Archiv


Chance für die Hochschulen oder versteckte Studiengebühr?

Der so genannte Bildungsgutschein ist zwar schon 1998 zum "Uni-Wort des Jahres" gewählt worden, doch auch vier Jahre später hat er nichts von seiner Brisanz verloren. Handelt es sich beim Bildungsgutschein um eine versteckte Studiengebühr, oder bringt er Studierenden mehr Einfluss - das diskutierte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen am Freitag auf einer Tagung in Berlin. Sichtbar wurde dort zunächst einmal die Abkehr von starren ideologischen Positionen in der Bildungspolitik. Bildung für alle bleibt zwar das prinzipielle Ziel, doch soll es nicht mehr alles für alle umsonst geben müssen. Dass eine Modernisierung im Hochschulwesen nötig sei, belegten die Vortragenden gerne mit den verheerenden Ergebnissen der Pisa-Studie, die sich zwar auf Schulkinder bezog, aber nicht vom Gesamtbild zu trennen sei. Schlechte Noten erhielten die deutschen Hochschulen auf der Berliner Tagung im Vergleich zum europäischen Ausland, aber auch in Bezug auf ihre Interna. Reinhard Loske, dem bildungspolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, geht es darum, die Unis attraktiver zu gestalten. Bildungsgutscheine sollen dabei keine Studiengebühr durch die Hintertür sein, sondern individuelle und zielgerichtete Ausbildungswege ermöglichen, was auch NRW-Bildungsministerin Behler und ihr rheinland-pfälzischer Kollege Zöllner in ihrem Modell der Studienkonten versprechen. Das Hauptproblem sei, so Reinhard Loske, die unzureichende Finanzierung der Hochschulen: "Zweitens sind schlechtstrukturierte Studiengänge, mangelnde Beratung, übervolle Seminare ein Problem, drittens sind die biographischen Realitäten heute nicht mehr vollständig in Deckung mit dem, wie wir uns ursprünglich einmal das Vollzeitstudium vorgestellt haben. Deswegen sind wir der Meinung, dass der Weg über die Bildungsgutscheine der richtige ist."

    Wie aber ein Bildungsgutschein aussehen soll, der die Ziele von mehr Geld für die Hochschulen und besserer individueller Planungsmöglichkeiten für die Studenten erreicht, blieb auch in Berlin unklar. Professor Birger Priddat von der privaten Universität Witten/Herdecke favorisierte eine markt-orientierte Ausrichtung der Hochschule. Bildungsgutscheine könnten den Prozess der Ökonomisierung an den Hochschulen verstärken. Bildung wird ein wirtschaftliches Gut, das verkauft wird. Studierende treten als Kunden auf, die entsprechende Leistung und Qualität von ihrer Ausbildungsstelle fordern. "Das bedeutet eine organisatorische Flexibilität, die nicht mehr mit der beamtenrechtlichen Konstruktion von Professoren übereinkommt", betont Priddat. "Denn Sie müssen Leute sofort entlassen, wenn Studenten sagen, mit denen könnten sie nicht zusammenarbeiten. Denn sonst laufen Ihnen die Studenten weg." Als Ökonom finde er das eine gute Sache, so Priddat, aber man müsse sich über diese Konsequenzen bewusst sein.

    Solche Aussichten sehen viele Studentenvertretern hingegen mit großer Sorge. Sie stehen dem Vorhaben Bildungsgutschein äußerst skeptisch gegenüber. Ob die grünen Bundestagsabgeordneten wohl einen Bildungsgutschein akzeptiert hätten, als sie selbst ordentliche Studenten waren?

    Related Links

    Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen