Christian Schütte: Vor kurzem hat die SPD auf einem Parteitag ihr neues Grundsatzprogramm beschlossen. Die CDU zieht nach. Auf einem Parteitag in Hannover Anfang Dezember will sie ihr Profil schärfen. Doch die neuen Leitlinien sind an der Parteibasis nicht unumstritten. Auf den Landesparteitagen an diesem Wochenende in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg werden Parteimitglieder unter anderem darüber diskutieren. Am Telefon ist Ronald Pofalla, Generalsekretär der CDU. Guten Morgen Herr Pofalla!
Ronald Pofalla: Guten Morgen Herr Schütte.
Schütte: Herr Pofalla, wie erleben Sie die Stimmung an der Basis?
Pofalla: Wir haben eine breite Beteiligung der Kreisverbände der CDU an diesem und über diesen Entwurf des Grundsatzprogrammes. Wir haben über 2.700 Änderungsanträge durch die Kreisverbände erarbeitet bekommen und gestern hat die Antragskommission beraten und wir haben jeweils einstimmig Änderungen vorgeschlagen, die aber im Wesentlichen im Bereich der Familienpolitik das, was die Kommission erarbeitet hatte, und das, was durch den Bundesvorstand Ende Juni, Anfang Juli bestätigt worden ist, wiederum auch aufgrund der Änderungsanträge bestätigt.
Schütte: Das heißt eine Vielzahl von Änderungsanträgen, die es gegeben hat. Das bestätigt den Eindruck, den auch die Öffentlichkeit hat: Einen nicht geringen Teil der Partei scheinen sie noch nicht so richtig mitzunehmen auf dem neuen Kurs?
Pofalla: Nein, der Eindruck ist falsch. Die wesentlichen Linien des Grundsatzprogramms sind auch durch die Änderungsanträge aus den Kreisverbänden und aus den Landesverbänden unterstützt worden. Es ging im Wesentlichen um Detailformulierungen, wo Änderungsanträge gestellt worden sind, und einen Großteil dieser Änderungsanträge haben wir bestätigen können. Aber das was an grundsätzlichen Überlegungen in dem familienpolitischen Teil des Grundsatzprogramms enthalten ist, ist bestätigt worden. Wir sprechen uns für eine Wahlfreiheit der Familien aus. Wir sprechen uns für eine Weiterentwicklung des vorhandenen Ehegattensplittings zum Familiensplitting aus, in dem Familien mit Kindern steuerrechtlich besser gestellt werden sollen als ohne Kinder, und wir sprechen uns auch dafür aus, dass mittelfristig der Kindergartenbesuch beitragsfrei gestellt werden soll.
Schütte: Die Basis vermisst trotz allem - so ist zu hören - bei den Leitlinien zur Familienpolitik einen konservativen Anstrich. Gehen wir mal auf Spurensuche im neuen Grundsatzprogramm. Sie haben ja schon einige Aspekte angesprochen. Familie ist, wer Kinder erzieht, nicht wer einen Trauschein hat, ist dort sinngemäß zu lesen. Was ist daran noch konservativ?
Pofalla: Erstens ist dieser Beschluss übrigens damals unter der Generalsekretärin Angela Merkel 1999 auf einem kleinen Parteitag bereits beschlossen worden und die Definition ist einfach und überzeugend. Nach unserer Auffassung ist Familie überall da, wo Eltern für Kinder und Kinder für ihre Eltern dauerhaft Verantwortung übernehmen. Diese Definition unterscheidet sich übrigens ganz erheblich von der Familiendefinition der SPD, in der Elternschaft überhaupt gar keine Rolle mehr spielt, sondern es nur allgemeine Formulierungen gibt und das Prinzip der Eltern, Kinder zu erziehen, in diesem Programm der SPD gar nicht mehr auftaucht.
Schütte: Von einem Trauschein ist aber bei Ihnen auch nicht unbedingt die Rede.
Pofalla: Ehe und Familie - und ich betone noch mal Ehe und Familie - sind Kern unserer Gesellschaft und unser Leitbild vom Zusammenleben der Menschen. Wir sprechen uns ausdrücklich für die Beibehaltung des Ehegattensplittings aus, um noch mal deutlich zu machen, dass die Institution der Ehe, auch vor dem Hintergrund unseres Grundgesetzes, des Artikels VI des Grundgesetzes, eine weiterhin doch sehr deutliche Förderung erhalten soll. In den Genuss des Ehegattensplittings kommen nur diejenigen, die verheiratet sind.
