Mit der Kanzlerreise im November letzten Jahres begann eine neue Zeitrechnung in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Die Reise war in jeder Hinsicht ein Besuch der Rekorde. Insgesamt 28 Einzelabkommen mit einem Investitionsvolumen von mehr als elf ein halb Milliarden Euro wurden unterzeichnet. Rekordverdächtig war auch die 47köpfige hochkarätig besetzte Wirtschaftsdelegation, die den Kanzler begleitete.
Dieser Besuch hat gezeigt, wie sehr die deutsche Industrie gewillt ist, an der dynamischen Entwicklung Chinas Teil zu haben. Die Volksrepublik ist für die Deutschen einer der letzten Zukunftsmärkte, die es zu erobern gilt. Immer wieder war in den letzten Monaten von schier unglaublichen Zuwachschancen die Rede - insbesondere in der Grundstoffindustrie, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Thyssen-Krupp, Middelmann, bei der Einweihung des Edelstahlwerkes in Shanghai.
"Der Markt in China wächst überproportional in Größenordnungen von zehn Prozent und mehr pro Jahr. Wir sind jetzt in eine gewisse Boomphase gekommen, weil sich eine Menge Möglichkeiten ergeben haben. Dies hängt auch nicht zuletzt mit der zunehmenden Öffnung Chinas in den vergangenen Jahren zusammen, die ja jetzt auch darin münden, dass China zur Welthandelsorganisation stößt und hier die Möglichkeiten, Geschäfte zu machen, wesentlich verbessert."
Es gibt wohl kaum ein Land, das die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Großindustrie so oft besuchen wie China. Besonders wenn es um ein Prestigeprojekt wie den Transrapid geht. Dann muss die 1. Liga aufs Feld, meint Bundeswirtschaftsminister Müller:
"Ich habe gehört, dass die beiden Herren von Pierer und Schulz, die sich das Projekt ja zu 50 Prozent teilen, sich auch selbst noch mal in die Rolle eines Projektmanagers hinein begeben haben, was ja sonst bei diesen Vorstandsvorsitzenden nicht mehr so häufig der Fall ist, weil sie sich der Chancen für die Zukunft voll bewusst sind. Wenn das Projekt funktioniert, glaube ich, dass das weitreichende Folgen hat."
Selten hat ein deutsches Industrieprojekt im Ausland so viel Aufmerksamkeit von Unternehmenschefs, Bundesregierung und der deutschen Öffentlichkeit erhalten wie der Bau des Transrapid in Shanghai. Die Kanzlerreise hat erneut gezeigt, dass die politische Flankierung in China immer noch eine große Rolle spielt, wenn es darum geht, den Interessen deutscher Investoren Nachdruck zu verleihen. China ist ein riesiges Land, das gerade erst mit der eigenen Modernisierung begonnen hat. Besonders im Infrastrukturbereich und der Telekommunikationsbranche wächst der Bedarf an Hochtechnologie. Von Siemens, Thyssen-Krupp, BASF und Bayer über die Allianz bis hin zu den großen Banken und Einzelhandelsunternehmen sind die Deutschen inzwischen mit mehr als 2000 Unternehmen, Büros und Repräsentanzen vertreten. Deutschland ist Chinas wichtigster Handelspartner in Europa, und in einer Stadt wie Shanghai sind die Deutschen seit der Kanzlerreise sogar Investor Nr. 1.
Längst sind es nicht mehr nur die Großunternehmen, die den Sprung nach China wagen. Die Handelskammer in Shanghai verzeichnet seit dem letzten Jahr einen auffallend stark wachsenden Zustrom von Mittelständlern. Die wollen in der Regel nicht nur schauen, sondern ein eigenes Unternehmen gründen. Beruhigend sei, so die Handelskammer, dass sie sich viel besser auf den Markt vorbereitet hätten, als ihre Vorgänger, die nicht selten beim ersten Anlauf eine Bauchlandung machten. Von einer Trendwende spricht auch Anne Daentzer, Partnerin bei der Anwaltskanzlei Haarmann- Hemmelrath in Shanghai.
"Anfang der 90er Jahre meinte jeder, er müsse ein Joint-Venture machen, weil irgendwo der Glaube da war, dass man es alleine nicht schafft; was irgendwo Quatsch ist, denn auch wenn ich eine 100 Prozentige Tochter habe, kann ich ja sehr gute und qualifizierte Mitarbeiter einstellen. Dass man also glaubte, man könne hier nur überleben, wenn man einen Partner hat ? gerade wenn man auf dem chinesischen Markt seine Produkte absetzen wollte - und damit dann glaubte, dass der chinesische Partner eben das Vertriebsnetz hat und dass man das alleine nicht aufbauen könne. Das hat sich dann natürlich irgendwann als Irrglaube herausgestellt, weil gerade die ehemaligen Staatsunternehmen überhaupt kein richtiges Vertriebsnetz hatten, denn das hatten die ja gar nicht nötig. Die hatten ja durch die Planwirtschaft ihre Abnehmer."
Die Anwältin Daentzer rät ihren Mandanten deshalb, eine 100 Prozentige Tochtergesellschaft zu gründen, sofern die chinesischen Gesetze dies in der entsprechenden Branche erlauben. Sie hat tagtäglich mit Unternehmern zu tun, die über so große Probleme mit ihrem chinesischen Joint-Venture-Partner klagen, dass sie am liebsten aussteigen und es alleine versuchen wollen.
