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CDU/CSU hält an Meisterzwang fest

    Spengler: 94 Handwerksberufe kennen wir in Deutschland, und wer sich als Handwerker selbständig machen möchte, der braucht dazu den Meisterbrief. Um mehr Existenzgründungen, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu ermöglichen, will die Bundesregierung den Meisterzwang abschaffen. Für 25 Handwerke ganz - Bäcker, Frisör oder Malergesellen sollen sich künftig auch ohne teure Meisterprüfung selbständig machen können – und in den restlichen 29 Handwerksberufen, in denen besondere Gefahren drohen wie etwa beim Dachdecker, beim Installateur, beim Kfz-Techniker oder beim Zahntechniker, soll es nur eine eingeschränkte Befreiung vom Meisterzwang geben. So muss in einem solchen Betrieb mindestens ein Meister beschäftigt sein, das muss allerdings nicht der Inhaber sein. Oder aber ein Geselle hat den Beruf schon zehn Jahre ausgeübt, davon fünf Jahre in leitender Stellung, dann wäre das eigene Geschäft ebenfalls erlaubt. So weit die Pläne der Bundesregierung, bei denen es also nicht um die Abschaffung des Meisterbriefs als Gütesiegel geht, sondern nur um die Abschaffung als Bedingung für die Betriebsgründung. Die Pläne müssen vom Bundesrat gebilligt werden, doch die CDU/CSU-Opposition ist gegen diese Pläne. Am Telefon begrüße ich die CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Union. Schönen guten Morgen, Frau Wöhrl.

    Wöhrl: Guten Morgen.

    Spengler: Frau Wöhrl, Sie wollen heute gemeinsam mit dem Verband des deutschen Handwerks Eckpunkte für Ihre Reform der Handwerksordnung vorlegen. Das heißt, Sie sehen auch Reformbedarf.

    Wöhrl: Wir sehen Reformbedarf, und auch das Handwerk sieht Reformbedarf, aber wir haben immer gesagt, wir können das nicht alleine machen, sondern wir müssen das zusammen mit dem Handwerk machen.

    Spengler: Ist denn dann nicht die Gefahr groß, dass diese Lobby dann einen Einfluss nimmt, der nur in ihrem eigenen Interesse liegt?

    Wöhrl: Gut, jede Lobby versucht, Einfluss zu nehmen. Aber die Notwendigkeit ist da: Es muss modernisiert werden. Die Regierung hat gesagt, wir brauchen mehr Existenzgründer, wir brauchen mehr Arbeitsplätze. Bloß: Ob sie das Ziel so erreichen, bezweifeln wir.

    Spengler: Was kritisieren Sie denn?

    Wöhrl: Wir glauben, dass es hier zukünftig noch weniger Ausbildungs- und Arbeitsplätze geben wird. Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Die Entwicklung des Faktors Humankapital ist eine ganz wichtige Ressource. Das heißt, wichtig ist Qualifikation. Wir brauchen Maßnahmen, die zu mehr Qualifikation führen, und nicht Maßnahmen, die Qualifikation abbauen.

    Spengler: Nun kommt aber der Meisterzwang für eine Betriebsgründung aus dem Mittelalter. Er wurde in Preußen im 19. Jahrhundert schon abgeschafft und erst 1935 von den Nazis wieder eingeführt. Was ist denn daran so bewahrenswert?

    Wöhrl: Bewahrenswert ist daran, dass sich gezeigt hat, dass die Handwerksordnung eine wirkliche Grundlage für die Leistungsstärke der Volkswirtschaft ist: die niedrigste Arbeitslosigkeit, sie bilden die meisten jungen Menschen aus. Ein wesentlicher Grund ist, dass der Betriebsinhaber hier wirklich sämtliche Stufen durchlaufen hat. Die Meisterprüfung vermittelt immense berufs- und arbeitspädagogische Kenntnisse. Wenn das alles wegfällt, wird nicht mehr ausgebildet.

    Spengler: Aber die Meisterprüfung soll ja nicht als Gütesiegel wegfallen. Diesen Zwang, dass nur wer den Meister hat sich selbständig machen darf, den gibt es außer in Luxemburg nirgendwo sonst auf der Welt. Meinen Sie denn, dass überall anders der Zahnersatz nicht passt, oder dass überall anders schlechtere Brötchen gebacken werden?

    Wöhrl: Schauen Sie mal, unser duales Ausbildungssystem, das wir immer gehabt haben, wird neidisch überall anerkannt und positiv bewertet im Ausland. Schauen Sie auf Pisa: Die ganzen Appelle nutzen doch nichts. Der Nutzen von Bildung wird doch oft unterschätzt. Deshalb braucht man auch manchmal irgendwelche Pflichten. Bei uns ist es so: Wir sagen auch nicht, dass alle Berufe, die jetzt in der Anlage A sind, zukünftig auch in der Anlage A bleiben.

