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CCS-Erprobung in den Bundesländern nicht wirklich erwünscht

Mit Hilfe der sogenannten CCS-Technologie wird CO2 verflüssigt und mit hohem Druck in tiefe, Salzwasser führende Gesteinsschichten gepresst. 400 mögliche Lagerstätten gibt es dafür in Deutschland, die meisten in Norddeutschland. Doch die Bevölkerung wehrt sich - Langzeitstudien gibt es keine.

Von Mario Dobovisek im Gespräch mit Ursula Mense | 17.02.2011
    Ursula Mense: Kohlendioxid gilt als Klimakiller Nummer 1. Bestechend deshalb die Idee, es nicht in die Luft zu blasen, sondern unterirdisch zu speichern. Dabei wird das CO2 verflüssigt und mit hohem Druck in tiefe, Salzwasser führende Gesteinsschichten gepresst. Eine Methode, die, man denkt es sich schon, zwar auch wieder viel Energie kostet, dennoch aber auch große Mengen CO2 binden kann. Deshalb ist diese Technologie für die Bundesregierung immens wichtig, denn sie will bis 2050 die Emissionen von Treibhausgasen um 80 Prozent verringern. Zurzeit wird das Verfahren in Brandenburg erprobt, es heißt "CCS" für Englisch "Carbone Capture an Storage".

    Über 400 mögliche Lagerstätten gibt es dafür in Deutschland, die meisten in Norddeutschland, wo man aber alles andere als begeistert darüber ist. Nach harten Auseinandersetzungen soll es nun mit einem aktuellen Kompromissvorschlag entscheidend vorangehen.

    Mario Dobovisek in Berlin, was hat Umweltminister Röttgen den Ländern denn versprochen?

    Mario Dobovisek: Bundesumweltminister Norbert Röttgen, Frau Mense, hat den Ländern versprochen, künftig im begrenzten Maße selbst über mögliche Standorte für die Erprobung der CCS-Technologie zu entscheiden. Den Ländern werde im neuen Gesetz eine entsprechende Mitwirkungspflicht eingeräumt, sagte Röttgen in Berlin.

    O-Ton Norbert Röttgen: Sie beinhaltet eben die Möglichkeit der Länder, selber am Ende zu entscheiden (durch raumplanerische Maßnahmen), ob es dazu kommen soll, zu einer Erprobung von CCS-Technologie, oder nicht. Das geht ohne Mitwirkung der Länder nicht, und diese Mitwirkung der Länder bei dieser Frage, die unerlässlich ist, die wird in diesem Gesetz klargestellt werden.

    Dobovisek: Allerdings Röttgen machte auch deutlich, dass es in einem Bundesgesetz keine sogenannte Opt-out-Klausel geben könne, also eine Möglichkeit für die Bundesländer, von vornherein und generell auszusteigen. Das würde, so Röttgen, einen Präzedenzfall schaffen, der nie zur Debatte gestanden hätte.

    Das Umweltministerium in Berlin ist zuversichtlich. Noch im März könnte der Gesetzentwurf vom Kabinett verabschiedet werden, heißt es. Im Moment befindet sich der Entwurf in der Ressort-Abstimmung, wobei Umweltminister Röttgen immer betont hat, dass es ihm nicht um eine flächendeckende Einführung der CCS-Technologie gehe, sondern um einzelne Standorte zur Erprobung.

    Trotzdem: Auch weiter regt sich Widerstand, vor allem in Schleswig-Holstein. Es gehe nicht um Planungsrecht, antwortet zum Beispiel Schleswig-Holsteins CDU-Wirtschaftsminister Jost de Jager in der "Financial Times Deutschland". Es gehe darum, ganze Gebiete und ganz Schleswig-Holstein auszunehmen. Der Gesetzentwurf sei deshalb nicht befriedigend, sagt er weiter.

    Wir sehen also: von einem entscheidenden Durchbruch in den zähen Verhandlungen, die ja bereits seit Juli vergangenen Jahres andauern, kann noch keine Rede sein.

    Mense: Warum lehnt Schleswig-Holstein und warum lehnen auch überhaupt die anderen Länder die Kohlenstoffspeicherung ab?

    Dobovisek: Das Problem ist – Sie haben das ja auch in der Anmoderation schon kurz erwähnt -, die meisten der über 400 auserkorenen möglichen Standorte für die CCS-Erprobung und letztlich dann auch die spätere CO2-Lagerung liegen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen entlang der Nordseeküste. Nur einige wenige liegen in Brandenburg, weshalb Potsdam gegen eine Ausstiegsklausel für die Nordländer wäre. In Brandenburg wird das Verfahren ja im kleinen Stil bereits seit einiger Zeit erprobt und dort regt sich wie im Norden auch heftiger Widerstand bei den Anwohnern gegen das Projekt. Die Menschen haben einfach Angst vor der neuen Technologie. Beim CCS-Verfahren wird ja CO2 abgetrennt, verflüssigt und unter diesem hohen Druck in die Gesteinsschichten gepresst. Das soll sicher sein, behaupten Wissenschaftler. Langzeitstudien dazu gibt es allerdings noch keine.

    Vom weltgrößten CCS-Projekt in Kanada dagegen gibt es inzwischen Berichte von Bauern, die über tote Tiere durch angebliche Gaslecks klagen. Sollten tatsächlich solche Lecks bei CCS-Lagerstätten auftreten, dann könnte das CO2 durchaus gefährlich werden, denn es ist farb- und geruchlos und höhere Konzentrationen, die können zu Erstickungsanfällen führen bis hin zum Atemstillstand.

    Kritiker befürchten außerdem, dass das verpresste Kohlendioxid das Salzwasser in die Trinkwasserschichten treiben könnte, und auch das Verfahren – das haben Sie auch erwähnt – ist sehr, sehr energieintensiv und man bräuchte eigene neue Kraftwerke dafür, bemängeln etwa die Grünen. Vor dem Widerstand ihrer eigenen Bevölkerung schrecken die Nordländer damit offenbar im Moment noch zurück. Die Einigung auf eine gesetzliche Grundlage für die CCS-Erprobung ist allerdings Bedingung, will Deutschland bereits zugesagte Fördermittel der Europäischen Union abrufen.

    Mense: Mario Dobovisek über CO2-Speicherung, den angebotenen Kompromiss dazu, der aber den Streit mit den Ländern wohl vorerst nicht schlichten kann. Vielen Dank!