Christoph Schmitz: Im Vergleich mit Hamburg gebe Berlin vor allem für Hochschulen, Wissenschaft und Kultur deutlich mehr aus, kritisierten heute die Verfassungsrichter in Karlsruhe. Die Ausgabenpolitik der Hauptstadt, da könne unter anderem eingespart werden, damit nicht der Bund bei der Finanzsanierung einspringen muss. Wowereit kündigte am Nachmittag gleich einen strikten Sparkurs an, sie hörten es auch in den Nachrichten. Auch wenn Berlin kulturell nicht auf das Niveau einer Kleinstadt absinken dürfe, so der Bürgermeister und er wurde konkret: Die Staatsoper unter den Linden könne doch vom Bund zur Entlastung des Landes übernommen werden. Monika Grütters, Berliner Kulturpolitikerin und bis vor einem Jahr noch Mitglied im Landtag, jetzt CDU-Bundestagsabgeordnete, sie habe ich gefragt, die Staatsoper als Bundeseinrichtung, wäre doch schön für die Hauptstadt, oder?
Monika Grütters: Die Frage ist, ob das auch schön wäre für den Bund, der bisher solche Aufgaben ganz grundsätzlich nicht übernommen hat, weil - wir hatten gerade eine Föderalismusreform - die Länder auf der Hoheit für ihre Ressorts Bildung und Wissenschaft und Kultur in besonderer Weise ja immer bestehen und ich als ehemalige Landespolitikerin das auch immer verteidigt habe. Es wäre also vom föderalen System her nicht logisch gedacht. Die Frage, die Sie mir stellen, stellen Sie mir wegen der Haushaltsprobleme, die Berlin offensichtlich hat und vor diesem Hintergrund muss sich der Bund dann vielleicht fragen: Gehört es zu den nationalen Aufgaben, auch diese Oper zu sichern, und das heißt, sie zu übernehmen, weil sie in einem finanzschwachen Land steht, was aber zugleich unser aller Hauptstadt ist. Das finde ich eine spannende Frage.
Schmitz: Wie würden Sie die für sich beantworten?
Grütters: Ich für mich würde mir wünschen, dass vor allen Dingen alle drei Opernhäuser hier in Berlin eine faire Überlebenschance bekommen, denn sie sind alle überdurchschnittlich gut und deshalb gibt es in einem Bundesland wie Berlin nicht nur die Berechtigung sie weiterzuführen, sondern vor allen Dingen muss sich die Bundesrepublik fragen: Welche Art Hauptstadt gönnen wir uns? Welche Hauptstadt wollen wir haben? Deutschland ist eine Kulturnation und deshalb ist es wichtig, vor allen Dingen das Gesicht dieser Nation in der Hauptstadt sichtbar zu machen, denn daran wird natürlich auch das Image der Deutschen gemessen. Was in der Hauptstadt kulturell gelingt, wird dem ganzen Land gutgeschrieben, was dort misslingt, wird auch eher der ganzen Nation vorgeworfen.
Schmitz: Das klingt danach: pro Lindenoper in Bundesbesitz. Kommen wir aber doch zu einer anderen Frage: Warum denken die Verfassungsrichter, wenn es um Sparpotentiale in Berlin geht, gerade an Wissenschaft und Kultur? Ist Berlin da wirklich noch, wie es die Richter meinen, vergleichsweise gut ausgestattet?
Grütters: Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich begreife nur, und das macht mich auch ärgerlich, denn man muss natürlich erstens die Geschichte dieser Stadt sehen und zweitens habe ich als Kulturpolitikerin nie etwas anderes getan, als das zu rechtfertigen und zu verteidigen, obwohl Deutschland das Land der Welt ist, dass wenn es über einen einzigen Aspekt ausschließlich positiv wahrgenommen wird, dann ist es die Kultur, die wir hier haben und die wir verteidigen und die wir natürlich auch staatlich finanzieren. Berlin ist ein Land, in dem im Jahr 2020 nur noch jeder Zweite im erwerbsfähigen Alter sein wird und das heißt, wir müssen den Wettbewerb um die Jugend mit aller Kraft führen und diese jungen Leute kommen vor allen Dingen in den Bereichen Bildung und Wissenschaft und Kultur in die Stadt und sie wollen hierher. Aber schon heute schickt dieser Senat vier von fünf Studienplatzbewerbern wieder nach Hause, obwohl das unser aller Zukunft ist und obwohl jeder Studienplatz billiger ist, als die so genannten Transferleistungen, die wir in unsere älteren und jüngeren Mitbürger, die nicht im Erwerbsprozess stehen, leisten müssen. Das ist völlig falsch gedacht. Und insofern kann ich überhaupt nicht begreifen, wie auch von draußen man sich solch ein Urteil anmaßt.