    Spengler: Anlage A ist was?

    Wöhrl: Dort sind alle Berufe aufgeführt, für die der Meisterbrief notwendig ist zur Selbständigmachung. Die Ausbildungsleistung ist für uns ein wichtiges Kriterium. Das hat die Bundesregierung nicht, Aussagen wie: "Wir brauchen moderne Prüfungsordnungen." Die Regierung sagt zum Beispiel nicht wie wir, dass in Zukunft der Meisterbrief auch eine Zugangsberechtigung für ein Hochschulstudium sein soll. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt.

    Spengler: Darf ich noch einmal bei der Ausbildungsleistung bleiben? Was kritisieren Sie bei der Bundesregierung, und was wollen Sie dort?

    Wöhrl: Wir wollen, dass die Ausbildungsleistung weiter bleibt wie bisher. Die Handwerke bilden im Moment drei Mal mehr aus als die Gesamtwirtschaft, also auf 100 Arbeitnehmer 10 Lehrlinge, im Dienstleistungsbereich nur 3,6. Das Handwerk sagt ganz klar: "Moment mal. Wir bilden jetzt über den Bedarf aus. Warum sollen wir das zukünftig noch machen? Wir bilden aus, und dann macht der sich im nächsten Moment sofort selbständig. Wir bilden unsere eigene Konkurrenz sofort heran." Das ist schon eine Argumentation, die man auch nachvollziehen kann.

    Spengler: Ist es denn aber sinnvoll, wenn man weiß, dass seit 1995 die Zahl der Beschäftigten im Handwerk um 1,5 Millionen gesunken ist, dass arbeitslose Gesellen - und davon gibt es eine ganze Menge - zur Arbeitslosigkeit weiter verdammt sind, weil sie sich nicht selbständig machen dürfen?

    Wöhrl: Herr Spengler, jetzt übernehmen Sie die Argumentation der Regierung. Man kann nicht sagen, der Meisterbrief ist schuld daran, dass es dem Handwerk schlecht geht. Es sind strukturelle Bedingungen. Sie wissen genau, die Kommunen, die weniger Geld als früher haben, waren der größte Arbeitgeber für das Handwerk gewesen. Es sich so einfach zu machen und zu sagen, der Meisterbrief ist schuld, dass es dem Handwerk so schlecht geht, geht nicht. Wir haben Strukturprobleme in unserem Land. Hier - und das werfe ich der Regierung vor allem vor - muss eine Novellierung der Handwerksordnung, die notwendig ist - überhaupt kein Thema - eingebettet werden in ein Gesamtsystem mit weniger Steuern, mit sinkenden Sozialsteuern, wenig Bürokratie. Nur zu sagen, der böse Meisterbrief ist schuld, das ist zu einfach gedacht.

    Spengler: Das sage ich ja auch nicht, und ich weiß nicht, ob die Bundesregierung das sagt. Warum aber soll man Gesellen, die lange in ihrem Beruf waren und arbeitslos sind, nicht die Möglichkeit geben, selbständig zu werden, wie das überall in der Welt auch passiert?

    Wöhrl: Es gibt jetzt schon Ausnahmemöglichkeiten durch die Leipziger Beschlüsse, dass es im Ermessen der Handwerkskammern liegt, dass sich solche Gesellen, wenn sie eine gewisse Erfahrung mitbringen, sich auch selbständig machen können. Auch wir sagen ja, dass das Inhaberprinzip zukünftig erweitert werden muss. Sagen wir mal: "Du kannst dich ja jetzt schon als Geselle selbständig machen, wenn du eine GmbH gründest, aber auch wenn du eine Personengesellschaft hast, soll das zukünftig möglich sein." Das ist ja gegeben.

    Spengler: Das ist aber ein relativ teurer Umweg. Einfacher wäre es ohne zum Beispiel die GmbH-Vorschriften.

    Wöhrl: Warum glauben Sie denn, dass die Existenzgründer im Handwerk am stabilsten sind und am allerwenigsten pleite gehen? Das hängt mit der Ausbildung des Handwerks zusammen. Es nützt doch nichts, wenn ich heute einen Ein-Mann-Betrieb habe, der aufgrund unzureichender Qualifikation nach sechs Monaten wieder vom Markt verschwindet. Es wird hier doch kein Beitrag zur Lösung des Arbeitsmarktproblems geleistet. Wir brauchen dauerhafte, stabile Existenzgründungen. Die bekommen wir natürlich nur, wenn eine gewisse Ausbildung vorher da ist.

    Spengler: Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war Dagmar Wöhrl, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

    Link: Interview als RealAudio