausmeister, den Josef Ostendorf in Unterhemd und mit Che-Guevara-Tattoo auf dem Arm als spießig-rotzige Berliner Type spielt. Wenn sich vor seiner Fensterfront eine Menschenmenge, teils mit Pfeil und Bogen, nach dem Begrüßungsgeld drängelt, macht er erst einmal Frühstück. Was ein Mann mit englischem Akzent vor der Fensterfront zu Fragen und Anekdoten nutzt. Sie stammen aus Interviews von Heiner Müller, die ja meist auch in anekdotischer Form daherkommen und über Sinnsuche und Utopiewünsche erzählen.
Warum konnte die marxistische Analyse nie die faschistische Faszination von Gewalt erklären, ist so eine Frage, und um die todessehnsüchtige Faszination der Gewalt geht es auch in Friedrich von Gagerns Novelle aus dem Jahr 1925, aus der Szenen mit Müllers Interviews zu einer dieser typischen Nummernrevue-Inszenierungen von Frank Castorf verwoben werden. Diesmal allerdings völlig ohne Videos und Kameras. Motto frei nach Müller: Deutsch sein heißt Indianer sein. Müllers Interview-Anekdoten werden von den Schauspielern im Solo oder in chorischer Gesprächssituation nacherzählt. Man erfährt, was für ein faszinierendes Gefühl von Gefahr er beim Herumstreifen im frühen Nachkriegsdeutschland empfunden habe, und in einer anderen Anekdote wird erklärt, dass die im KZ arbeitenden Menschen es meist gewohnt waren, Tiere zu töten, und "nur" noch lernen mussten, dass die KZ-Insassen keine Menschen, sondern eben auch nur Tiere waren.
In Gagerns Novelle "Der Marterpfahl" lebt das Kind von deutschen Auswanderern, die den amerikanischen Westen besiedeln, ein von der tödlichen Bedrohung durch die Indianer und die selbstverständliche Tötung von Tieren bestimmte Jugend. Der wilde Deutsche Johann Ludwig Wezel wird zum Indianer skalpierenden Einzelgänger, nachdem seine Eltern von diesen ermordet und er selbst am Marterpfahl, dem er im letzten Moment entkam, gequält wurde. Doch als er aus der Wildnis zurückkehrt, ist seine Frau einem anderen Mann verheiratet und mit diesem schwanger. Auch wenn er diesen im Zweikampf tötet, Glück findet Wezel nicht mehr.
Die farbenpralle, erzählerisch sinnliche Novelle wird von Castorf in einzelnen Szenen zitiert. So, wie es seine Schauspieler mittlerweile routiniert können, sprechen und spielen sie sich aus der Situation in der Warteschlange für das Begrüßungsgeld direkt in eine von Gagernsche Jagdszene. Da wird die Mauer abgebaut und als Schutz gegen die Indianer genutzt. Oder der wilde Deutsche wird zum Mitropa-Kellner. Zugleich wird auf eine weitere existentielle Meta-Ebene angespielt. Folter- und Verhörsituationen, wie wir sie von den Bildern aus dem Iran kennen, und die Frage, wie Auschwitz gestern und Abu Ghraib heute möglich war, werden immer wieder ausgestellt. Es ist eine in ihre wohl bei schnellen Proben gefundenen bunten Einfälle sichtlich verliebte Inszenierung.
Dabei ist sie von oft quälender spielerischer Beliebigkeit, und sie tritt während ihrer pausenlosen zweieinhalb Stunden öfter im Leerlauf auf der Stelle. Da hilft es nichts, dass die erstmals an der Volksbühne arbeitende Choreographin Megg Stuart die Schauspieler immer wieder zu drängelnden Wartetableaus in die Ecke stellt, oder dass Josef Ostendorf auf dem Pferd zum Brahms-Duett der beleibten Männer mit Christoph Homberger antritt. Oder dass der singende Matthias Mattschke, der von der Geige über die Gitarre bis zum Bass etliche Instrumente virtuos beherrscht, mit Megg Stuarts Gitarristen Ed Scupkay und den Schauspielern, an ihrer Spitze Sophie Rois, viele unterhaltsame Country-Songs gegen den Brahms ansingt. Hier die naiv-fröhliche Hillbilly-Musik, dort der wehmütige, an den Tod gemahnende Brahms: zwei Bedeutungs-Kontrapunkte.
