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CDU-Politiker Altmaier gibt Regierung Drei plus

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, zieht nach 100 Tagen Schwarz-Gelb eine gemischte Bilanz: Deutschland sei viel besser durch die Krise gekommen als andere. Allerdings würden viele Menschen nicht verstehen, dass es "Streitereien in der Koalition" gegeben habe.

Peter Altmaier im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Peter Altmaier (CDU), der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Union-Bundestagsfraktion. Guten Morgen.

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Altmaier, Sie haben Sabine Adlers Zensur gehört: Vier bis Fünf. Ihre Wertung? Welche Note verdient die christlich-liberale Koalition nach 100 Tagen?

    Altmaier: Die Zensuren vergibt natürlich der Wähler alle vier Jahre. Insofern müssen wir auch bescheiden sein. Trotzdem meine ich, dass man sich ein bisschen am Sport orientieren kann, wo unterschieden wird zwischen Pflicht und Kür.

    Wenn es um die Pflicht geht, sind die Noten gar nicht schlecht, weil Deutschland eigentlich viel besser durch die Krise kommt als alle anderen, fast alle anderen Länder in Europa und weltweit. Das hat zu tun mit der umsichtigen Führung durch Angela Merkel und das wird von den Menschen auch anerkannt im Übrigen.

    Und dann gibt es das, was man Haltungsnoten nennt, das ist die Kür, und da ist es in der Tat so, dass viele Menschen nicht verstehen, dass es Diskussionen gegeben hat, dass es Streitereien gegeben hat. Hier muss die Koalition besser werden, dazu ist sie auch entschlossen. Und ich denke, wir können zwei Lehren ziehen aus den letzten Wochen. Zum einen: Es muss deutlich werden, dass Politik für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen gemacht werden muss von dieser Regierung, wie es auch im Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Fall ist.

    Und zum Zweiten: Die Partner einer Koalition gewinnen nicht, wenn sie versuchen, sich gegeneinander zu profilieren. Die CDU hat diese Maxime von Anfang an beherzigt und die CDU steht übrigens in den Meinungsumfragen heute besser da, als zum Zeitpunkt der Bundestagswahl.

    Heinemann: Und Ihre Gesamtnote zwischen eins und sechs lautete dann wie?

    Altmaier: Die Gesamtnote wäre aus meiner Sicht ein gutes Befriedigend. Das heißt, wir haben die Hauptherausforderung, die Menschen nämlich zu schützen vor den Auswirkungen der Krise, viel besser bewältigt, als man uns das vor einem oder eineinhalb Jahren zugetraut hätte.

    Wir können aber sicherlich noch einiges nach oben verbessern und wir wollen, wenn die vier Jahre um sind, kein befriedigend haben, sondern irgendwo eine Note zwischen gut und sehr gut.

    Heinemann: Also Drei bis Drei plus. Laut ZDF-Politbarometer sind rund 70 Prozent der Bürger der Auffassung, dass sich die Koalition an den Interessen einzelner gesellschaftlicher Gruppen orientiere, nicht am Gemeinwohl. Warum wohl?

    Altmaier: Ich glaube, dass das damit zu tun hat, dass wir zugelassen haben, dass einzelne isolierte Fragen wie die von Frau Adler angesprochenen Mehrwertsteuerermäßigungen im Hotelbereich die Arbeit der Koalition insgesamt dominiert und überlagert haben.

    Wir haben dafür gesorgt, dass Millionen von Bürgerinnen und Bürgern vor Beitragssteigerungen verschont geblieben sind. Wir haben durch kluge Kurzarbeiterregelungen, die jetzt anderswo in Europa nachgeahmt werden, dafür gesorgt, dass Millionen von Arbeitsplätzen erhalten werden konnten. Das alles ist Politik im Interesse der Gesamtheit der Bevölkerung und deshalb darf man da nicht zulassen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung unsere Arbeit auf ein oder zwei relativ kleine, relativ unbedeutende Punkte reduziert wird, die dann aber dazu beitragen können, dass die Haltungsnoten insgesamt schlechter werden, und ich hoffe, dass die Koalition auch imstande ist, aus dieser Erfahrung der letzten beiden Monate zu lernen.

    Heinemann: Wobei man noch dazu sagen muss, dass die Beiträge sehr wohl steigen. Sie heißen dann nur jetzt Zusatzbeiträge. Herr Altmaier, ist diese Regierung oder sind Teile dieser Regierung käuflich?

    Altmaier: Das ist ein Punkt, der mir sehr wichtig ist, weil damit, mit derartigen leichtfertigen Behauptungen auch das Vertrauen in das politische System insgesamt untergraben wird. Diese Regierung ist nicht käuflich. Ich behaupte im Übrigen, keine Partei in Deutschland, die im Bundestag vertreten ist, ist käuflich, weil wir unsere politischen Entscheidungen nicht nach irgendwelchen Interessen von einzelnen ausrichten, sondern nach unseren politischen Überzeugungen.

    Wir kämpfen auf Parteitagen. Wir diskutieren manchmal auch sehr kontrovers und hart in der Sache. Das billige ich der Opposition zu, das nehme ich aber auch für die CDU/CSU und für die Partner dieser Koalition in Anspruch.

