Hat ihm der Klang des Cellos doch zumindest ein bisschen gefallen, dachten sich der norwegische Cellist Truls Mørk und die britische Pianistin Kathryn Stott. Und sie fühlten sich dazu ermuntert, Cello-Bearbeitungen von Chopin'schen Klavierstücken zusammenzutragen, sie mit den beiden Originalkompositionen zu koppeln und auf ihrer neuesten CD zu präsentieren.
Sie trägt den Titel "Nocturne", ist bei Virgin Classics erschienen und heute Morgen unsere "Neue Platte" im Deutschlandfunk.
" Musikbeispiel: Frédéric Chopin - Prélude, op.28/6 "
"Für mich ist das Cello in erster Line ein singendes Instrument!" bekennt Truls Mørk. Und sein Montagnana-Cello aus dem Jahr 1723 macht auf der neuen CD kaum etwas anderes: Es singt und atmet. Zum einen, weil Truls Mørk ein Meister darin ist, seinem Instrument eine gleichsam menschliche Stimme zu entlocken. Zum anderen aber, weil die kurzen Klavierstücke, für Kathryn Stott und er sich entschieden haben, von sanglichen Linien, von sentimental-schwelgerischen Melodien geprägt sind. Die beiden Künstler haben nicht die virtuosen, halsbrecherischen Klavier-Etüden Chopins ausgewählt, die Show-Pieces, mit denen flinke Finger beeindrucken können; Stott und Mørk haben die lyrischen, die getragenen Nocturnes, Préludes und Étuden herausgesucht. Denn die lassen sich regelrecht zerlegen: in gleichmäßige Begleitfiguren, die das Klavier liefert, und eine darüber förmlich schwebende Kantilene für das Violoncello.
Das mag nach einem einfachen Strickmuster klingen, das Frédéric Chopin zigfach wiederholt hat. Nach dem Motto: Die linke Hand - hier also das Klavier - rattert im nötigen Rhythmus, während sich die rechte Hand - das Cello - der wahren Musik widmen darf. Doch das wäre viel zu kurz gegriffen: Chopin widmet beiden Ebenen seine ganze Kreativität - gelegentlich sind es auch mehr als zwei. Da klingt nichts nach "Schema F", sondern ganz im Gegenteil: Jede Miniatur ist prallvoll mit originärem Material gefüllt und beschränkt sich doch auf das Nötigste. Reichtum und Bescheidenheit zugleich. Wie in Chopins Prélude op.28 Nr. 4.
" Musikbeispiel: Frédéric Chopin - Prélude, op. 28/4 "
Bei dem 4. Prélude aus Chopins opus 28 haben der Cellist Truls Mørk und die Pianistin Kathryn Stott selbst zum Skalpell gegriffen und die Klaviernoten fein säuberlich voneinander getrennt - in einen Cello- und in einen Klavierpart. Das Booklet der neuen Virgin-Classics-CD weist die beiden Interpreten als Bearbeiter aus. Dort ist auch zu lesen, dass sie nicht die ersten mit dieser Idee gewesen sind, sondern dass zuvor bereits Komponistengrößen wie Sergej Tanejew und Alexander Glasunow aus eins zwei gemacht haben und Chopins lyrische Klavierstücke für Klavier und Violoncello bearbeitet haben. Bei einigen Werken schweigt sich das Heft allerdings aus: Die Frage, welcher Arrangeur da Hand angelegt hat, bleibt unbeantwortet. So wie auch der Begleittext so manch eine Information schuldig bleibt: Die beiden Originalkompositionen - die Cellosonate und die Polonaise brillante - werden in aller Ausführlichkeit beschrieben; dabei sind sie in jedem Kammermusikführer zu finden. Interessant wäre doch vielmehr, was Tanejew und Glasunow zu ihren Bearbeitungen bewogen hat oder was Truls Mørk und Kathryn Stott bei ihren Arrangements beachtet haben, was ihnen wichtig war. Leider kommt man wieder einmal zu dem Ergebnis: Aufschlussreiche Booklets sind nicht die Sache der großen Major-Labels. Das überlassen sie den kleinen Plattenfirmen, die - ehrlich gesagt - auch viel mehr davon verstehen.
Durch die Musik jedoch gibt die neue CD von Truls Mørk und Kathryn Stott so manch eine Lektion: Sie liefert zum Beispiel den Beweis dafür, dass Frédéric Chopin seine Étuden nicht zum stupiden Üben geschrieben hat; sie sollen nicht bloß helfen, technische Probleme zu bewältigen, sondern auch die Ausdrucksfähigkeit trainieren. Jedes "Studierstück" besitzt seinen eigenen
musikalischen Wert, kann daher auch bestens einzeln gespielt werden.
Etwa zum Schluss der CD: die Étude op.10 Nr. 6.
