Hans-Joachim Wiese: Die Sorgen um den Iran werden zusehends größer. Kaum war der neue iranische Präsident Ahmadinedschad im Amt, ein radikal-konservativer Moslem, ordnete er die Wiederaufnahme des Atomprogramms seines Landes an. Das darf er zwar nach internationalem Recht, aber nur, wenn dieses Atomprogramm friedlichen Zwecken dient. Und genau das darf füglich bezweifelt werden, denn zuvor hatte der Iran jahrelang verheimlicht, dass er sehr wohl nach Nuklearwaffen strebt und an deren Entwicklung arbeitet. Nachdem die europäisch-iranischen Atomverhandlungen zunächst gescheitert sind, befasst sich seit vorgestern die internationale Atomenergiebehörde in Wien mit der brisanten Angelegenheit.
Am Telefon begrüße ich jetzt den CDU-Politiker und Iran-Experten Ruprecht Polenz. Schönen guten Morgen!
Ruprecht Polenz: Guten Morgen Herr Wiese!
Wiese: Herr Polenz, nach Diplomatenangaben hat sich der Gouverneursrat der internationalen Atomenergiebehörde in Wien auf eine gemeinsame Resolution zum iranischen Atomprogramm geeinigt. Danach soll der Iran aufgefordert werden, seine Nuklearaktivitäten zu stoppen. Eine Einschaltung des UNO-Sicherheitsrats werde nicht erwähnt, heißt es. Ist das ein Anlass zur Hoffnung?
Polenz: Ich finde schon. Es ist wichtig, dass dieses komplizierte Gremium, 35 Mitgliedsstaaten mit ganz unterschiedlichen Interessen, über den Iran in gleicher Weise denkt und offensichtlich in gleicher Weise besorgt ist. Das ist ein wichtiges Signal im gegenseitigen Tauziehen.
Wiese: Hinter dem ganzen Streit um das iranische Atomprogramm steht ja die Vermutung, dass der Iran im Grunde daran interessiert ist, dieses Programm nicht friedlich, sondern militärisch zu nutzen, zu deutsch Kernwaffen zu produzieren. Ist das denn tatsächlich der Fall?
Polenz: Das Programm lässt sich allein mit dem Gesichtspunkt friedlicher Nutzung der Kernenergie kaum erklären. Der Iran plant beispielsweise auch den Bau eines Schwerwasserreaktors. Da gibt es nur einen einzigen auf der Welt noch. Der steht in Kanada und hat sich eigentlich als wirtschaftlich zur Erzeugung von Strom nicht sinnvoll erwiesen. Ein Schwerwasserreaktor kann aber genutzt werden, um waffenfähiges Plutonium herzustellen. Der zweite Gesichtspunkt, der einen zweifeln lässt: eine eigene Urananreicherung, also das Produzieren eigener Brennstäbe, lohnt sich wirtschaftlich erst dann, wenn man etwa 40 Kernkraftwerke damit beschicken kann. Iran hat aber noch nicht mal ein einziges. Auf der anderen Seite ist die Urananreicherung wie in Ihrem Beitrag ja erwähnt in der höheren Form, also für höher angereichertes Uran, wiederum ein Schritt, waffenfähiges Uran herzustellen. Also es gibt seriöse, wichtige, ernst zu nehmende Zweifel an der Friedlichkeit der iranischen Absichten und deshalb kommt es darauf an – und das wollten die Europäer und wollen die Amerikaner ja erreichen -, dass der Iran objektive Garantien dafür gibt, dass seine Behauptung, er wolle Kernenergie nur friedlich nutzen, tatsächlich stimmt.
Wiese: Wie können denn solche objektiven Garantien aussehen? Es ist ja durchaus Misstrauen, wie Sie auch gerade sagten, angebracht. In der Vergangenheit hat Teheran in dieser Hinsicht ja schon die internationale Gemeinschaft jahrelang belogen.
Polenz: Die europäische Verhandlungsposition war, objektive Garantie würde sein der Verzicht auf die Schließung des Brennstoffkreislaufs, also Verzicht auf die eigene Urananreicherung. Aber die Verhandlungsposition war auch immer so, dass man gesagt hat, wenn euch Iranern etwas anderes einfällt, was wir als objektive Garantie ansehen können außer mündlichen Erklärungen, dann wollen wir darüber durchaus auch sprechen. Da hat der Iran aber bisher nichts vorgelegt.
Wichtig scheint mir im jetzigen Stadium allerdings auch zu sein, dass man den Iran dazu bringt, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu ratifizieren. Er verhält sich zwar im Augenblick entsprechend dieses Zusatzprotokolls, erlaubt der internationalen Atomenergiebehörde intensivere Kontrollen der Aktivitäten, aber der Iran hat es bisher nicht ratifiziert. Das wäre in dem gegenseitigen, wenn man so sagen will, Stillstand der Verhandlungen eine Möglichkeit, die Dinge vielleicht wieder flott zu bekommen.
Wiese: Der Iran oder die neue iranische Regierung besser gesagt schaltet derzeit ja deutlich auf stur, geht auf Konfrontationskurs. Herr Polenz, welche Druckmittel gegenüber dem Iran haben die Europäer denn überhaupt? So beeindruckt scheinen die Iraner ja nicht zu sein, wenn man die Reaktionen Teherans bislang betrachtet?
Polenz: Ja, vor allen Dingen wenn man die Rhetorik sieht. Auf der anderen Seite täuscht das natürlich darüber hinweg, dass der Iran ein großes eigenes Interesse an guten wirtschaftlichen Beziehungen mit den Europäern, mit dem Westen insgesamt hat. Die Wirtschaft braucht dringend Auslandsinvestitionen. Die bisherigen Sanktionen haben das Land schon in eine wirtschaftlich nicht einfache Situation gebracht. Diese Investitionen aus Europa die wird es natürlich nur geben, wenn das Misstrauen über die iranischen Nuklearabsichten ausgeräumt ist. Das muss man den Iranern immer wieder sagen: wenn ihr das nicht schafft, unsere Besorgnisse auszuräumen, dann können wir mit euch auch nicht in einer Weise zusammenarbeiten, wie das eigentlich unser, aber vor allen Dingen auch euer iranisches Interesse ist.
Wiese: Und wenn das auch nichts hilft, Herr Polenz? Was halten Sie dann von der militärischen Option, die immer im Hintergrund steht?
Polenz: Ich glaube, dass man darüber nicht groß spekulieren sollte. Es ist das Programm so angelegt von iranischer Seite, dass Militärschläge zwar sozusagen als ultima ratio von den Amerikanern immer mal wieder erwähnt worden sind, aber auch die Amerikaner – das merken sie in den letzten Wochen – sprechen nicht mehr davon. Man will alles erreichen, um den Iran zum Einlenken zu bringen. Da kann das Drohen mit irgendwelchen anderen Maßnahmen durchaus kontraproduktiv sein. Man darf ja nicht vergessen: der Iran, wenn er einlenken soll, muss das auch in einer Weise tun können, dass er sein Gesicht dabei wahrt. Deshalb kommt es jetzt auf Festigkeit und Klugheit im Verhandeln an. Meine Empfehlung wäre, jetzt auch etwas in den Vordergrund zu rücken die Frage Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag.
Wiese: Im Hintergrund stehen nicht nur die Amerikaner mit einer möglichen militärischen Option, sondern auch die Israelis. Die haben öfter angekündigt, wenn sie sich tatsächlich vom Iran bedroht fühlen müssten, dann würden sie durchaus auch einen Präventivschlag in Erwägung ziehen.
Polenz: Wir haben ja in dem Bericht gehört, dass das, was jetzt in Isfahan stattfindet, sozusagen die Vorstufe von Anreicherungsaktivitäten wäre. Die würden nämlich eigentlich in Natans stattfinden. Dort findet gegenwärtig noch gar nichts statt. Ich halte also nichts davon, jetzt über solche Optionen zu spekulieren, weil sie glaube ich das Verhandlungsergebnis eher kontraproduktiv beeinflussen würden. Davon bin ich nach meiner Kenntnis iranischer Mentalitäten überzeugt. Festigkeit ja, deutlich machen, ihr könnt nicht beides haben, also gute wirtschaftliche Beziehungen und euere Anreicherungsoption, und vor allen Dingen immer wieder auch die Frage stellen, warum besteht ihr denn so auf der eigenen Anreicherungskapazität. Es ist wirtschaftlich unsinnig. Ihr bekommt, wenn ihr euch auf das Verhandlungsangebot der Europäer einlasst, eine bessere Technologie in Kooperation mit den Europäern auch zur nuklearen Stromerzeugung. Also die Weigerung macht eigentlich eher noch misstrauischer, als man schon in der Vergangenheit war.