Im Industriepark Taicang, 50 km nordwestlich von Shanghai, trifft man auf zahlreiche Mittelständler, die von Anfang an auf ein eigenes Unternehmen gesetzt haben. In den letzten fünf, sechs Jahren haben sich hier so viele deutsche Unternehmen angesiedelt, dass die chinesische Presse bereits von einem deutschen Gewerbegebiet spricht. Genau genommen handelt es sich um eine baden-württembergische Enklave: Denn von Fischer-Dübeln über Kettensägen von Stihl hin zu Spezialmaschinen von Trumpf, Tox-Pressotechnik oder Kern-Liebers wird inzwischen hier produziert, was einst aus Schramberg, Waiblingen oder Tummlingen stammte. Dem Vertreter der Industriezone, Zhu Wanli, fällt es nicht schwer, zu erklären, warum es die Investoren gerade hierher zieht.
Wir bieten eine perfekte Infrastruktur: Strassen, Wasser, Strom und Gas sowie eine gute Telekommunikationsanbindung. Hinzu kommt, dass wir eine spezielle Behörde eingerichtet haben, die den Investoren dabei hilft, ihre Geschäftslizenz zu beantragen, Maschinen zu importieren und Fabrikgebäude zu errichten. Z.T. vermieten wir auch Hallen, um ausländischen Unternehmen zu helfen, sich hier schneller anzusiedeln. Für die deutschen Unternehmen, die vorwiegend im Bereich Maschinenbau und Autozulieferindustrie tätig sind, ist natürlich die Nähe zu Volkswagen und General Motors in Shanghai interessant.
Rund 100 Millionen Euro haben die Deutschen inzwischen in Taicang investiert. Und dafür werden sie hofiert. Die Stadtverwaltung weiß nur zu gut, dass in der Provinz Jiangsu eine Erschließungszone an die andere grenzt. Auch kleine und mittlere Unternehmen werden deshalb im Industriepark Taicang begrüßt, als handle es sich um einen Multi vom Schlage Coca Cola. Den Mittelstand locken besonders die niedrigen Kosten in der Industriezone.
Die Gehälter für Arbeiter betragen hier beispielsweise nur die Hälfte von dem, was ein Unternehmer in Shanghai auf den Tisch legen muss, umgerechnet rund 100 Euro pro Monat. Auch Grund und Boden sind in Taicang deutlich billiger: Während der Kaufpreis für einen Quadratmeter Industriegrund in Shanghai zwischen 70 und 115 Euro liegt, so sind in der Wirtschaftszone nicht mal 23 Euro zu zahlen. Hinzu kommen attraktive Steuervergünstigungen in den ersten drei Jahren und keine abschreckenden Vorgaben über die Höhe des erforderlichen Stammkapitals wie in Shanghai.
Zwei junge Arbeiterinnen bei Fischer sortieren Schellen und Metalldübel. Am Nachbartisch werden sie gewogen, verpackt und mit einem Etikett versehen, um dann nach Europa verschifft zu werden. Rund 250 Tonnen Stahl lässt Fischer hier jährlich zu Dübeln und Schellen verarbeiten.
Der Mittelständler mit dem roten Fisch als Logo ist eines der 18 deutschen Unternehmen, die in der Wirtschaftszone Taicang eine Fertigung aufgebaut haben.
Die 100 Prozentige Tochtergesellschaft ist in Taicang sehr viel schneller als erwartet in die Gewinnzone gekommen ? nicht zuletzt deshalb ? weil der junge Chef es versteht, seine Mitarbeiter zu motivieren. Jörn Kuch ist eine gute Arbeitsatmosphäre sehr wichtig. Überall stehen Blumentöpfe auf den Fensterbänken, Schreibtischen - ja, sogar auf den Werkbänken. Das Betriebsklima ist fast familiär. Mittags essen alle zusammen in der Kantine. Und selbst abends und an den Wochenenden bleiben viele der Mitarbeiter länger als sie müssten. In dem Winter wie Sommer klimatisierten Firmengebäude gefällt es ihnen besser als zu Hause. Samstags spielen sie auf dem Rasen vor der Fabrik Fußball.
"Es gibt verschiedene Dinge, wo man merkt, dass die Mitarbeiter es einem auch danken. Zum einen haben wir es jetzt schon mehrfach gehabt, dass Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen haben für wesentlich höhere Gehälter und bessere Positionen, die wir ihnen nicht bieten konnten, dass diese Mitarbeiter nach einigen Wochen zurückkamen. Das ist ein Indiz für uns, dass es ihnen bei uns gefallen haben muss ? und dass das Paket um das Gehalt herum stimmt."
Als der deutsche Prüfer vom TÜV das letzte Mal da war, gratulierte er Kuch zum Erfolg seines jungen Unternehmens. Das beste Qualitätsergebnis der gesamten Fischer-Gruppe weltweit. Doch dass der Laden läuft und der vergleichsweise komplizierte Werkzeugbau gelingt, hat seinen Preis. So konnte der Werkzeugbauleiter nicht wie geplant nach dem ersten Jahr nach Deutschland zurückkehren, sondern muss die Produktion auch längerfristig vor Ort überwachen. Um in Zukunft mit gut ausgebildeten Werkzeugmechanikern arbeiten zu können, bildet Fischer gemeinsam mit dem Maschinenbau-Unternehmen Kern-Liebers erstmals 20 Lehrlinge aus.
In der Industriefachschule Taicang unterrichtet Lehrer Zhou seit September eine neue Klasse. Werkzeugmechaniker ? einen Beruf, den es so in China bisher nicht gab. Entweder wird man Dreher oder Fräser, aber nicht beides, so lautet das chinesische Prinzip. Das reichte dem ehemaligen Geschäftsführer von Kern-Liebers jedoch nicht. Er, der 1993 das erste deutsche Unternehmen in Taicang aufgebaut hatte, regte stattdessen an, dem Nachwuchs eine breit angelegte Ausbildung im Metallbereich zu bieten, um die Lehrlinge auf die vielfachen Anforderungen in einem mittelständischen Unternehmen vorzubereiten. Zhu Wanli hofft deshalb, dass diese Ausbildung Vorbildcharakter hat.
"Ich bin der Ansicht, dass Deutschland im Bereich der Berufsschulausbildung wirklich führend ist. Die Deutschen haben ein exzellentes System aufgebaut, an dem es in China leider fehlt. Ich bin froh, dass dieser neue Ausbildungsgang hier in Taicang der Praxis so große Bedeutung beimisst und die Schüler an den allerneusten Maschinen ausgebildet werden. So wie bisher bei uns unterrichtet wurde, können wir den Anforderungen in den Betrieben nicht mehr gerecht werden."
Die Großindustrie investiert bereits seit Jahren in die Ausbildung ihrer chinesischen Mitarbeiter und den vielgepriesenen "Know-how-Transfer". Siemens beispielsweise unterhält im ganzen Land Schulungszentren für die chinesischen Mitarbeiter ihrer rund 50 Unternehmen; die Allianz hat einen eigenen Ausbildungsgang zum Versicherungskaufmann eingeführt und finanziert zudem an der Shanghaier Tongji-Universität zwei Lehrstühle für Betriebswirtschaft. All dies großzügige Gastgeschenke für die Pekinger Führung, die immer wieder gerne darauf hinweist, dass China eigentlich ein Entwicklungsland ist und dringend auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Vorleistungen, von denen keiner sagen kann, ob sie sich auszahlen werden. Der scheidende Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Peking, Jörg-Michael Rudolph, vertrat kürzlich die Ansicht, dass die westlichen Unternehmen über Jahrzehnte hingehalten worden seien. Seit den siebziger Jahren appelliere China an ein langfristiges Denken. Allmählich werde es jedoch Zeit, dass es losgehe und China seine Märkte wirklich öffne, meint Rudolph.
Vor Werbeplakaten, auf denen das neuste Siemens-Handy mit integriertem MP3-Player abgebildet ist, lässt das deutsche Unternehmen Publikumslieblinge wie die taiwanesische Rockgruppe "China Blue" auftreten.
Rund 145 Millionen Handy-Nutzer gibt es im Reich der Mitte. Und täglich werden es mehr. Wer auf dem chinesischen Markt seine Position verteidigen will, muss daher nicht nur gutes Marketing machen, sondern auch in der Lage sein, den rasant wachsenden Kundenkreis zu bedienen. Vor drei Jahren produzierte Siemens gerade mal 100.000 Handys in Shanghai; heute sind es knapp zehn Millionen pro Jahr; und schon bald sollen es 14 Millionen sein. Nach Motorola und Nokia zählt Siemens zu den erfolgreichsten Anbietern. Ab diesem Jahr will das Handy-Werk in Shanghai erstmals auch nach Europa exportieren. Peter Borger, Geschäftsführer des deutsch-chinesischen Joint-Ventures, wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf, die Produktion werde bewusst von Europa nach Asien verlagert.
"Der europäische Markt ist zur Zeit in einer Schwächeperiode und wird sich erst wieder in den nächsten zwei Jahren stabilisieren. Aber der chinesische Markt ist immer noch in einer Aufwärtsbewegung. Und wenn man in diesem Markt auch nur mithalten will, jetzt spreche ich gar nicht von Zugewinnen, von market share, was wir natürlich auch gerne machen würden, dann muss man natürlich auch in diesem Markt weiter mitinvestieren."
Die Versorgung der neuen Märkte in Asien bringt Siemens- Mobilfunk weltweit neue Aufträge. Denn Design und Entwicklung finden auch weiterhin in Europa und den USA statt. China ist die verlängerte Werkbank. Neben Siemens gehört auch Volkswagen zu den großen Erfolgsgeschichten der Deutschen Industrie in China. Die Wolfsburger, die seit knapp 17 Jahren vertreten sind, kontrollieren mit ihren beiden Joint-Ventures in Shanghai und Changchun die Hälfte des chinesischen Pkw-Marktes. Landesweit hat das Unternehmen vergangenes Jahr rund 370.000 Fahrzeuge verkauft, darunter den Passat, den Audi A6 und seit kurzem auch den Bora, mit dem VW gezielt den neuen Mittelstand ansprechen will. Im vergangenen Jahr verdoppelte das Unternehmen die Gesamtinvestitionen für China. Denn VW will auch nach dem WTO-Beitritt an der lokalen Produktion festhalten, obwohl die Importzölle für Neuwagen schrittweise von derzeit 100 auf 25 Prozent sinken werden, betont Michael Wilkes, Unternehmenssprecher in Peking.
"Nach wie vor gehen wir davon aus, dass wir hier bleiben werden und verstärkt lokal produzieren. Wir glauben also nicht daran, dass die Importe, die möglicherweise erleichtert werden, den Gesamtbedarf decken könnten, und deshalb setzen wir voll auf die Kooperation mit den chinesischen Partnern. Wir werden allerdings weiter vorangehen, dass wir die neuesten Modell noch schneller hier sofort lokal produzieren. Mit dem Polo haben wir das erste Produkt, das gleichzeitig in Europa und China auf den Markt kommt. Und diese Strategie werden wir intensivieren und fortsetzen."
Die Deutschen sind in China deshalb so gerne gesehen, weil sie auch in schwierigen Zeiten ungebrochenes Vertrauen signalisiert haben. Zu denen, die sich bereits seit zwei Jahrzehnten in China engagieren, gehört auch der Chemieriese BASF. Mit der Grundsteinlegung für den neuen Verbundstandort in Nanjing schrieben die Ludwigshafener kürzlich Unternehmensgeschichte. Gemeinsam mit dem einheimischen Partner Sinopec investiert die BASF rund drei Milliarden Euro. Dies ist die größte Einzelinvestition, die das Ludwigshafener Unternehmen jemals gewagt hat. Doch wer in China dabei sein will, muss erst mal kräftig zahlen, so lautet die Devise in Vorstandskreisen. BASF-Vorstandschef Strube ist der Ansicht, dass China innerhalb der nächsten zehn Jahre Japan als den derzeit größten Chemiemarkt in Asien ablösen wird.
"Der chinesische Markt ist ein schnell wachsender Chemie-Markt. Er wird schnell wachsen, weil bislang ein großer Teil der benötigten Chemie-Produkte importiert wurde."
Die chemische Industrie wird nach wie vor vollständig von der Zentrale in Peking gesteuert. Und die ist sehr darauf bedacht, ausländischen Investoren nicht mehr als die Rolle des Initiators und Beraters zukommen zu lassen. Deshalb werden in strategischen Branchen wie Chemie oder Stahl nur Gemeinschaftsunternehmen genehmigt, an denen der ausländische Partner höchstens 50 Prozent halten kann.
Sie alle müssen mit enormen Energiekosten rechnen. Denn die Preise für Strom und Gas liegen in China durchschnittlich 60 Prozent über dem Weltmarktniveau. Zum einen, weil die Energie ineffektiv gewonnen wird, zum anderen weil zahlreiche Behörden mitverdienen wollen. Ein weiteres großes Thema war und ist die Produktpiraterie, sagt Geschäftsführer Krost von der Firma INA-Bearing in Taicang:
"Das ist ein großes Problem und trifft vermutlich alle hier. Z.B. unsere Motorenelementen - da werden die Produkte gefälscht, die sind dann natürlich von minderer Qualität, werden aber zu erheblich günstigeren Preisen auf dem Ersatzteilmarkt verkauft. Die sind auch beschriftet mit INA, unserer Teilenr. ? sehen wunderbar aus ? und für einen Laien ist es nicht immer sofort zu sagen, ob es sich um das Original oder eine Fälschung handelt. Dadurch erleiden wir einen Schaden. Und es ist sehr, sehr schwierig, diesen Fälschungsbetrieben auf die Spur zu kommen."
Douglas Clark, Partner bei der Anwaltskanzlei Lovells in Shanghai, versucht, im Auftrag seiner Kunden den Fälschern das Handwerk zu legen.
"Wir haben es in China mit verschiedenen Kategorien von Fälschern zu tun. Da gibt es zum einen die Leute, die wahrscheinlich gar nicht so genau wissen, was Urheberrechte eigentlich sind. Sie sehen nur, dass sich einige Produkte gut verkaufen lassen und versuchen deshalb, sie zu kopieren. Manchmal verändern sie den Namen und verkaufen das Auto dann nicht als BMW sondern als BMM. Sie denken, dass sie damit nicht gegen die Gesetze verstoßen ? BMW sieht das natürlich anders. Aber dann sind da vor allem jene, die schon immer professionell Produkte gefälscht haben. Oft kommen sie aus Taiwan oder Hongkong und haben ihre Produktion erst kürzlich nach China verlagert, weil es hier billiger und sicherer ist. Sie verkaufen ihre Waren in der Regel als Originale, und auch die Kunden sind der Meinung, dass sie Originale erwerben. "
Den Unternehmen bereiten nicht nur die entgangenen Umsätze Kopfzerbrechen, sondern vor allem die schlechte Qualität der Kopien, die ihren Ruf gefährden. Die chinesische Regierung ist sich des Problems durchaus bewusst und hat zum WTO-Beitritt das Copy-Right-Gesetz erneut verschärft. Der Anwalt Clark rechnet jedoch damit, dass auch in Zukunft gegen das Urheberrecht verstoßen wird. Unter den von ihm und seinen Kollegen angeheuerten Detektiven kursiert der Spruch, "Einen Kopierer wird man nie vom Kopieren abbringen, man kann höchstens erreichen, dass er die Marke wechselt." Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, VDMA, rät seinen Mitgliedern, vorerst nicht die allerneusten Produkte in China fertigen zu lassen. Ansonsten müssten sie damit rechnen, dass innerhalb kürzester Zeit Raubkopien auftauchen und schlimmstenfalls sogar nach Europa exportiert werden.
Beim viel gepriesenen Transrapidprojekt warnen Beobachter, dass die Chinesen schon bald in der Lage sein werden, den Transrapid selbst zu bauen, um ihn dann eines Tages nach Deutschland zu exportieren.
Doch kommt die deutsche Seite auf Anschlussprojekte zu sprechen, fordert Chinas Ministerpräsident Zhu Rongji auch schon das nächste Tribut: Nur wenn in Zukunft auch die Triebwagen in China hergestellt werden, könne man darüber verhandeln. Der Vorsitzende der Deutschen Handelskammer in Shanghai, Klaus Grimm, kann das durchaus nachvollziehen, sollte China sich wirklich in großem Maßstab für die Magnettechnologie entscheiden.
"Für uns, die wir die deutsche Wirtschaft hier vertreten, ist das ja viel mehr als nur ein Stück Technik. Das ist ein Symbol für das, was Deutschland leisten kann. Und das hat Ausstrahlung auch in ganz andere Bereiche: Mensch die Deutschen! Was die alles können. Nicht nur Mercedes und Volkswagen und BMW. Schau mal, wir Chinesen sind Weltspitze mit Hilfe der Deutschen. Und das ist in hohem Maße imagebildend, wenn das funktioniert."
Symbolkraft dürfte das Transrapid-Projekt auch in anderer Hinsicht haben. Die zähe Verhandlungsphase, das schnelle Genehmigungsverfahren und der wenig später entfachte Streit zwischen den Projektpartnern - all das kommt vielen Unternehmern bekannt vor. Und noch eines ist typisch an dem Projekt. Keiner der Beteiligten will öffentlich über die Probleme reden. Ganz nach dem Motto: Soll doch jeder selber merken, dass China ein großer - aber kein einfacher Markt ist.