Wohl weil der Volksbühnen-Intendant mit dieser Inszenierung für Christoph Marthaler einsprang, der seinen geplanten Liederabend nicht zustande brachte, hat Frank Castorf weitgehend mit Marthalers Personal, aber nicht mit dessen musikalischem Interpretationsgeschick gewissermaßen seinen ersten Liederabend inszeniert. Ein großer Abend ist es wahrlich nicht geworden.
Warum konnte die marxistische Analyse nie die faschistische Faszination von Gewalt erklären, ist so eine Frage, und um die todessehnsüchtige Faszination der Gewalt geht es auch in Friedrich von Gagerns Novelle aus dem Jahr 1925, aus der Szenen mit Müllers Interviews zu einer dieser typischen Nummernrevue-Inszenierungen von Frank Castorf verwoben werden. Diesmal allerdings völlig ohne Videos und Kameras. Motto frei nach Müller: Deutsch sein heißt Indianer sein. Müllers Interview-Anekdoten werden von den Schauspielern im Solo oder in chorischer Gesprächssituation nacherzählt. Man erfährt, was für ein faszinierendes Gefühl von Gefahr er beim Herumstreifen im frühen Nachkriegsdeutschland empfunden habe, und in einer anderen Anekdote wird erklärt, dass die im KZ arbeitenden Menschen es meist gewohnt waren, Tiere zu töten, und "nur" noch lernen mussten, dass die KZ-Insassen keine Menschen, sondern eben auch nur Tiere waren.
In Gagerns Novelle "Der Marterpfahl" lebt das Kind von deutschen Auswanderern, die den amerikanischen Westen besiedeln, ein von der tödlichen Bedrohung durch die Indianer und die selbstverständliche Tötung von Tieren bestimmte Jugend. Der wilde Deutsche Johann Ludwig Wezel wird zum Indianer skalpierenden Einzelgänger, nachdem seine Eltern von diesen ermordet und er selbst am Marterpfahl, dem er im letzten Moment entkam, gequält wurde. Doch als er aus der Wildnis zurückkehrt, ist seine Frau einem anderen Mann verheiratet und mit diesem schwanger. Auch wenn er diesen im Zweikampf tötet, Glück findet Wezel nicht mehr.
Die farbenpralle, erzählerisch sinnliche Novelle wird von Castorf in einzelnen Szenen zitiert. So, wie es seine Schauspieler mittlerweile routiniert können, sprechen und spielen sie sich aus der Situation in der Warteschlange für das Begrüßungsgeld direkt in eine von Gagernsche Jagdszene. Da wird die Mauer abgebaut und als Schutz gegen die Indianer genutzt. Oder der wilde Deutsche wird zum Mitropa-Kellner. Zugleich wird auf eine weitere existentielle Meta-Ebene angespielt. Folter- und Verhörsituationen, wie wir sie von den Bildern aus dem Iran kennen, und die Frage, wie Auschwitz gestern und Abu Ghraib heute möglich war, werden immer wieder ausgestellt. Es ist eine in ihre wohl bei schnellen Proben gefundenen bunten Einfälle sichtlich verliebte Inszenierung.
Dabei ist sie von oft quälender spielerischer Beliebigkeit, und sie tritt während ihrer pausenlosen zweieinhalb Stunden öfter im Leerlauf auf der Stelle. Da hilft es nichts, dass die erstmals an der Volksbühne arbeitende Choreographin Megg Stuart die Schauspieler immer wieder zu drängelnden Wartetableaus in die Ecke stellt, oder dass Josef Ostendorf auf dem Pferd zum Brahms-Duett der beleibten Männer mit Christoph Homberger antritt. Oder dass der singende Matthias Mattschke, der von der Geige über die Gitarre bis zum Bass etliche Instrumente virtuos beherrscht, mit Megg Stuarts Gitarristen Ed Scupkay und den Schauspielern, an ihrer Spitze Sophie Rois, viele unterhaltsame Country-Songs gegen den Brahms ansingt. Hier die naiv-fröhliche Hillbilly-Musik, dort der wehmütige, an den Tod gemahnende Brahms: zwei Bedeutungs-Kontrapunkte.
Wohl weil der Volksbühnen-Intendant mit dieser Inszenierung für Christoph Marthaler einsprang, der seinen geplanten Liederabend nicht zustande brachte, hat Frank Castorf weitgehend mit Marthalers Personal, aber nicht mit dessen musikalischem Interpretationsgeschick gewissermaßen seinen ersten Liederabend inszeniert. Ein großer Abend ist es wahrlich nicht geworden.