Schütte: Das heißt es steht dort, das Ehegattensplitting wird zum Familiensplitting ausgebaut. Das heißt die Ehe wird gar nicht geschwächt dadurch?
Pofalla: Ganz im Gegenteil! Wir wollen das vorhandene Ehegattensplitting zum Familiensplitting ausbauen, um den Unterschied deutlich zu machen, dass Familien mit Kindern unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten stärker gefördert werden sollen als ohne Kinder, und wir machen deutlich, dass die Weiterentwicklung des vorhandenen Ehegattensplittings zum Familiensplitting diese spezielle Förderung von Familien mit Kindern durch das Familiensplitting gewährleisten soll.
Schütte: Es befürchten aber viele, dass Unverheiratete mit Kindern steuerlich dann am Ende doch besser gestellt werden als kinderlose Eheleute?
Pofalla: Das kann schon deshalb nicht der Fall sein, weil im Wesentlichen das Ehegattensplitting einen Förderumfang derzeit von 21 bis 22 Milliarden Euro hat, und das ist ja die spezielle Förderung des Institutes der Ehe. Auf diese Förderung wollen wir eine kinderbezogene Förderung von Familien mit Kindern haben und deshalb wird die Institution der Ehe immer deutlich und auch stärker gefördert werden als die Familienkomponente, die wir jetzt oben aufsetzen wollen auf das Ehegattensplitting.
Schütte: Trotzdem ist ein bisschen herauszuhören, dass die Familienpolitik, wie sie auch die Ministerin Frau von der Leyen vertritt, Pragmatismus in die Familienpolitik bringt und damit dann doch die letzte Bastion der konservativen Kräfte der CDU einnimmt.
Pofalla: Nun halten wir erst mal fest: Wir hatten einen Altkanzler Schröder. Der hat Familienpolitik als Gedöns lächerlich gemacht. Leider ist diese Denke in der SPD immer noch verbreitet. Wenn die SPD jetzt beispielsweise reklamiert, dass auch sie sich irgendwann einmal für ein Elterngeld eingesetzt habe, kann ich nur sagen die SPD debattiert, die CDU handelt. Im Übrigen ist ja unser Instrumentarium viel breiter angelegt. Wir sind für ein Elterngeld. Wir sind für Familiensplitting. Wir sind für beitragsfreie Kindergartenplätze, für Betreuungsgeld. Alles das sind Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern. Hier zu konkreten Verbesserungen zu gelangen, ist Kern unserer Politik und insofern urkonservativ und deshalb auch in den Formulierungen des Grundsatzprogramms durch die Kreisverbände und durch die Landesverbände der CDU nicht bestritten.
Schütte: Stichwort Betreuungsgeld. Soll die umstrittene Herdprämie ins neue Parteiprogramm?
Pofalla: Ich halte diese Formulierung für empörend. Das Ehegattensplitting, um ein Beispiel zu geben, privilegiert natürlich steuerrechtlich beispielsweise die Ehe mit Kindern am meisten, wo einer der beiden Eltern sich freiwillig unter dem Gedanken der Wahlfreiheit dafür entscheidet, das Kind oder die Kinder zu Hause zu erziehen. Beim Kindergeld, das ja auch eine Bargeldleistung ist, die an Eltern ausgezahlt wird, würde nie einer auf die Idee kommen, Kindergeld als Herdprämie zu diffamieren. Wir sagen aber, zur Wahlfreiheit gehört es dann, wenn wir 2013 die 750.000 Ganztagsbetreuungsplätze für die Ein- bis Dreijährigen haben, dann haben die Eltern eine Entscheidungsfreiheit und die Eltern, die sich für Kinderbetreuung in entsprechenden Einrichtungen entscheiden, erhalten dann ja Unterstützung durch die Einrichtung, und die Eltern, die zu Hause ihre Kinder erziehen, sollen eine Unterstützung über das Betreuungsgeld bekommen.
Schütte: Also Sie sehen das Betreuungsgeld auch im Parteiprogramm? Das wäre aber ein Affront gegen ihre Familienministerin.
Pofalla: Ganz im Gegenteil! Die Familienministerin hat ja in einer Koalitionsarbeitsgruppe, die entsprechenden Vereinbarungen der Koalition im Koalitionsausschuss umsetzen sollte, und die wir Mitte Mai getroffen haben, unter Federführung von Frau von der Leyen und von Finanzminister Steinbrück Ende August dieses Betreuungsgeld empfohlen und es ist die logische Fortsetzung der Umsetzung der Ganztagsbetreuung für Kinder, die ein bis drei Jahre alt sind, weil wir die Wahlfreiheit der Familien fördern wollen durch einerseits den Ausbau der Ganztagsbetreuung und andererseits durch das Betreuungsgeld.
Schütte: Sie sagen, Frau von der Leyen trägt das Betreuungsgeld freiwillig mit. Das ist ja nicht unumstritten. Viele sagen auch, sie hat sich dem Druck der CSU gebeugt, denn kurz zuvor sprach sie noch im Hinblick auf das Betreuungsgeld von einer bildungspolitischen Katastrophe.
Pofalla: Ich muss Sie auch da korrigieren. Im Wesentlichen ist die Auseinandersetzung zum damaligen Zeitpunkt darüber geführt worden, wie das Betreuungsgeld ausgezahlt werden soll, aber nicht über die Frage des "ob". Und über die Frage des "wie" werden wir uns ganz sicher in einem Grundsatzprogramm der CDU nicht äußern. Das sind Fragen, die erst im Jahre 2013 zu entscheiden sind. Jetzt geht es darum, das Betreuungsgeld auch gesetzlich abzusichern als eines der Förderinstrumente der Eltern mit Kindern, in diesem Fall der Eltern mit Kindern, wo ein Elternteil sich entscheidet, die Kinder zu Hause zu erziehen.
Schütte: Kommen wir noch zu einem anderen Thema. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat für Unmut gesorgt mit einer Äußerung, die das jeweilige Privatleben von Helmut Kohl und Franz Müntefering betrifft. Thierse hat sich inzwischen entschuldigt. Er hat gesagt, er sei missverstanden worden. Warum reicht Ihnen das nicht?
Pofalla: Weil er sich nicht entschuldigt hat. Er hat gesagt, er habe das was ihm unterstellt wird nicht gesagt und er habe die Absicht nicht gehabt zu beleidigen. Und sollte der Eindruck entstanden sein, er habe eine Beleidigung ausgesprochen, dann würde er sich dafür entschuldigen. Der Mann soll jetzt endlich die Kurve kriegen. Er ist Vizepräsident, er hat eine Amtswürde. Er hat Helmut Kohl schwerstens beleidigt und dafür muss er sich entschuldigen und da darf er sich nicht drumrum- und rausreden.
Schütte: Aber er hat sich doch entschuldigt.
Pofalla: Er hat sich nicht entschuldigt. Wenn Sie sich den Text genau ansehen sagt er in dem ersten Teil immer wieder, das was ihm unterstellt würde habe er in der "Leipziger Volkszeitung" nicht gesagt. Er hat ja sogar gestern noch behauptet, er habe dieses Interview nicht autorisiert, was ja nur heißt, dass er es gesagt hat, er hat es nur nicht freigegeben. Es geht ja nicht darum, ob Herr Thierse irgendwas freigegeben hat, sondern es geht darum, dass er eine unsägliche, beschämende und die Menschenwürde verachtende Aussage gemacht hat, und wir erwarten eine klipp und klare Entschuldigung von Herrn Thierse.
Schütte: Die will er ja geben in Form eines Briefes, den er an Helmut Kohl schicken möchte, vielleicht sogar schon geschickt hat. Reicht das Ihnen dann aus?
Pofalla: Ich kenne den Brief, den er an Helmut Kohl geschickt hat, weil er mir einen ähnlichen Brief geschrieben hat, weil ich ihn ja bereits vor zwei Tagen aufgefordert habe, schriftlich sich zu entschuldigen. Es ist keine Entschuldigung! Herr Thierse redet sich raus. Er sagt, er hat das nicht gesagt, und das stimmt nicht. Er muss sich heute bei Helmut Kohl entschuldigen für diese unsägliche Aussage.