Dieser Besuch hat gezeigt, wie sehr die deutsche Industrie gewillt ist, an der dynamischen Entwicklung Chinas Teil zu haben. Die Volksrepublik ist für die Deutschen einer der letzten Zukunftsmärkte, die es zu erobern gilt. Immer wieder war in den letzten Monaten von schier unglaublichen Zuwachschancen die Rede - insbesondere in der Grundstoffindustrie, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Thyssen-Krupp, Middelmann, bei der Einweihung des Edelstahlwerkes in Shanghai.
"Der Markt in China wächst überproportional in Größenordnungen von zehn Prozent und mehr pro Jahr. Wir sind jetzt in eine gewisse Boomphase gekommen, weil sich eine Menge Möglichkeiten ergeben haben. Dies hängt auch nicht zuletzt mit der zunehmenden Öffnung Chinas in den vergangenen Jahren zusammen, die ja jetzt auch darin münden, dass China zur Welthandelsorganisation stößt und hier die Möglichkeiten, Geschäfte zu machen, wesentlich verbessert."
Es gibt wohl kaum ein Land, das die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Großindustrie so oft besuchen wie China. Besonders wenn es um ein Prestigeprojekt wie den Transrapid geht. Dann muss die 1. Liga aufs Feld, meint Bundeswirtschaftsminister Müller:
"Ich habe gehört, dass die beiden Herren von Pierer und Schulz, die sich das Projekt ja zu 50 Prozent teilen, sich auch selbst noch mal in die Rolle eines Projektmanagers hinein begeben haben, was ja sonst bei diesen Vorstandsvorsitzenden nicht mehr so häufig der Fall ist, weil sie sich der Chancen für die Zukunft voll bewusst sind. Wenn das Projekt funktioniert, glaube ich, dass das weitreichende Folgen hat."
Selten hat ein deutsches Industrieprojekt im Ausland so viel Aufmerksamkeit von Unternehmenschefs, Bundesregierung und der deutschen Öffentlichkeit erhalten wie der Bau des Transrapid in Shanghai. Die Kanzlerreise hat erneut gezeigt, dass die politische Flankierung in China immer noch eine große Rolle spielt, wenn es darum geht, den Interessen deutscher Investoren Nachdruck zu verleihen. China ist ein riesiges Land, das gerade erst mit der eigenen Modernisierung begonnen hat. Besonders im Infrastrukturbereich und der Telekommunikationsbranche wächst der Bedarf an Hochtechnologie. Von Siemens, Thyssen-Krupp, BASF und Bayer über die Allianz bis hin zu den großen Banken und Einzelhandelsunternehmen sind die Deutschen inzwischen mit mehr als 2000 Unternehmen, Büros und Repräsentanzen vertreten. Deutschland ist Chinas wichtigster Handelspartner in Europa, und in einer Stadt wie Shanghai sind die Deutschen seit der Kanzlerreise sogar Investor Nr. 1.
Längst sind es nicht mehr nur die Großunternehmen, die den Sprung nach China wagen. Die Handelskammer in Shanghai verzeichnet seit dem letzten Jahr einen auffallend stark wachsenden Zustrom von Mittelständlern. Die wollen in der Regel nicht nur schauen, sondern ein eigenes Unternehmen gründen. Beruhigend sei, so die Handelskammer, dass sie sich viel besser auf den Markt vorbereitet hätten, als ihre Vorgänger, die nicht selten beim ersten Anlauf eine Bauchlandung machten. Von einer Trendwende spricht auch Anne Daentzer, Partnerin bei der Anwaltskanzlei Haarmann- Hemmelrath in Shanghai.
"Anfang der 90er Jahre meinte jeder, er müsse ein Joint-Venture machen, weil irgendwo der Glaube da war, dass man es alleine nicht schafft; was irgendwo Quatsch ist, denn auch wenn ich eine 100 Prozentige Tochter habe, kann ich ja sehr gute und qualifizierte Mitarbeiter einstellen. Dass man also glaubte, man könne hier nur überleben, wenn man einen Partner hat ? gerade wenn man auf dem chinesischen Markt seine Produkte absetzen wollte - und damit dann glaubte, dass der chinesische Partner eben das Vertriebsnetz hat und dass man das alleine nicht aufbauen könne. Das hat sich dann natürlich irgendwann als Irrglaube herausgestellt, weil gerade die ehemaligen Staatsunternehmen überhaupt kein richtiges Vertriebsnetz hatten, denn das hatten die ja gar nicht nötig. Die hatten ja durch die Planwirtschaft ihre Abnehmer."
Die Anwältin Daentzer rät ihren Mandanten deshalb, eine 100 Prozentige Tochtergesellschaft zu gründen, sofern die chinesischen Gesetze dies in der entsprechenden Branche erlauben. Sie hat tagtäglich mit Unternehmern zu tun, die über so große Probleme mit ihrem chinesischen Joint-Venture-Partner klagen, dass sie am liebsten aussteigen und es alleine versuchen wollen.
Im Industriepark Taicang, 50 km nordwestlich von Shanghai, trifft man auf zahlreiche Mittelständler, die von Anfang an auf ein eigenes Unternehmen gesetzt haben. In den letzten fünf, sechs Jahren haben sich hier so viele deutsche Unternehmen angesiedelt, dass die chinesische Presse bereits von einem deutschen Gewerbegebiet spricht. Genau genommen handelt es sich um eine baden-württembergische Enklave: Denn von Fischer-Dübeln über Kettensägen von Stihl hin zu Spezialmaschinen von Trumpf, Tox-Pressotechnik oder Kern-Liebers wird inzwischen hier produziert, was einst aus Schramberg, Waiblingen oder Tummlingen stammte. Dem Vertreter der Industriezone, Zhu Wanli, fällt es nicht schwer, zu erklären, warum es die Investoren gerade hierher zieht.