" Musikbeispiel: Frédéric Chopin - Étude op.10/6 "
"Einen der großen Cellomeister unserer Tage" nennt der Musikkritiker und Streicherexperte Harald Eggebrecht den Norweger Truls Mørk in seinem neuen Buch "Große Cellisten". In der Tat ist er das - ein großer Cellist! Truls Mørk verfügt über eine breite Palette an Klangfarben, spieltechnische Hürden scheinen für ihn nicht zu existieren, er wechselt souverän zwischen den Epochen, ist als Kammermusikpartner ebenso gefragt wie als Solist. Und ihm gelingt genau das, was er an seinem Idol Rostropowitsch so sehr schätzt: "Bei ihm klang das Cello nicht wie ein schwierig zu spielendes Instrument", erinnert er sich an den Ton des legendären Slawa. Auch Truls Mørk hört man keine technische Mühe an, aber emotionale Anstrengung. Und das ist ein großes Glück! Denn seine bedingungslose Kontrolle über das Instrument würde sonst belanglos werden, perfekt und allzu glatt wirken. Aber - Gott sei Dank - weiß er das zu verhindern.
Auch seine Klavierpartnerin, die Britin Kathryn Stott, ist eine erfahrene Musikerin, die in ihrer bisherigen Karriere schon so ziemlich alles gespielt hat, was das Repertoire zu bieten hat. Einen Namen hat sie sich im internationalen Musikgeschäft hauptsächlich als Begleiterin gemacht, nicht zuletzt durch ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Cellostar Yo-Yo Ma. Klickt man sich durch ihre Homepage, wird einem fast schwindlig von den pausenlosen Konzertreisen, Promotiontourneen, Neuveröffentlichungen und Lehrverpflichtungen der Kathryn Stott. Sie muss ein Arbeitstier sein, sonst könnte sie solch ein Pensum nicht absolvieren. Eine zuverlässige Begleiterin ist sie allemal. Bei den Étuden, Nocturnes und Préludes ist ihre Rolle manchmal so gering, das sie kaum darin glänzen kann. Aber bei Chopins Cellosonate kommt Kathryn Stott zu ihrem Recht und darf ihr Können unter Beweis stellen - als Tastenlöwin und als feinfühlige Kammermusikpartnerin. Stott und Mørk treiben die Kunst des Chopin-typischen ‚tempo rubato' in der Cellosonate bisweilen auf die Spitze: Durch geringfügige Tempoverschiebungen erzielen sie größtmöglichen Effekt. Mal prescht der eine vor, mal bremst der andere ab.
Ganz besonders mit den Noten auf den Knien ist es eine helle Freude, den beiden souveränen Musikern dabei zuzuhören!
" Musikbeispiel: Frédéric Chopin - Finale aus Sonate für Violoncello und Klavier g-moll, op. 65 "
Truls Mørk, Violoncello, und Kathryn Stott, Klavier. "Nocturne" heißt ihre gemeinsame CD, die gerade bei Virgin Classics erschienen ist.
Darauf: Originalkompositionen von Frédéric Chopin und Bearbeitungen seiner Werke für Violoncello und Klavier.
Sie trägt den Titel "Nocturne", ist bei Virgin Classics erschienen und heute Morgen unsere "Neue Platte" im Deutschlandfunk.
" Musikbeispiel: Frédéric Chopin - Prélude, op.28/6 "
"Für mich ist das Cello in erster Line ein singendes Instrument!" bekennt Truls Mørk. Und sein Montagnana-Cello aus dem Jahr 1723 macht auf der neuen CD kaum etwas anderes: Es singt und atmet. Zum einen, weil Truls Mørk ein Meister darin ist, seinem Instrument eine gleichsam menschliche Stimme zu entlocken. Zum anderen aber, weil die kurzen Klavierstücke, für Kathryn Stott und er sich entschieden haben, von sanglichen Linien, von sentimental-schwelgerischen Melodien geprägt sind. Die beiden Künstler haben nicht die virtuosen, halsbrecherischen Klavier-Etüden Chopins ausgewählt, die Show-Pieces, mit denen flinke Finger beeindrucken können; Stott und Mørk haben die lyrischen, die getragenen Nocturnes, Préludes und Étuden herausgesucht. Denn die lassen sich regelrecht zerlegen: in gleichmäßige Begleitfiguren, die das Klavier liefert, und eine darüber förmlich schwebende Kantilene für das Violoncello.
Das mag nach einem einfachen Strickmuster klingen, das Frédéric Chopin zigfach wiederholt hat. Nach dem Motto: Die linke Hand - hier also das Klavier - rattert im nötigen Rhythmus, während sich die rechte Hand - das Cello - der wahren Musik widmen darf. Doch das wäre viel zu kurz gegriffen: Chopin widmet beiden Ebenen seine ganze Kreativität - gelegentlich sind es auch mehr als zwei. Da klingt nichts nach "Schema F", sondern ganz im Gegenteil: Jede Miniatur ist prallvoll mit originärem Material gefüllt und beschränkt sich doch auf das Nötigste. Reichtum und Bescheidenheit zugleich. Wie in Chopins Prélude op.28 Nr. 4.