Schütte: Der Generalsekretär der CDU Ronald Pofalla. Vielen Dank für das Gespräch.
Ronald Pofalla: Guten Morgen Herr Schütte.
Schütte: Herr Pofalla, wie erleben Sie die Stimmung an der Basis?
Pofalla: Wir haben eine breite Beteiligung der Kreisverbände der CDU an diesem und über diesen Entwurf des Grundsatzprogrammes. Wir haben über 2.700 Änderungsanträge durch die Kreisverbände erarbeitet bekommen und gestern hat die Antragskommission beraten und wir haben jeweils einstimmig Änderungen vorgeschlagen, die aber im Wesentlichen im Bereich der Familienpolitik das, was die Kommission erarbeitet hatte, und das, was durch den Bundesvorstand Ende Juni, Anfang Juli bestätigt worden ist, wiederum auch aufgrund der Änderungsanträge bestätigt.
Schütte: Das heißt eine Vielzahl von Änderungsanträgen, die es gegeben hat. Das bestätigt den Eindruck, den auch die Öffentlichkeit hat: Einen nicht geringen Teil der Partei scheinen sie noch nicht so richtig mitzunehmen auf dem neuen Kurs?
Pofalla: Nein, der Eindruck ist falsch. Die wesentlichen Linien des Grundsatzprogramms sind auch durch die Änderungsanträge aus den Kreisverbänden und aus den Landesverbänden unterstützt worden. Es ging im Wesentlichen um Detailformulierungen, wo Änderungsanträge gestellt worden sind, und einen Großteil dieser Änderungsanträge haben wir bestätigen können. Aber das was an grundsätzlichen Überlegungen in dem familienpolitischen Teil des Grundsatzprogramms enthalten ist, ist bestätigt worden. Wir sprechen uns für eine Wahlfreiheit der Familien aus. Wir sprechen uns für eine Weiterentwicklung des vorhandenen Ehegattensplittings zum Familiensplitting aus, in dem Familien mit Kindern steuerrechtlich besser gestellt werden sollen als ohne Kinder, und wir sprechen uns auch dafür aus, dass mittelfristig der Kindergartenbesuch beitragsfrei gestellt werden soll.
Schütte: Die Basis vermisst trotz allem - so ist zu hören - bei den Leitlinien zur Familienpolitik einen konservativen Anstrich. Gehen wir mal auf Spurensuche im neuen Grundsatzprogramm. Sie haben ja schon einige Aspekte angesprochen. Familie ist, wer Kinder erzieht, nicht wer einen Trauschein hat, ist dort sinngemäß zu lesen. Was ist daran noch konservativ?
Pofalla: Erstens ist dieser Beschluss übrigens damals unter der Generalsekretärin Angela Merkel 1999 auf einem kleinen Parteitag bereits beschlossen worden und die Definition ist einfach und überzeugend. Nach unserer Auffassung ist Familie überall da, wo Eltern für Kinder und Kinder für ihre Eltern dauerhaft Verantwortung übernehmen. Diese Definition unterscheidet sich übrigens ganz erheblich von der Familiendefinition der SPD, in der Elternschaft überhaupt gar keine Rolle mehr spielt, sondern es nur allgemeine Formulierungen gibt und das Prinzip der Eltern, Kinder zu erziehen, in diesem Programm der SPD gar nicht mehr auftaucht.
Schütte: Von einem Trauschein ist aber bei Ihnen auch nicht unbedingt die Rede.
Pofalla: Ehe und Familie - und ich betone noch mal Ehe und Familie - sind Kern unserer Gesellschaft und unser Leitbild vom Zusammenleben der Menschen. Wir sprechen uns ausdrücklich für die Beibehaltung des Ehegattensplittings aus, um noch mal deutlich zu machen, dass die Institution der Ehe, auch vor dem Hintergrund unseres Grundgesetzes, des Artikels VI des Grundgesetzes, eine weiterhin doch sehr deutliche Förderung erhalten soll. In den Genuss des Ehegattensplittings kommen nur diejenigen, die verheiratet sind.