Wir bieten eine perfekte Infrastruktur: Strassen, Wasser, Strom und Gas sowie eine gute Telekommunikationsanbindung. Hinzu kommt, dass wir eine spezielle Behörde eingerichtet haben, die den Investoren dabei hilft, ihre Geschäftslizenz zu beantragen, Maschinen zu importieren und Fabrikgebäude zu errichten. Z.T. vermieten wir auch Hallen, um ausländischen Unternehmen zu helfen, sich hier schneller anzusiedeln. Für die deutschen Unternehmen, die vorwiegend im Bereich Maschinenbau und Autozulieferindustrie tätig sind, ist natürlich die Nähe zu Volkswagen und General Motors in Shanghai interessant.
Rund 100 Millionen Euro haben die Deutschen inzwischen in Taicang investiert. Und dafür werden sie hofiert. Die Stadtverwaltung weiß nur zu gut, dass in der Provinz Jiangsu eine Erschließungszone an die andere grenzt. Auch kleine und mittlere Unternehmen werden deshalb im Industriepark Taicang begrüßt, als handle es sich um einen Multi vom Schlage Coca Cola. Den Mittelstand locken besonders die niedrigen Kosten in der Industriezone.
Die Gehälter für Arbeiter betragen hier beispielsweise nur die Hälfte von dem, was ein Unternehmer in Shanghai auf den Tisch legen muss, umgerechnet rund 100 Euro pro Monat. Auch Grund und Boden sind in Taicang deutlich billiger: Während der Kaufpreis für einen Quadratmeter Industriegrund in Shanghai zwischen 70 und 115 Euro liegt, so sind in der Wirtschaftszone nicht mal 23 Euro zu zahlen. Hinzu kommen attraktive Steuervergünstigungen in den ersten drei Jahren und keine abschreckenden Vorgaben über die Höhe des erforderlichen Stammkapitals wie in Shanghai.
Zwei junge Arbeiterinnen bei Fischer sortieren Schellen und Metalldübel. Am Nachbartisch werden sie gewogen, verpackt und mit einem Etikett versehen, um dann nach Europa verschifft zu werden. Rund 250 Tonnen Stahl lässt Fischer hier jährlich zu Dübeln und Schellen verarbeiten.
Der Mittelständler mit dem roten Fisch als Logo ist eines der 18 deutschen Unternehmen, die in der Wirtschaftszone Taicang eine Fertigung aufgebaut haben.
Die 100 Prozentige Tochtergesellschaft ist in Taicang sehr viel schneller als erwartet in die Gewinnzone gekommen ? nicht zuletzt deshalb ? weil der junge Chef es versteht, seine Mitarbeiter zu motivieren. Jörn Kuch ist eine gute Arbeitsatmosphäre sehr wichtig. Überall stehen Blumentöpfe auf den Fensterbänken, Schreibtischen - ja, sogar auf den Werkbänken. Das Betriebsklima ist fast familiär. Mittags essen alle zusammen in der Kantine. Und selbst abends und an den Wochenenden bleiben viele der Mitarbeiter länger als sie müssten. In dem Winter wie Sommer klimatisierten Firmengebäude gefällt es ihnen besser als zu Hause. Samstags spielen sie auf dem Rasen vor der Fabrik Fußball.
"Es gibt verschiedene Dinge, wo man merkt, dass die Mitarbeiter es einem auch danken. Zum einen haben wir es jetzt schon mehrfach gehabt, dass Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen haben für wesentlich höhere Gehälter und bessere Positionen, die wir ihnen nicht bieten konnten, dass diese Mitarbeiter nach einigen Wochen zurückkamen. Das ist ein Indiz für uns, dass es ihnen bei uns gefallen haben muss ? und dass das Paket um das Gehalt herum stimmt."
Als der deutsche Prüfer vom TÜV das letzte Mal da war, gratulierte er Kuch zum Erfolg seines jungen Unternehmens. Das beste Qualitätsergebnis der gesamten Fischer-Gruppe weltweit. Doch dass der Laden läuft und der vergleichsweise komplizierte Werkzeugbau gelingt, hat seinen Preis. So konnte der Werkzeugbauleiter nicht wie geplant nach dem ersten Jahr nach Deutschland zurückkehren, sondern muss die Produktion auch längerfristig vor Ort überwachen. Um in Zukunft mit gut ausgebildeten Werkzeugmechanikern arbeiten zu können, bildet Fischer gemeinsam mit dem Maschinenbau-Unternehmen Kern-Liebers erstmals 20 Lehrlinge aus.
In der Industriefachschule Taicang unterrichtet Lehrer Zhou seit September eine neue Klasse. Werkzeugmechaniker ? einen Beruf, den es so in China bisher nicht gab. Entweder wird man Dreher oder Fräser, aber nicht beides, so lautet das chinesische Prinzip. Das reichte dem ehemaligen Geschäftsführer von Kern-Liebers jedoch nicht. Er, der 1993 das erste deutsche Unternehmen in Taicang aufgebaut hatte, regte stattdessen an, dem Nachwuchs eine breit angelegte Ausbildung im Metallbereich zu bieten, um die Lehrlinge auf die vielfachen Anforderungen in einem mittelständischen Unternehmen vorzubereiten. Zhu Wanli hofft deshalb, dass diese Ausbildung Vorbildcharakter hat.