" Musikbeispiel: Frédéric Chopin - Prélude, op. 28/4 "
Bei dem 4. Prélude aus Chopins opus 28 haben der Cellist Truls Mørk und die Pianistin Kathryn Stott selbst zum Skalpell gegriffen und die Klaviernoten fein säuberlich voneinander getrennt - in einen Cello- und in einen Klavierpart. Das Booklet der neuen Virgin-Classics-CD weist die beiden Interpreten als Bearbeiter aus. Dort ist auch zu lesen, dass sie nicht die ersten mit dieser Idee gewesen sind, sondern dass zuvor bereits Komponistengrößen wie Sergej Tanejew und Alexander Glasunow aus eins zwei gemacht haben und Chopins lyrische Klavierstücke für Klavier und Violoncello bearbeitet haben. Bei einigen Werken schweigt sich das Heft allerdings aus: Die Frage, welcher Arrangeur da Hand angelegt hat, bleibt unbeantwortet. So wie auch der Begleittext so manch eine Information schuldig bleibt: Die beiden Originalkompositionen - die Cellosonate und die Polonaise brillante - werden in aller Ausführlichkeit beschrieben; dabei sind sie in jedem Kammermusikführer zu finden. Interessant wäre doch vielmehr, was Tanejew und Glasunow zu ihren Bearbeitungen bewogen hat oder was Truls Mørk und Kathryn Stott bei ihren Arrangements beachtet haben, was ihnen wichtig war. Leider kommt man wieder einmal zu dem Ergebnis: Aufschlussreiche Booklets sind nicht die Sache der großen Major-Labels. Das überlassen sie den kleinen Plattenfirmen, die - ehrlich gesagt - auch viel mehr davon verstehen.
Durch die Musik jedoch gibt die neue CD von Truls Mørk und Kathryn Stott so manch eine Lektion: Sie liefert zum Beispiel den Beweis dafür, dass Frédéric Chopin seine Étuden nicht zum stupiden Üben geschrieben hat; sie sollen nicht bloß helfen, technische Probleme zu bewältigen, sondern auch die Ausdrucksfähigkeit trainieren. Jedes "Studierstück" besitzt seinen eigenen
musikalischen Wert, kann daher auch bestens einzeln gespielt werden.
Etwa zum Schluss der CD: die Étude op.10 Nr. 6.
" Musikbeispiel: Frédéric Chopin - Étude op.10/6 "
"Einen der großen Cellomeister unserer Tage" nennt der Musikkritiker und Streicherexperte Harald Eggebrecht den Norweger Truls Mørk in seinem neuen Buch "Große Cellisten". In der Tat ist er das - ein großer Cellist! Truls Mørk verfügt über eine breite Palette an Klangfarben, spieltechnische Hürden scheinen für ihn nicht zu existieren, er wechselt souverän zwischen den Epochen, ist als Kammermusikpartner ebenso gefragt wie als Solist. Und ihm gelingt genau das, was er an seinem Idol Rostropowitsch so sehr schätzt: "Bei ihm klang das Cello nicht wie ein schwierig zu spielendes Instrument", erinnert er sich an den Ton des legendären Slawa. Auch Truls Mørk hört man keine technische Mühe an, aber emotionale Anstrengung. Und das ist ein großes Glück! Denn seine bedingungslose Kontrolle über das Instrument würde sonst belanglos werden, perfekt und allzu glatt wirken. Aber - Gott sei Dank - weiß er das zu verhindern.
Auch seine Klavierpartnerin, die Britin Kathryn Stott, ist eine erfahrene Musikerin, die in ihrer bisherigen Karriere schon so ziemlich alles gespielt hat, was das Repertoire zu bieten hat. Einen Namen hat sie sich im internationalen Musikgeschäft hauptsächlich als Begleiterin gemacht, nicht zuletzt durch ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Cellostar Yo-Yo Ma. Klickt man sich durch ihre Homepage, wird einem fast schwindlig von den pausenlosen Konzertreisen, Promotiontourneen, Neuveröffentlichungen und Lehrverpflichtungen der Kathryn Stott. Sie muss ein Arbeitstier sein, sonst könnte sie solch ein Pensum nicht absolvieren. Eine zuverlässige Begleiterin ist sie allemal. Bei den Étuden, Nocturnes und Préludes ist ihre Rolle manchmal so gering, das sie kaum darin glänzen kann. Aber bei Chopins Cellosonate kommt Kathryn Stott zu ihrem Recht und darf ihr Können unter Beweis stellen - als Tastenlöwin und als feinfühlige Kammermusikpartnerin. Stott und Mørk treiben die Kunst des Chopin-typischen ‚tempo rubato' in der Cellosonate bisweilen auf die Spitze: Durch geringfügige Tempoverschiebungen erzielen sie größtmöglichen Effekt. Mal prescht der eine vor, mal bremst der andere ab.
Ganz besonders mit den Noten auf den Knien ist es eine helle Freude, den beiden souveränen Musikern dabei zuzuhören!
" Musikbeispiel: Frédéric Chopin - Finale aus Sonate für Violoncello und Klavier g-moll, op. 65 "
Truls Mørk, Violoncello, und Kathryn Stott, Klavier. "Nocturne" heißt ihre gemeinsame CD, die gerade bei Virgin Classics erschienen ist.
Darauf: Originalkompositionen von Frédéric Chopin und Bearbeitungen seiner Werke für Violoncello und Klavier.