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Ceausescu-Hinrichtungsort als Touristenattraktion

Im südrumänischen Targoviste wurde der Diktator Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena hingerichtet. Das Paar wurde im Dezember 1989 drei Tage festgehalten und nach einem richterlichen Eilverfahren am 1. Weihnachtsfeiertag erschossen. Künftig können Touristen eine Ausstellung in den Kasernenräumen besichtigen

Von Annett Müller | 05.09.2013
    Die südrumänische Kleinstadt Targoviste war der Hinrichtungsort des Diktators Nicolae Ceausescu und seiner Frau Elena. Vom 06.09.2013 an sind in der früheren Militärkaserne die Räume zu sehen, in denen die Ceausescus im Dezember 1989 drei Tage festgehalten wurde und in einem Eilverfahren das Todesurteil vollstreckt wurde. Kommentieren wolle man die Geschehnisse in der Ausstellung aber nicht, heißt es vom Geschichtsmuseum. Denn damit würde man wohl eine Diskussion anstoßen, warum die Revolution so gewaltsam ablief.

    Die Hinrichtung der Ceausescus war eine Angelegenheit von Sekunden, sagt Dorin Carlan. Der einstige Unteroffizier war am ersten Weihnachtsfeiertag 1989 in eine Militärkaserne im südrumänischen Targoviste eingeflogen worden. Mit zwei Kameraden seines Fallschirmjäger-Regiments sollte er das im Volk verhasste Ehepaar erschießen - mit Kalaschnikow-Schnellfeuergewehren:

    "Ich habe noch Tränen in den Augen von Ceausescu gesehen. Er holte tief Luft und rief, es lebe die Republik Rumänien. Die Geschichte werde ihn rächen. Dann stimmte er die Internationale an. Noch bevor er fertig war, begannen wir die beiden zu erschießen."

    Das Todesurteil war zuvor im Eilverfahren gefällt worden. Die neuen Machthaber hatten in Targoviste ein Sondergericht einberufen. Historiker sagen heute, der Prozess habe nur der Form halber stattgefunden. Carlan war damals dabei:

    "Der Verteidigungsminister nahm uns vor dem Prozess in der Kaserne beiseite und erklärte die Details. Er führte uns bis zur Hinrichtungsmauer. Er sagte sogar, wie viel Schüsse wir auf die Ceausescus abgeben sollten. Das alles stand schon vor der Verhandlung fest. Das war ein reiner Schauprozess."

    Jetzt wollen die Behörden Touristen an den Hinrichtungsort locken. Die seit Jahren leer stehende Militärkaserne ist wieder so hergerichtet wie im Jahr 1989, als Nicolae und Elena Ceausescu hier drei Tage lang festgehalten wurden. Sie schliefen auf harten Militärbetten, aßen aus Aluminiumgeschirr. Das luxusverwöhnte Ehepaar ahnte damals nicht, dass es bereits entmachtet war und auf den Tod wartete. Im einstigen Prozesssaal hören Besucher die Originalverhandlung.

    Anders als in den Revolutionswirren 1989 bedauert inzwischen die Mehrheit der Rumänen die Hinrichtung des langjährigen Diktators – vor allem wegen des zweifelhaften Gerichtsverfahrens. Das neue Museum, so jubelt die rumänische Presse in diesen Tagen, werde diese Diskussion neu entfachen. Doch Museumsdirektor Ovidiu Carstina winkt ab:

    "Wir gestalten diese Ausstellung so neutral wie möglich. Wir wollen auch keine Beweise liefern, was für ein Prozess hier geführt wurde. Wir stehen dem Ereignis distanziert gegenüber. Denn die meisten, die am Prozess beteiligt waren, ob Anwälte, Verteidiger und Richter, sind noch am Leben. Wir werden uns hüten, sie zur Schau zu stellen."

    Ausstellen statt erklären, lautet die Devise. Dabei gebe es so vieles zu klären: Warum ließen die neuen Machthaber die Ceausescus nicht am Leben? Wer trägt die Schuld an den tagelangen blutigen Straßenkämpfen zwischen Armee und Zivilisten? Fast tausend Menschen starben damals - obwohl das Diktatoren-Paar bereits verhaftet war. Seit über zwei Jahrzehnten untersucht die Staatsanwaltschaft die Revolution, Täter hat sie allerdings nur wenige ermittelt.

    Stattdessen konnte die in die Ereignisse verstrickte kommunistische Parteielite ihre Macht ausbauen. Heute tummelt sie sich vor allem in der regierenden linken PSD. Ausgerechnet diese Partei hat nun in Targoviste entschieden, die Hinrichtungsstätte der Ceausescus zu vermarkten. Historiker Marius Oprea stimmt das nachdenklich. Er arbeitet seit Jahren den Kommunismus auf:


    "Hier wird eine Pilgerstätte für Nostalgiker aufgemacht. Wir haben mehr von denen als andere osteuropäische Länder, weil wir größere wirtschaftliche Probleme haben. Und zugleich haben die Kommunisten keine Skrupel damit, mit Ceausescu jetzt Geld zu machen."

    Schon zu den anderen Ceausescu-Stätten, wie beispielsweise seinem Bukarester Mega-Palast, zieht es jährlich über 140.000 Besucher. Die Kreisbehörden in Targoviste spekulieren nun auf gute Einnahmen. Auch Dorin Carlan verdient an diesem Teil der rumänischen Geschichte mit. Eine schwedische Touristengruppe hat sich bei ihm angekündigt – er wird sie bis zur Mauer führen, wo er die Ceausescus hingerichtet hat.

    "Sie mussten zum Tode verurteilt werden. Das wollten wir damals alle. Und ich bin heute noch dafür. Sicher - dass wir sie am ersten Weihnachtstag hingerichtet haben, ist eine Schande für unsere christliche Nation. Doch ich erinnere mich, dass nach der Hinrichtung dicke Schneeflocken fielen. Als wollte uns der Herrgott zeigen, wie zufrieden er war."