Schmitz: Mal realistisch gesprochen, ohne Hilfen vom Bund, die zu erwarten sind, also die "Nichthilfen", mit einem strikten Sparkurs, wie es Wowereit formulierte, was kommt da auf Berlin, auf das Berliner Kulturleben konkret zu?
Grütters: Ich fürchte, dass die Kritiker wieder Überhand bekommen, die sagen, wir haben zuviel davon und das ist mittelmäßig. Die meisten davon können das gar nicht beurteilen und ich halte denen eine Zahl entgegen: Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat vor ganz kurzer Zeit eine Erhebung bei allen Berlinern gemacht und die haben gesagt, auch in schwierigen Zeiten stehen 30 Prozent der Berliner - und das ist ein sozial schwieriges Land hier - der Kultur positiv gegenüber und nutzen sie regelmäßig und 70 Prozent aller Berliner sind einverstanden mit den Ausgaben, die es hier für Kultur gibt. Es wird eine Stimmungsmache betrieben. Und noch eine Zahl: Nur 1,8 Prozent des Haushaltes gehen überhaupt in die Kultur. Und es gibt nur ein Ressort, was überhaupt noch Geld nach Berlin herein bringt - über den Tourismus vor allen Dingen - und das ist die Kultur ganz vorne ran. Die Menschen kommen hier her, weil sie die Kultur nutzen wollen und die Kulturschaffenden, 65.000 hier, generieren immerhin 2,2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Berlins, das sind 1,6 Milliarden Euro im Jahr, gegenüber 340 Millionen Euro, die in die Kultur rein gesteckt werden. Das ist ein, auch wenn man es nur materiell begreift, krasses Missverhältnis, was hier insinuiert wird. Und dann kommt ja noch hinzu, Kultur ist in aller erster Linie Ausdruck von Humanität und wir müssen uns fragen, wie es um unsere Gesellschaft steht. Da kann man nicht als erstes bei Kultur und bei Bildung sparen.
Schmitz: Die Kulturpolitikerin Monika Grütters über die Folgen für die Berliner Kultur, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Finanzforderung der Stadt nach Bundesmitteln abgewiesen hat.
Monika Grütters: Die Frage ist, ob das auch schön wäre für den Bund, der bisher solche Aufgaben ganz grundsätzlich nicht übernommen hat, weil - wir hatten gerade eine Föderalismusreform - die Länder auf der Hoheit für ihre Ressorts Bildung und Wissenschaft und Kultur in besonderer Weise ja immer bestehen und ich als ehemalige Landespolitikerin das auch immer verteidigt habe. Es wäre also vom föderalen System her nicht logisch gedacht. Die Frage, die Sie mir stellen, stellen Sie mir wegen der Haushaltsprobleme, die Berlin offensichtlich hat und vor diesem Hintergrund muss sich der Bund dann vielleicht fragen: Gehört es zu den nationalen Aufgaben, auch diese Oper zu sichern, und das heißt, sie zu übernehmen, weil sie in einem finanzschwachen Land steht, was aber zugleich unser aller Hauptstadt ist. Das finde ich eine spannende Frage.
Schmitz: Wie würden Sie die für sich beantworten?
Grütters: Ich für mich würde mir wünschen, dass vor allen Dingen alle drei Opernhäuser hier in Berlin eine faire Überlebenschance bekommen, denn sie sind alle überdurchschnittlich gut und deshalb gibt es in einem Bundesland wie Berlin nicht nur die Berechtigung sie weiterzuführen, sondern vor allen Dingen muss sich die Bundesrepublik fragen: Welche Art Hauptstadt gönnen wir uns? Welche Hauptstadt wollen wir haben? Deutschland ist eine Kulturnation und deshalb ist es wichtig, vor allen Dingen das Gesicht dieser Nation in der Hauptstadt sichtbar zu machen, denn daran wird natürlich auch das Image der Deutschen gemessen. Was in der Hauptstadt kulturell gelingt, wird dem ganzen Land gutgeschrieben, was dort misslingt, wird auch eher der ganzen Nation vorgeworfen.