Wiese: Danke für das Gespräch. – Das war in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk der CDU-Politiker und Iran-Experte Ruprecht Polenz. Auf Wiederhören!
Polenz: Auf Wiederhören!
Am Telefon begrüße ich jetzt den CDU-Politiker und Iran-Experten Ruprecht Polenz. Schönen guten Morgen!
Ruprecht Polenz: Guten Morgen Herr Wiese!
Wiese: Herr Polenz, nach Diplomatenangaben hat sich der Gouverneursrat der internationalen Atomenergiebehörde in Wien auf eine gemeinsame Resolution zum iranischen Atomprogramm geeinigt. Danach soll der Iran aufgefordert werden, seine Nuklearaktivitäten zu stoppen. Eine Einschaltung des UNO-Sicherheitsrats werde nicht erwähnt, heißt es. Ist das ein Anlass zur Hoffnung?
Polenz: Ich finde schon. Es ist wichtig, dass dieses komplizierte Gremium, 35 Mitgliedsstaaten mit ganz unterschiedlichen Interessen, über den Iran in gleicher Weise denkt und offensichtlich in gleicher Weise besorgt ist. Das ist ein wichtiges Signal im gegenseitigen Tauziehen.
Wiese: Hinter dem ganzen Streit um das iranische Atomprogramm steht ja die Vermutung, dass der Iran im Grunde daran interessiert ist, dieses Programm nicht friedlich, sondern militärisch zu nutzen, zu deutsch Kernwaffen zu produzieren. Ist das denn tatsächlich der Fall?
Polenz: Das Programm lässt sich allein mit dem Gesichtspunkt friedlicher Nutzung der Kernenergie kaum erklären. Der Iran plant beispielsweise auch den Bau eines Schwerwasserreaktors. Da gibt es nur einen einzigen auf der Welt noch. Der steht in Kanada und hat sich eigentlich als wirtschaftlich zur Erzeugung von Strom nicht sinnvoll erwiesen. Ein Schwerwasserreaktor kann aber genutzt werden, um waffenfähiges Plutonium herzustellen. Der zweite Gesichtspunkt, der einen zweifeln lässt: eine eigene Urananreicherung, also das Produzieren eigener Brennstäbe, lohnt sich wirtschaftlich erst dann, wenn man etwa 40 Kernkraftwerke damit beschicken kann. Iran hat aber noch nicht mal ein einziges. Auf der anderen Seite ist die Urananreicherung wie in Ihrem Beitrag ja erwähnt in der höheren Form, also für höher angereichertes Uran, wiederum ein Schritt, waffenfähiges Uran herzustellen. Also es gibt seriöse, wichtige, ernst zu nehmende Zweifel an der Friedlichkeit der iranischen Absichten und deshalb kommt es darauf an – und das wollten die Europäer und wollen die Amerikaner ja erreichen -, dass der Iran objektive Garantien dafür gibt, dass seine Behauptung, er wolle Kernenergie nur friedlich nutzen, tatsächlich stimmt.
Wiese: Wie können denn solche objektiven Garantien aussehen? Es ist ja durchaus Misstrauen, wie Sie auch gerade sagten, angebracht. In der Vergangenheit hat Teheran in dieser Hinsicht ja schon die internationale Gemeinschaft jahrelang belogen.
Polenz: Die europäische Verhandlungsposition war, objektive Garantie würde sein der Verzicht auf die Schließung des Brennstoffkreislaufs, also Verzicht auf die eigene Urananreicherung. Aber die Verhandlungsposition war auch immer so, dass man gesagt hat, wenn euch Iranern etwas anderes einfällt, was wir als objektive Garantie ansehen können außer mündlichen Erklärungen, dann wollen wir darüber durchaus auch sprechen. Da hat der Iran aber bisher nichts vorgelegt.
Wichtig scheint mir im jetzigen Stadium allerdings auch zu sein, dass man den Iran dazu bringt, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu ratifizieren. Er verhält sich zwar im Augenblick entsprechend dieses Zusatzprotokolls, erlaubt der internationalen Atomenergiebehörde intensivere Kontrollen der Aktivitäten, aber der Iran hat es bisher nicht ratifiziert. Das wäre in dem gegenseitigen, wenn man so sagen will, Stillstand der Verhandlungen eine Möglichkeit, die Dinge vielleicht wieder flott zu bekommen.
