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Celesio – vom Großhändler zum Gesundheitsdienstleister

Im zweiten Teil der Serie: Pharmagroßhändler Celesio - vor allem bekannt durch die Apothekenkette Doc Morris. Der Konzern befindet sich in ständiger Transformation - und wandelt sich immer mehr zum Gesundheitsdienstleister.

Von Michael Braun | 03.09.2010
    " ... Lippenherpescreme ... " "Ist für Sie?" "Ja."

    Es passiert täglich überall in Deutschland: ein Einkauf in der Apotheke. Dieser Mann will ein Herpes-Präparat.

    "Der Herpes ist so eine virale Erkrankung, also immer bei dem ersten Kribbeln schon auftragen, ja?"

    Andrea Martini bedient und berät ihren Kunden. Sie führte diese Apotheke in Frankfurts Innenstadt zuerst als "Apotheke am Gallileo". Jetzt heißt sie "Doc Morris Apotheke am Gallileo". Es war vor drei Jahren eine der ersten freien Apotheken, die in eine Apothekenkette eingebracht wurde. Im Verkaufsraum fallen Kunden Kosmetika, Sonnenmilch und Hustenbonbons ins Auge – wie in jeder anderen Apotheke auch. Anders der Farbeindruck: grüne Regale, grüne Theke, grünes Neonlicht. Die Apotheke macht deutlich darauf aufmerksam, Teil einer Kette zu sein.

    Andrea Martini hatte Hoffnungen, als sie ihre selbstständige Apotheke ins Franchisesystem von Doc Morris einbrachte, Hoffnung auf professionelles Marketing, auf steigende Umsätze, auf die Einkaufsmacht eines Verbundes. Schließlich gehört Doc Morris seit gut drei Jahren dem Stuttgarter Pharmagroßhändler Celesio. Und dessen Vorstand Fritz Oesterle hat damit viel vor:

    "Doc Morris ist ein ganz wichtiger Baustein unserer künftigen Strategie, allerdings nicht im ersten Gesundheitsmarkt, im staatlich regulierten Gesundheitsmarkt. Doc Morris wird für uns insbesondere dort als Marke wichtig sein, wo wir uns im zweiten Gesundheitsmarkt bewegen, also in dem Gesundheitsmarkt, wo der Einzelne eigenes Geld für seine Gesundheit einsetzt."

    Es scheint noch ein weiter Weg. Denn Apothekerin Andrea Martini steht zwar zu ihrer Entscheidung, Teil einer Kette zu sein. Enttäuschungen hat sie aber auch kennengelernt:

    "Ich muss da leider sagen, meine Erwartungen haben sich bislang nicht ganz erfüllt. Bezüglich des Umsatzes kann ich feststellen, dass er sich noch nicht so ausgeweitet hat, wie ich das erwartet habe. Das liegt zum einen natürlich an auch an gesundheitspolitischen Änderungen und zum anderen natürlich daran, dass mir Zusatzkosten beziehungsweise auch hohe Anfangsinvestitionen entstanden sind, das heißt, die Umrüstung von einer normalem Apotheke in eine Doc-Morris-Markenpartner-Apotheke."

    Schwierigkeiten hat sie auch damit, dass Doc Morris als Versandapotheke bekannt geworden ist und dieses Geschäft weiter betreibt. Zwei unterschiedliche Vertriebswege, zwei unterschiedliche Kostenstrukturen. An der Basis, in der Apotheke, muss dieses Konzept oft im Konflikt mit dem Kunden erklärt werden:

    "Was ein weiteres Problem für uns ist, dass die Kunden zu uns in die Apotheke kommen und zu Preisen einkaufen wollen, die es in der Versandapotheke gibt. Das können wir in der Breite natürlich nicht anbieten, da wir die Kosten einer Präsenzapotheke haben und wir auf die intensive Beratung neben den günstigen Preisen auch nicht verzichten wollen."

    Zusätzlich müssen die Doc Morris-Apotheker noch die Kritik aushalten, die die Verbände der freien Apotheker verschicken. Als die Stiftung Warentest kürzlich das Beratungsangebot in freien und an Ketten gebundenen Apotheken testete, kamen die Apothekenketten nicht gut weg. Und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände verbreitete genüsslich dazu ihren Kommentar im Internetangebot ihrer Pressestelle:

    "Die Vorort-Apotheke schneidet sehr gut ab auch im Vergleich zu den vorherigen Tests. Die Versandapotheke schneidet sehr schlecht ab, noch schlechter als in den vergangenen Jahren ohnehin schon. Der Verbraucher ist hier sehr schlecht beraten und wird auch schlecht versorgt."

    Der Doc-Morris-Eigentümer Celesio ist derweilen schon weiter. Fast 82 Prozent seines Umsatzes von 21,5 Milliarden Euro entfallen auf den Pharmagroßhandel. Der bringt aber nur gut 55 Prozent des operativen Gewinns. Bei den Apotheken ist es umgekehrt: Der Gewinnanteil liegt mit gut 42 Prozent deutlich über dem Umsatzanteil mit 16 Prozent. Mit wenig Umsatz viel verdienen – diesen Weg will Celesio weitergehen. Und der Weg führt in die Dienstleistung.

    So werden Räume angemietet und mit einer Krankenschwester besetzt. Das nennt sich dann Wundzentrum und soll allen dienen: natürlich Celesio, den Apotheken, den Krankenkassen und natürlich den Patienten. Celesio-Vorstand Fritz Oesterle:

    "Wir wollen in Zusammenarbeit mit den Kunden unseres Großhandels, mit den Apotheken, hier eine deutliche Verbesserung der Wundversorgung erreichen. Ordnungsgemäß versorgte Wunden schließen in einer viel, viel kürzeren Zeit, als Wunden, die nicht ordnungsgemäß versorgt werden. Da braucht man unglaublich lang, da müssen die Arzneimittel, die Wundverbände viel, viel länger angewandt werden. Das führt bei den Krankenkassen, bei denen, die zahlen und aufkommen müssen, zu einem Vielfachen der Kosten einer ordnungsgemäßen Versorgung."

    Nicht bloß zu sparen, sondern mehr Effizienz ins Gesundheitssystem zu bringen, das treibt Oesterle an. Deshalb er in den Niederlanden ein Gemeinschaftsunternehmen mit der amerikanischen Medco Health Solutions gegründet. Das Ziel, über intensiven Datenabgleich die angemessene Therapie für jede Patientengruppe zu finden. Der Pharmagroßhändler Celesio wandelt sich immer mehr zum Gesundheitsdienstleister:

    "Wir sind in einer Transformation im Markt unterwegs. Das heißt nicht, dass wir nicht mehr das gleiche Gewicht auf den Großhandel – das ist eines unserer Tätigkeitssegmente - legen würden, aber wir haben additive Geschäftsmodelle - additive, nicht alternative -, die wir sukzessive entlang der Marktveränderung jetzt entwickeln."