Schmitz: Das klingt danach: pro Lindenoper in Bundesbesitz. Kommen wir aber doch zu einer anderen Frage: Warum denken die Verfassungsrichter, wenn es um Sparpotentiale in Berlin geht, gerade an Wissenschaft und Kultur? Ist Berlin da wirklich noch, wie es die Richter meinen, vergleichsweise gut ausgestattet?
Grütters: Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich begreife nur, und das macht mich auch ärgerlich, denn man muss natürlich erstens die Geschichte dieser Stadt sehen und zweitens habe ich als Kulturpolitikerin nie etwas anderes getan, als das zu rechtfertigen und zu verteidigen, obwohl Deutschland das Land der Welt ist, dass wenn es über einen einzigen Aspekt ausschließlich positiv wahrgenommen wird, dann ist es die Kultur, die wir hier haben und die wir verteidigen und die wir natürlich auch staatlich finanzieren. Berlin ist ein Land, in dem im Jahr 2020 nur noch jeder Zweite im erwerbsfähigen Alter sein wird und das heißt, wir müssen den Wettbewerb um die Jugend mit aller Kraft führen und diese jungen Leute kommen vor allen Dingen in den Bereichen Bildung und Wissenschaft und Kultur in die Stadt und sie wollen hierher. Aber schon heute schickt dieser Senat vier von fünf Studienplatzbewerbern wieder nach Hause, obwohl das unser aller Zukunft ist und obwohl jeder Studienplatz billiger ist, als die so genannten Transferleistungen, die wir in unsere älteren und jüngeren Mitbürger, die nicht im Erwerbsprozess stehen, leisten müssen. Das ist völlig falsch gedacht. Und insofern kann ich überhaupt nicht begreifen, wie auch von draußen man sich solch ein Urteil anmaßt.
Schmitz: Mal realistisch gesprochen, ohne Hilfen vom Bund, die zu erwarten sind, also die "Nichthilfen", mit einem strikten Sparkurs, wie es Wowereit formulierte, was kommt da auf Berlin, auf das Berliner Kulturleben konkret zu?
Grütters: Ich fürchte, dass die Kritiker wieder Überhand bekommen, die sagen, wir haben zuviel davon und das ist mittelmäßig. Die meisten davon können das gar nicht beurteilen und ich halte denen eine Zahl entgegen: Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat vor ganz kurzer Zeit eine Erhebung bei allen Berlinern gemacht und die haben gesagt, auch in schwierigen Zeiten stehen 30 Prozent der Berliner - und das ist ein sozial schwieriges Land hier - der Kultur positiv gegenüber und nutzen sie regelmäßig und 70 Prozent aller Berliner sind einverstanden mit den Ausgaben, die es hier für Kultur gibt. Es wird eine Stimmungsmache betrieben. Und noch eine Zahl: Nur 1,8 Prozent des Haushaltes gehen überhaupt in die Kultur. Und es gibt nur ein Ressort, was überhaupt noch Geld nach Berlin herein bringt - über den Tourismus vor allen Dingen - und das ist die Kultur ganz vorne ran. Die Menschen kommen hier her, weil sie die Kultur nutzen wollen und die Kulturschaffenden, 65.000 hier, generieren immerhin 2,2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Berlins, das sind 1,6 Milliarden Euro im Jahr, gegenüber 340 Millionen Euro, die in die Kultur rein gesteckt werden. Das ist ein, auch wenn man es nur materiell begreift, krasses Missverhältnis, was hier insinuiert wird. Und dann kommt ja noch hinzu, Kultur ist in aller erster Linie Ausdruck von Humanität und wir müssen uns fragen, wie es um unsere Gesellschaft steht. Da kann man nicht als erstes bei Kultur und bei Bildung sparen.
Schmitz: Die Kulturpolitikerin Monika Grütters über die Folgen für die Berliner Kultur, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Finanzforderung der Stadt nach Bundesmitteln abgewiesen hat.