Samstag, 27. April 2024

Archiv


Chancen und Nöte

Die Staatsoper steht vor dem renovierungsbedingten Umzug ins Schillertheater und der alte und neue Intendant Jürgen Flimm ist ante portas. An der Deutschen Oper steht Kirsten Harms vor dem Ende ihrer Intendanz und auch bei der Opernstiftung, in der die drei Häuser seit 2004 zusammengefasst sind, wurde ein neuer Generaldirektor ernannt. Viel Aufbruch und mitunter auch viel Ärgernis, unter diesen beiden Stichworten hatte die Fachzeitschrift "Opernwelt" Intendanten, Fachleuten, Politikern zu einem Kolloquium geladen.

Von Georg-Friedrich Kühn | 17.02.2009
    "Ich glaube, Berlin ist eine Opernstadt par excellence, viel mehr als Paris."

    Der Pariser Opern-Intendant Gerard Mortier verteilte Streicheleinheiten. Und er erzählte von seinen viermaligen Anläufen, an die Spree berufen zu werden, unter anderem mit dem Vorschlag, die Deutsche Oper in eine "Neue Oper" mit Schwerpunkt 20. Jahrhundert zu verwandeln.

    Bei der Politik stieß er damals auf taube Ohren. Und auch sein Vorschlag, im Blick auf die Zukunft und die wohl eher schrumpfenden Gelder sollte man über eine Fusion der beiden großen Häuser, Staatsoper und Deutsche Oper, nachdenken, dürfte wenig Gegenliebe finden.

    Die Verteilungskämpfe, wer wie viel Geld bekommt und welche Stücke er spielen kann, würden mit einer Fusion der beiden großen Häuser beendet. Man könnte sich konzentrieren aufs Wesentliche - und die Komische Oper sollte als ehemaliges Felsenstein-Haus auf jeden Fall selbständig bleiben:

    "Ich meine, wir müssen mal reden, warum machen wir Oper. Es geht nicht nur darum, welche Stücke spielt man, aber warum spielen wir diese Stücke? Was wollen wir mit unserem Opernrepertoire erzählen? Und wie spielen wir diese Stücke, sodass das Publikum, ein neues Publikum, angezogen werden kann durch eine programmatische Idee?"

    Mit den drei Berliner Opern ist es wie in einer richtigen Dreierbeziehung: Man streitet sich, man rauft sich zusammen. Und eigentlich geht's um immer das eine Thema: Verteilung der Ressourcen.

    Unterm Stichwort "Aufbruch und Ärgernis" hatte die Zeitschrift Opernwelt und die "Deutsche Akademie für Darstellende Künste" an "neutralen Ort", ins Berliner "Radialsystem", geladen.

    Mehr als Lust, denn als Last sollten die Berliner ihr Erbe der drei Häuser betrachten, empfahl Mortier. Und gemessen an der Bevölkerung - in Paris dreimal soviel wie in Berlin - seien die drei Häuser bei einer etwa gleich hohen Besucherzahl von 800.000 ja gut genutzt.

    Barbara Kisseler, Chefin der Senatskanzlei, pflichtete Mortier indirekt bei.

    "Ich glaube, dem Publikum ist völlig egal, wer wo was macht, solange es überzeugend ist oder aber einen ästhetischen Zugewinn, einen Mehrwert abwirft."

    Klaus Zehelein, ehemaliger Intendant der Stuttgarter Oper und Präsident des Deutschen Bühnenvereins, will die Oper vor allem zukunftsfähig machen: Nicht dadurch, dass man sich über eine mögliche bessere Qualität von Inszenierungen streitet, sondern dass man wirklich Neues schafft, indem man neue Musik und Musiktheater zusammenführt.

    "Wieso gibt es in Berlin nicht ein europäisches Zentrum für die Entwicklung eines Musiktheaters, das selbstverständlich die neuen Medien nicht ausschließt, sondern geradezu einbezieht als unsere Lebenswirklichkeit? Es wäre doch wirklich einzuklagen, dass es hier eine Art Werkstatt gibt, an der sich alle drei Häuser beteiligen. Das muss natürlich finanziert werden. Verdammt noch mal. Das fällt ja nicht vom Himmel, aber dass hier wirklich etwas für die Zukunft gemacht wird, und nicht dass man bestimmt, wir wollen halt eine bessere Qualität haben. Die neue Musik und die bessere Qualität - alles fällt nicht vom Himmel. Und die bessere Qualität lässt sich sowieso nicht bestimmen."

    Nur fast einig war man sich in der Einschätzung der Opernstiftung. Zunächst ein Instrument, die dreigliedrige Berliner Opernlandschaft zu erhalten, habe sie keinen Ewigkeitswert. Monika Grütters, Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete, plädierte allerdings für eine Reform und Stärkung dieser Stiftung. Und sie widersprach Mortiers Fusions-Überlegungen.

    "Ich glaube nicht, dass die einzelne Oper die internationale Herausforderung ist, selbst eine fusionierte nicht, weil es selbst dafür Beispiele gibt, von denen ich mit Respekt sage: Vielleicht sind die noch besser, als was wir haben. Was Berlin zu bieten hat, sind die drei, das ist die Herausforderung dieser drei Häuser in dieser Stadt. Und die zusammenzuführen in einer vernünftigen, gut gemachten Stiftung mit einem Generaldirektor, der es als begeisternde Herausforderung nähme, zum Beispiel diese Spielplanabsprachen zu machen und nicht nur zu administrieren, fände ich viel besser als das, was wir hier haben. Und wir müssen dann auch bereit sein, sie vernünftig auszustatten. Und dann muss man die Stiftungsform auch ändern, wirklich ändern, und sie nicht als Alibi für miese Einsparungen nehmen, obwohl der Bund immer wieder in erheblicher Höhe nachgeliefert hat."