    Heinemann: Ein Unternehmen spendet Regierungsparteien einen Millionenbetrag. Anschließend wird die Berufsgruppe, zu der dieses Unternehmen gehört, steuerlich entlastet. Ein solches Verhalten kennzeichnet Bananenrepubliken.

    Altmaier: Herr Heinemann, wir haben darüber im Bundestag vor 14 Tagen diskutiert, auf einen Antrag der Grünen hin. Und ich habe dann nachgewiesen, dass die Grünen seit vielen Jahren Spenden bekommen von Windparkbetreibern und Betreibern alternativer Energieerzeugung. Und die wurden unter Verantwortung der Grünen massiv steuerlich entlastet.

    Heinemann: Macht es das besser?

    Altmaier: Die SPD hat Spenden bekommen von Automobilherstellern. Sie hat sich eingesetzt für die Abwrackprämie, die die Automobilunternehmen in Milliardenhöhe begünstigt hat - übrigens nicht, um die Unternehmen zu begünstigen, sondern um Arbeitsplätze zu retten. Das haben wir in der Großen Koalition gemeinsam gemacht.

    Ich glaube, es ist nicht fair und es ist nicht richtig, wenn man sagt, man darf dann, wenn man sich für eine bestimmte Maßnahme eingesetzt hat, aus einem bestimmten Bereich keine Spenden mehr annehmen. Das geschieht bei allen im Bundestag vertretenen Parteien, wenn Sie die Rechenschaftsberichte anschauen. Und deshalb glaube ich hat hier die Opposition der Versuchung nachgegeben, sich mit vordergründigen Vorwürfen zu profilieren. In der Sache ist es so, dass die Spende an die FDP, um die es geht, nach den rechtlichen und gesetzlichen Vorschriften einwandfrei zustande gekommen und publiziert worden ist.

    Heinemann: Muss eine Regierung nicht schon den bloßen Anschein der Käuflichkeit vermeiden?

    Altmaier: Ja, und das tun wir auch. Angela Merkel ist deshalb mit die populärste Bundeskanzlerin, die Deutschland jemals gehabt hat in den letzten Jahren, weil sie eben glaubhaft in ihrer Person darstellt, dass wir Politik für die gesamte Bevölkerung machen.

    Heinemann: Die eben genannten Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache, Herr Altmaier.

    Altmaier: Das ist nun in der Tat die Pflicht und Verantwortung eines jeden einzelnen Koalitionspartners.

    Heinemann: Die eben genannten Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. Wie gesagt: 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger glauben, dass es nicht um das Allgemeinwohl geht. Ein wildes Hü und Hott erleben wir auch in der Steuerpolitik. Selbst wenn die Steuerschätzung im Mai, die ja für die Regierung Gott lob nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht wird, besser ausfallen sollte als befürchtet, sehen führende Wirtschaftswissenschaftler keinen Spielraum für Steuersenkungen. Rechnen Sie damit, dass die FDP umfallen wird?

    Altmaier: Wir haben uns in der Koalition schon zu Zeiten der Großen Koalition auf ein Prinzip geeinigt, nämlich in dieser Krise auf Sicht zu fahren. Das heißt, wir müssen immer wieder schauen, wie entwickelt sich die wirtschaftliche Lage, welche Handlungsspielräume gibt es. Insofern ist die Steuerschätzung, die vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kommt - das heißt, die Menschen werden das Ergebnis kennen, wenn sie wählen, nicht irgendein Datum, sondern ein sehr wichtiges Datum.

    Dann haben alle Beteiligten die Verantwortung, vor diesem Hintergrund ihre Haltung noch einmal daraufhin zu überprüfen, was realistisch und was machbar ist, und ich kann nur sagen, für mich sind die Empfehlungen, die von den Wirtschaftssachverständigen abgegeben werden, wichtige Leitlinien. Die Entscheidung trifft allerdings anschließend die Politik.

    Heinemann: Stichwort Gesundheitspolitik. Mit Schwarz-Gelb für und gegen die Kopfpauschale. Bleibt es dabei?

    Altmaier: Wir müssen zunächst einmal sehen, dass wir eine Diskussion haben über Zusatzbeiträge. Diese Zusatzbeiträge sind von der Großen Koalition unter Verantwortung der damaligen Gesundheitsministerin mit uns gemeinsam eingeführt worden, weil wir damit mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem wollen und auch Wahlfreiheit für die Versicherten. Ich glaube, dass dieses System am Ende dazu führen wird, dass die große Mehrheit der Versicherten vor Beitragsanstiegen verschont bleibt.

    Daneben haben wir im Koalitionsvertrag ein ehrgeiziges Reformziel uns vorgenommen, nämlich das hohe Niveau der Gesundheitsversorgung in Deutschland dauerhaft zu sichern, und hier sollten wir dem Bundesgesundheitsminister Rösler die Gelegenheit geben, ein durchdachtes, ein vernünftiges Konzept vorzulegen, und dann wird man entscheiden müssen, ob dieses Konzept finanzierbar ist und ob es in die Praxis umgesetzt werden kann.

    Heinemann: Peter Altmaier, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Union-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Altmaier: Ich danke Ihnen, Herr Heinemann.