Wiese: Der Iran oder die neue iranische Regierung besser gesagt schaltet derzeit ja deutlich auf stur, geht auf Konfrontationskurs. Herr Polenz, welche Druckmittel gegenüber dem Iran haben die Europäer denn überhaupt? So beeindruckt scheinen die Iraner ja nicht zu sein, wenn man die Reaktionen Teherans bislang betrachtet?
Polenz: Ja, vor allen Dingen wenn man die Rhetorik sieht. Auf der anderen Seite täuscht das natürlich darüber hinweg, dass der Iran ein großes eigenes Interesse an guten wirtschaftlichen Beziehungen mit den Europäern, mit dem Westen insgesamt hat. Die Wirtschaft braucht dringend Auslandsinvestitionen. Die bisherigen Sanktionen haben das Land schon in eine wirtschaftlich nicht einfache Situation gebracht. Diese Investitionen aus Europa die wird es natürlich nur geben, wenn das Misstrauen über die iranischen Nuklearabsichten ausgeräumt ist. Das muss man den Iranern immer wieder sagen: wenn ihr das nicht schafft, unsere Besorgnisse auszuräumen, dann können wir mit euch auch nicht in einer Weise zusammenarbeiten, wie das eigentlich unser, aber vor allen Dingen auch euer iranisches Interesse ist.
Wiese: Und wenn das auch nichts hilft, Herr Polenz? Was halten Sie dann von der militärischen Option, die immer im Hintergrund steht?
Polenz: Ich glaube, dass man darüber nicht groß spekulieren sollte. Es ist das Programm so angelegt von iranischer Seite, dass Militärschläge zwar sozusagen als ultima ratio von den Amerikanern immer mal wieder erwähnt worden sind, aber auch die Amerikaner – das merken sie in den letzten Wochen – sprechen nicht mehr davon. Man will alles erreichen, um den Iran zum Einlenken zu bringen. Da kann das Drohen mit irgendwelchen anderen Maßnahmen durchaus kontraproduktiv sein. Man darf ja nicht vergessen: der Iran, wenn er einlenken soll, muss das auch in einer Weise tun können, dass er sein Gesicht dabei wahrt. Deshalb kommt es jetzt auf Festigkeit und Klugheit im Verhandeln an. Meine Empfehlung wäre, jetzt auch etwas in den Vordergrund zu rücken die Frage Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag.
Wiese: Im Hintergrund stehen nicht nur die Amerikaner mit einer möglichen militärischen Option, sondern auch die Israelis. Die haben öfter angekündigt, wenn sie sich tatsächlich vom Iran bedroht fühlen müssten, dann würden sie durchaus auch einen Präventivschlag in Erwägung ziehen.
Polenz: Wir haben ja in dem Bericht gehört, dass das, was jetzt in Isfahan stattfindet, sozusagen die Vorstufe von Anreicherungsaktivitäten wäre. Die würden nämlich eigentlich in Natans stattfinden. Dort findet gegenwärtig noch gar nichts statt. Ich halte also nichts davon, jetzt über solche Optionen zu spekulieren, weil sie glaube ich das Verhandlungsergebnis eher kontraproduktiv beeinflussen würden. Davon bin ich nach meiner Kenntnis iranischer Mentalitäten überzeugt. Festigkeit ja, deutlich machen, ihr könnt nicht beides haben, also gute wirtschaftliche Beziehungen und euere Anreicherungsoption, und vor allen Dingen immer wieder auch die Frage stellen, warum besteht ihr denn so auf der eigenen Anreicherungskapazität. Es ist wirtschaftlich unsinnig. Ihr bekommt, wenn ihr euch auf das Verhandlungsangebot der Europäer einlasst, eine bessere Technologie in Kooperation mit den Europäern auch zur nuklearen Stromerzeugung. Also die Weigerung macht eigentlich eher noch misstrauischer, als man schon in der Vergangenheit war.
Wiese: Danke für das Gespräch. – Das war in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk der CDU-Politiker und Iran-Experte Ruprecht Polenz. Auf Wiederhören!
Polenz: Auf Wiederhören!
