In seiner "Meerfahrt mit Don Quijote" bemerkte Thomas Mann, dass dem Autor Cervantes die Titelfigur seines Romans "entglitten" sei und ein Eigenleben begonnen habe. Dies diente dem halb von andalusischen, halb von ostpreußischen Vorfahren abstammenden Komponisten Christóbal Halffter als Anstoß für seine Annäherung an Cervantes. Halffter schrieb keine Literaturoper der schlichten Denkungs- und Machart, bei der ein bekannten literarischen Text drastisch eingekürzt und mit einer illustrativen Tonspur versehen wird, sondern ein von vielschichtiger Musik getragenes Bühnenwerk, das Selbstzweifel und Schaffenskrise des Autors Miguel de Cervantes sowie dessen Ableben mit einer Folge von Szenen aus dem Roman kombiniert und kontrastiert – Wirtshausszene und Ritterschlag des anachronistischen Kempen, der Kampf gegen die Windmühlenflügel und die Schafherde, die etwas mühselige Fortbewegung auf Rosinante bzw. Sancho Panzas Esel und die Bücherverbrennung ziehen als spanische Prozession über die Bühne.
Die neue "Don-Quijote"-Musik wurde in Spanien für Spanier geschrieben. Cristóbal Halffter schrieb eine Partitur, in der wundersam klare ruhige Momente mit heftigem Tumult wechseln, aleatorische Streicher-Figuren in 32steln über fest fixiertem Bläser-Rhythmus oder wild auftrumpfender Orgel mit Phasen konzentrierter Dichter. Mehrfach sorgen Fortspinnungen eines Trinklieds von Juan del Encina und einer Melodie von Antonio de Cabazón für Erinnerung an das frühe 16. Jahrhundert und dessen Aroma.
Für die deutsche Erstaufführung in Kiel wurde die Instrumentation etwas ausgedünnt und damit den akustischen Bedingungen in einem kleineren Haus angepaßt – der Dirigent Johannes Willig sorgt für eine durchgängig intensiv wirkende Realisierung, in der sich Hye-Soo Sonn in der Titelpartie und der als Dichtergestalt hervortretende Jörg Sabrowski. Die Ausstattung von Stefanie Pasterkamp, die als Assistentin von Herbert Wernicke anfing, basiert wie die von diesem für die Uraufführung im Jahr 2000 entwickelte Installation auf der Bühnenanwendung des Buches: aus einer Häuserfront mit vielen offenen Fenstern für die Choristen entsteht durch Drehung der Bauteile eine Buch-Landschaft, die von fleißigen Händen mit Graffiti beschriftet wird – in verschiedenen Höhen und Sprachen. Alexander Schulin nutzt die Simultan-Situationen für eine Inszenierung, die der Vielfältigkeit der Szenenfolge und ihrer Geburt als literarischer Welt dezidiert Rechnung trägt (um "Wirklichkeit" geht es nur in sehr gebrochener Weise). Ganz nach dem Willen des Komponisten und dessen politisch-moralischen Anliegen bildet das Aufwiegeln des Chor-Mobs durch die bucklige Verwandtschaft des Don Quijote den Höhepunkt: das Papier, die dünne Basis des Geistes und der nachdenklich stimmenden Worte, wird von den Händen der Helfershelfer eines bedrohlichen Systems, wird zerfetzt und zerknüllt auf einen großen Haufen zusammengetragen.
Cristóbal Halffter, der große Alte Herr der Neuen Musik in Spanien und noch immer als Dirigent munter unterwegs, erweist sich mit der programmatisch ans Ende des 20. Jahrhunderts gesetzten Oper als Tonsetzer von großem Format, das seine geistige Verankerung in den 60er Jahren ebenso wenig leugnet wie den Willen, noch einmal Große Oper für ein größeres Publikum zu schaffen.
Die neue "Don-Quijote"-Musik wurde in Spanien für Spanier geschrieben. Cristóbal Halffter schrieb eine Partitur, in der wundersam klare ruhige Momente mit heftigem Tumult wechseln, aleatorische Streicher-Figuren in 32steln über fest fixiertem Bläser-Rhythmus oder wild auftrumpfender Orgel mit Phasen konzentrierter Dichter. Mehrfach sorgen Fortspinnungen eines Trinklieds von Juan del Encina und einer Melodie von Antonio de Cabazón für Erinnerung an das frühe 16. Jahrhundert und dessen Aroma.
Für die deutsche Erstaufführung in Kiel wurde die Instrumentation etwas ausgedünnt und damit den akustischen Bedingungen in einem kleineren Haus angepaßt – der Dirigent Johannes Willig sorgt für eine durchgängig intensiv wirkende Realisierung, in der sich Hye-Soo Sonn in der Titelpartie und der als Dichtergestalt hervortretende Jörg Sabrowski. Die Ausstattung von Stefanie Pasterkamp, die als Assistentin von Herbert Wernicke anfing, basiert wie die von diesem für die Uraufführung im Jahr 2000 entwickelte Installation auf der Bühnenanwendung des Buches: aus einer Häuserfront mit vielen offenen Fenstern für die Choristen entsteht durch Drehung der Bauteile eine Buch-Landschaft, die von fleißigen Händen mit Graffiti beschriftet wird – in verschiedenen Höhen und Sprachen. Alexander Schulin nutzt die Simultan-Situationen für eine Inszenierung, die der Vielfältigkeit der Szenenfolge und ihrer Geburt als literarischer Welt dezidiert Rechnung trägt (um "Wirklichkeit" geht es nur in sehr gebrochener Weise). Ganz nach dem Willen des Komponisten und dessen politisch-moralischen Anliegen bildet das Aufwiegeln des Chor-Mobs durch die bucklige Verwandtschaft des Don Quijote den Höhepunkt: das Papier, die dünne Basis des Geistes und der nachdenklich stimmenden Worte, wird von den Händen der Helfershelfer eines bedrohlichen Systems, wird zerfetzt und zerknüllt auf einen großen Haufen zusammengetragen.
Cristóbal Halffter, der große Alte Herr der Neuen Musik in Spanien und noch immer als Dirigent munter unterwegs, erweist sich mit der programmatisch ans Ende des 20. Jahrhunderts gesetzten Oper als Tonsetzer von großem Format, das seine geistige Verankerung in den 60er Jahren ebenso wenig leugnet wie den Willen, noch einmal Große Oper für ein größeres Publikum zu schaffen.