"Ich bin der Ansicht, dass Deutschland im Bereich der Berufsschulausbildung wirklich führend ist. Die Deutschen haben ein exzellentes System aufgebaut, an dem es in China leider fehlt. Ich bin froh, dass dieser neue Ausbildungsgang hier in Taicang der Praxis so große Bedeutung beimisst und die Schüler an den allerneusten Maschinen ausgebildet werden. So wie bisher bei uns unterrichtet wurde, können wir den Anforderungen in den Betrieben nicht mehr gerecht werden."
Die Großindustrie investiert bereits seit Jahren in die Ausbildung ihrer chinesischen Mitarbeiter und den vielgepriesenen "Know-how-Transfer". Siemens beispielsweise unterhält im ganzen Land Schulungszentren für die chinesischen Mitarbeiter ihrer rund 50 Unternehmen; die Allianz hat einen eigenen Ausbildungsgang zum Versicherungskaufmann eingeführt und finanziert zudem an der Shanghaier Tongji-Universität zwei Lehrstühle für Betriebswirtschaft. All dies großzügige Gastgeschenke für die Pekinger Führung, die immer wieder gerne darauf hinweist, dass China eigentlich ein Entwicklungsland ist und dringend auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Vorleistungen, von denen keiner sagen kann, ob sie sich auszahlen werden. Der scheidende Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Peking, Jörg-Michael Rudolph, vertrat kürzlich die Ansicht, dass die westlichen Unternehmen über Jahrzehnte hingehalten worden seien. Seit den siebziger Jahren appelliere China an ein langfristiges Denken. Allmählich werde es jedoch Zeit, dass es losgehe und China seine Märkte wirklich öffne, meint Rudolph.
Vor Werbeplakaten, auf denen das neuste Siemens-Handy mit integriertem MP3-Player abgebildet ist, lässt das deutsche Unternehmen Publikumslieblinge wie die taiwanesische Rockgruppe "China Blue" auftreten.
Rund 145 Millionen Handy-Nutzer gibt es im Reich der Mitte. Und täglich werden es mehr. Wer auf dem chinesischen Markt seine Position verteidigen will, muss daher nicht nur gutes Marketing machen, sondern auch in der Lage sein, den rasant wachsenden Kundenkreis zu bedienen. Vor drei Jahren produzierte Siemens gerade mal 100.000 Handys in Shanghai; heute sind es knapp zehn Millionen pro Jahr; und schon bald sollen es 14 Millionen sein. Nach Motorola und Nokia zählt Siemens zu den erfolgreichsten Anbietern. Ab diesem Jahr will das Handy-Werk in Shanghai erstmals auch nach Europa exportieren. Peter Borger, Geschäftsführer des deutsch-chinesischen Joint-Ventures, wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf, die Produktion werde bewusst von Europa nach Asien verlagert.
"Der europäische Markt ist zur Zeit in einer Schwächeperiode und wird sich erst wieder in den nächsten zwei Jahren stabilisieren. Aber der chinesische Markt ist immer noch in einer Aufwärtsbewegung. Und wenn man in diesem Markt auch nur mithalten will, jetzt spreche ich gar nicht von Zugewinnen, von market share, was wir natürlich auch gerne machen würden, dann muss man natürlich auch in diesem Markt weiter mitinvestieren."
Die Versorgung der neuen Märkte in Asien bringt Siemens- Mobilfunk weltweit neue Aufträge. Denn Design und Entwicklung finden auch weiterhin in Europa und den USA statt. China ist die verlängerte Werkbank. Neben Siemens gehört auch Volkswagen zu den großen Erfolgsgeschichten der Deutschen Industrie in China. Die Wolfsburger, die seit knapp 17 Jahren vertreten sind, kontrollieren mit ihren beiden Joint-Ventures in Shanghai und Changchun die Hälfte des chinesischen Pkw-Marktes. Landesweit hat das Unternehmen vergangenes Jahr rund 370.000 Fahrzeuge verkauft, darunter den Passat, den Audi A6 und seit kurzem auch den Bora, mit dem VW gezielt den neuen Mittelstand ansprechen will. Im vergangenen Jahr verdoppelte das Unternehmen die Gesamtinvestitionen für China. Denn VW will auch nach dem WTO-Beitritt an der lokalen Produktion festhalten, obwohl die Importzölle für Neuwagen schrittweise von derzeit 100 auf 25 Prozent sinken werden, betont Michael Wilkes, Unternehmenssprecher in Peking.
"Nach wie vor gehen wir davon aus, dass wir hier bleiben werden und verstärkt lokal produzieren. Wir glauben also nicht daran, dass die Importe, die möglicherweise erleichtert werden, den Gesamtbedarf decken könnten, und deshalb setzen wir voll auf die Kooperation mit den chinesischen Partnern. Wir werden allerdings weiter vorangehen, dass wir die neuesten Modell noch schneller hier sofort lokal produzieren. Mit dem Polo haben wir das erste Produkt, das gleichzeitig in Europa und China auf den Markt kommt. Und diese Strategie werden wir intensivieren und fortsetzen."
Die Deutschen sind in China deshalb so gerne gesehen, weil sie auch in schwierigen Zeiten ungebrochenes Vertrauen signalisiert haben. Zu denen, die sich bereits seit zwei Jahrzehnten in China engagieren, gehört auch der Chemieriese BASF. Mit der Grundsteinlegung für den neuen Verbundstandort in Nanjing schrieben die Ludwigshafener kürzlich Unternehmensgeschichte. Gemeinsam mit dem einheimischen Partner Sinopec investiert die BASF rund drei Milliarden Euro. Dies ist die größte Einzelinvestition, die das Ludwigshafener Unternehmen jemals gewagt hat. Doch wer in China dabei sein will, muss erst mal kräftig zahlen, so lautet die Devise in Vorstandskreisen. BASF-Vorstandschef Strube ist der Ansicht, dass China innerhalb der nächsten zehn Jahre Japan als den derzeit größten Chemiemarkt in Asien ablösen wird.