Schütte: Das heißt es steht dort, das Ehegattensplitting wird zum Familiensplitting ausgebaut. Das heißt die Ehe wird gar nicht geschwächt dadurch?
Pofalla: Ganz im Gegenteil! Wir wollen das vorhandene Ehegattensplitting zum Familiensplitting ausbauen, um den Unterschied deutlich zu machen, dass Familien mit Kindern unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten stärker gefördert werden sollen als ohne Kinder, und wir machen deutlich, dass die Weiterentwicklung des vorhandenen Ehegattensplittings zum Familiensplitting diese spezielle Förderung von Familien mit Kindern durch das Familiensplitting gewährleisten soll.
Schütte: Es befürchten aber viele, dass Unverheiratete mit Kindern steuerlich dann am Ende doch besser gestellt werden als kinderlose Eheleute?
Pofalla: Das kann schon deshalb nicht der Fall sein, weil im Wesentlichen das Ehegattensplitting einen Förderumfang derzeit von 21 bis 22 Milliarden Euro hat, und das ist ja die spezielle Förderung des Institutes der Ehe. Auf diese Förderung wollen wir eine kinderbezogene Förderung von Familien mit Kindern haben und deshalb wird die Institution der Ehe immer deutlich und auch stärker gefördert werden als die Familienkomponente, die wir jetzt oben aufsetzen wollen auf das Ehegattensplitting.
Schütte: Trotzdem ist ein bisschen herauszuhören, dass die Familienpolitik, wie sie auch die Ministerin Frau von der Leyen vertritt, Pragmatismus in die Familienpolitik bringt und damit dann doch die letzte Bastion der konservativen Kräfte der CDU einnimmt.
Pofalla: Nun halten wir erst mal fest: Wir hatten einen Altkanzler Schröder. Der hat Familienpolitik als Gedöns lächerlich gemacht. Leider ist diese Denke in der SPD immer noch verbreitet. Wenn die SPD jetzt beispielsweise reklamiert, dass auch sie sich irgendwann einmal für ein Elterngeld eingesetzt habe, kann ich nur sagen die SPD debattiert, die CDU handelt. Im Übrigen ist ja unser Instrumentarium viel breiter angelegt. Wir sind für ein Elterngeld. Wir sind für Familiensplitting. Wir sind für beitragsfreie Kindergartenplätze, für Betreuungsgeld. Alles das sind Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern. Hier zu konkreten Verbesserungen zu gelangen, ist Kern unserer Politik und insofern urkonservativ und deshalb auch in den Formulierungen des Grundsatzprogramms durch die Kreisverbände und durch die Landesverbände der CDU nicht bestritten.
Schütte: Stichwort Betreuungsgeld. Soll die umstrittene Herdprämie ins neue Parteiprogramm?
Pofalla: Ich halte diese Formulierung für empörend. Das Ehegattensplitting, um ein Beispiel zu geben, privilegiert natürlich steuerrechtlich beispielsweise die Ehe mit Kindern am meisten, wo einer der beiden Eltern sich freiwillig unter dem Gedanken der Wahlfreiheit dafür entscheidet, das Kind oder die Kinder zu Hause zu erziehen. Beim Kindergeld, das ja auch eine Bargeldleistung ist, die an Eltern ausgezahlt wird, würde nie einer auf die Idee kommen, Kindergeld als Herdprämie zu diffamieren. Wir sagen aber, zur Wahlfreiheit gehört es dann, wenn wir 2013 die 750.000 Ganztagsbetreuungsplätze für die Ein- bis Dreijährigen haben, dann haben die Eltern eine Entscheidungsfreiheit und die Eltern, die sich für Kinderbetreuung in entsprechenden Einrichtungen entscheiden, erhalten dann ja Unterstützung durch die Einrichtung, und die Eltern, die zu Hause ihre Kinder erziehen, sollen eine Unterstützung über das Betreuungsgeld bekommen.
Schütte: Also Sie sehen das Betreuungsgeld auch im Parteiprogramm? Das wäre aber ein Affront gegen ihre Familienministerin.