"Der chinesische Markt ist ein schnell wachsender Chemie-Markt. Er wird schnell wachsen, weil bislang ein großer Teil der benötigten Chemie-Produkte importiert wurde."
Die chemische Industrie wird nach wie vor vollständig von der Zentrale in Peking gesteuert. Und die ist sehr darauf bedacht, ausländischen Investoren nicht mehr als die Rolle des Initiators und Beraters zukommen zu lassen. Deshalb werden in strategischen Branchen wie Chemie oder Stahl nur Gemeinschaftsunternehmen genehmigt, an denen der ausländische Partner höchstens 50 Prozent halten kann.
Sie alle müssen mit enormen Energiekosten rechnen. Denn die Preise für Strom und Gas liegen in China durchschnittlich 60 Prozent über dem Weltmarktniveau. Zum einen, weil die Energie ineffektiv gewonnen wird, zum anderen weil zahlreiche Behörden mitverdienen wollen. Ein weiteres großes Thema war und ist die Produktpiraterie, sagt Geschäftsführer Krost von der Firma INA-Bearing in Taicang:
"Das ist ein großes Problem und trifft vermutlich alle hier. Z.B. unsere Motorenelementen - da werden die Produkte gefälscht, die sind dann natürlich von minderer Qualität, werden aber zu erheblich günstigeren Preisen auf dem Ersatzteilmarkt verkauft. Die sind auch beschriftet mit INA, unserer Teilenr. ? sehen wunderbar aus ? und für einen Laien ist es nicht immer sofort zu sagen, ob es sich um das Original oder eine Fälschung handelt. Dadurch erleiden wir einen Schaden. Und es ist sehr, sehr schwierig, diesen Fälschungsbetrieben auf die Spur zu kommen."
Douglas Clark, Partner bei der Anwaltskanzlei Lovells in Shanghai, versucht, im Auftrag seiner Kunden den Fälschern das Handwerk zu legen.
"Wir haben es in China mit verschiedenen Kategorien von Fälschern zu tun. Da gibt es zum einen die Leute, die wahrscheinlich gar nicht so genau wissen, was Urheberrechte eigentlich sind. Sie sehen nur, dass sich einige Produkte gut verkaufen lassen und versuchen deshalb, sie zu kopieren. Manchmal verändern sie den Namen und verkaufen das Auto dann nicht als BMW sondern als BMM. Sie denken, dass sie damit nicht gegen die Gesetze verstoßen ? BMW sieht das natürlich anders. Aber dann sind da vor allem jene, die schon immer professionell Produkte gefälscht haben. Oft kommen sie aus Taiwan oder Hongkong und haben ihre Produktion erst kürzlich nach China verlagert, weil es hier billiger und sicherer ist. Sie verkaufen ihre Waren in der Regel als Originale, und auch die Kunden sind der Meinung, dass sie Originale erwerben. "
Den Unternehmen bereiten nicht nur die entgangenen Umsätze Kopfzerbrechen, sondern vor allem die schlechte Qualität der Kopien, die ihren Ruf gefährden. Die chinesische Regierung ist sich des Problems durchaus bewusst und hat zum WTO-Beitritt das Copy-Right-Gesetz erneut verschärft. Der Anwalt Clark rechnet jedoch damit, dass auch in Zukunft gegen das Urheberrecht verstoßen wird. Unter den von ihm und seinen Kollegen angeheuerten Detektiven kursiert der Spruch, "Einen Kopierer wird man nie vom Kopieren abbringen, man kann höchstens erreichen, dass er die Marke wechselt." Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, VDMA, rät seinen Mitgliedern, vorerst nicht die allerneusten Produkte in China fertigen zu lassen. Ansonsten müssten sie damit rechnen, dass innerhalb kürzester Zeit Raubkopien auftauchen und schlimmstenfalls sogar nach Europa exportiert werden.
Beim viel gepriesenen Transrapidprojekt warnen Beobachter, dass die Chinesen schon bald in der Lage sein werden, den Transrapid selbst zu bauen, um ihn dann eines Tages nach Deutschland zu exportieren.
Doch kommt die deutsche Seite auf Anschlussprojekte zu sprechen, fordert Chinas Ministerpräsident Zhu Rongji auch schon das nächste Tribut: Nur wenn in Zukunft auch die Triebwagen in China hergestellt werden, könne man darüber verhandeln. Der Vorsitzende der Deutschen Handelskammer in Shanghai, Klaus Grimm, kann das durchaus nachvollziehen, sollte China sich wirklich in großem Maßstab für die Magnettechnologie entscheiden.
"Für uns, die wir die deutsche Wirtschaft hier vertreten, ist das ja viel mehr als nur ein Stück Technik. Das ist ein Symbol für das, was Deutschland leisten kann. Und das hat Ausstrahlung auch in ganz andere Bereiche: Mensch die Deutschen! Was die alles können. Nicht nur Mercedes und Volkswagen und BMW. Schau mal, wir Chinesen sind Weltspitze mit Hilfe der Deutschen. Und das ist in hohem Maße imagebildend, wenn das funktioniert."
Symbolkraft dürfte das Transrapid-Projekt auch in anderer Hinsicht haben. Die zähe Verhandlungsphase, das schnelle Genehmigungsverfahren und der wenig später entfachte Streit zwischen den Projektpartnern - all das kommt vielen Unternehmern bekannt vor. Und noch eines ist typisch an dem Projekt. Keiner der Beteiligten will öffentlich über die Probleme reden. Ganz nach dem Motto: Soll doch jeder selber merken, dass China ein großer - aber kein einfacher Markt ist.