Pofalla: Ganz im Gegenteil! Die Familienministerin hat ja in einer Koalitionsarbeitsgruppe, die entsprechenden Vereinbarungen der Koalition im Koalitionsausschuss umsetzen sollte, und die wir Mitte Mai getroffen haben, unter Federführung von Frau von der Leyen und von Finanzminister Steinbrück Ende August dieses Betreuungsgeld empfohlen und es ist die logische Fortsetzung der Umsetzung der Ganztagsbetreuung für Kinder, die ein bis drei Jahre alt sind, weil wir die Wahlfreiheit der Familien fördern wollen durch einerseits den Ausbau der Ganztagsbetreuung und andererseits durch das Betreuungsgeld.
Schütte: Sie sagen, Frau von der Leyen trägt das Betreuungsgeld freiwillig mit. Das ist ja nicht unumstritten. Viele sagen auch, sie hat sich dem Druck der CSU gebeugt, denn kurz zuvor sprach sie noch im Hinblick auf das Betreuungsgeld von einer bildungspolitischen Katastrophe.
Pofalla: Ich muss Sie auch da korrigieren. Im Wesentlichen ist die Auseinandersetzung zum damaligen Zeitpunkt darüber geführt worden, wie das Betreuungsgeld ausgezahlt werden soll, aber nicht über die Frage des "ob". Und über die Frage des "wie" werden wir uns ganz sicher in einem Grundsatzprogramm der CDU nicht äußern. Das sind Fragen, die erst im Jahre 2013 zu entscheiden sind. Jetzt geht es darum, das Betreuungsgeld auch gesetzlich abzusichern als eines der Förderinstrumente der Eltern mit Kindern, in diesem Fall der Eltern mit Kindern, wo ein Elternteil sich entscheidet, die Kinder zu Hause zu erziehen.
Schütte: Kommen wir noch zu einem anderen Thema. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hat für Unmut gesorgt mit einer Äußerung, die das jeweilige Privatleben von Helmut Kohl und Franz Müntefering betrifft. Thierse hat sich inzwischen entschuldigt. Er hat gesagt, er sei missverstanden worden. Warum reicht Ihnen das nicht?
Pofalla: Weil er sich nicht entschuldigt hat. Er hat gesagt, er habe das was ihm unterstellt wird nicht gesagt und er habe die Absicht nicht gehabt zu beleidigen. Und sollte der Eindruck entstanden sein, er habe eine Beleidigung ausgesprochen, dann würde er sich dafür entschuldigen. Der Mann soll jetzt endlich die Kurve kriegen. Er ist Vizepräsident, er hat eine Amtswürde. Er hat Helmut Kohl schwerstens beleidigt und dafür muss er sich entschuldigen und da darf er sich nicht drumrum- und rausreden.
Schütte: Aber er hat sich doch entschuldigt.
Pofalla: Er hat sich nicht entschuldigt. Wenn Sie sich den Text genau ansehen sagt er in dem ersten Teil immer wieder, das was ihm unterstellt würde habe er in der "Leipziger Volkszeitung" nicht gesagt. Er hat ja sogar gestern noch behauptet, er habe dieses Interview nicht autorisiert, was ja nur heißt, dass er es gesagt hat, er hat es nur nicht freigegeben. Es geht ja nicht darum, ob Herr Thierse irgendwas freigegeben hat, sondern es geht darum, dass er eine unsägliche, beschämende und die Menschenwürde verachtende Aussage gemacht hat, und wir erwarten eine klipp und klare Entschuldigung von Herrn Thierse.
Schütte: Die will er ja geben in Form eines Briefes, den er an Helmut Kohl schicken möchte, vielleicht sogar schon geschickt hat. Reicht das Ihnen dann aus?
Pofalla: Ich kenne den Brief, den er an Helmut Kohl geschickt hat, weil er mir einen ähnlichen Brief geschrieben hat, weil ich ihn ja bereits vor zwei Tagen aufgefordert habe, schriftlich sich zu entschuldigen. Es ist keine Entschuldigung! Herr Thierse redet sich raus. Er sagt, er hat das nicht gesagt, und das stimmt nicht. Er muss sich heute bei Helmut Kohl entschuldigen für diese unsägliche Aussage.
Schütte: Der Generalsekretär der CDU Ronald Pofalla. Vielen Dank für das Gespräch.
