Freitag, 19. April 2024

Archiv


Chaos und Clinch bei der NADA

Bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) in Bonn läuten die Alarmglocken. Mit Göttrik Wewer verabschiedete sich in kurzer Zeit schon der dritte Geschäftsführer. Die Justitiarin Anja Berninger übernahm das Amt kommissarisch. Geredet wurde viel über atmosphärische Störungen in der NADA-Administration – doch es gibt auch grundlegende strukturelle und finanzielle Sorgen.

Von Jens Weinreich | 02.10.2010
    Als Sportpolitiker des Bundestages sich Anfang der Woche mit NADA-Vertretern trafen, kam es zu einer peinlichen Situation. Die völlig überraschten Politiker wurden zunächst über die Trennung vom NADA-Geschäftsführer Göttrik Wewer informiert, einem ehemaligen Staatssekretär des BMI - auf SPD-Ticket. Das Bundesinnenministerium hatte die Lage ebenfalls nicht im Griff, wie der Parlamentarische Staatssekretär Christoph Bergner - CDU - einräumt:

    "”Soweit ich die Kuratoriumsmitglieder sprechen konnte, wurden sie von dieser Entwicklung auch völlig überrascht.”"

    Alarmierend daran: Sowohl Abgeordnete des Sportausschusses als auch Vertreter des BMI sitzen in diversen NADA-Gremien. Haben sie nicht hingeschaut? Ihre Prüfpflichten verletzt?

    Christoph Bergner: "”Das würde ich eher ausschließen, aber auch das muss natürlich geprüft werden. Also die Gremien, die die NADA konstituieren, die sie begleiten, in ihrem Zusammenwirken. Auch mit Blick auf die Verwendung der Bundesförderung und der Bundeszustiftung.”"

    Strukturelle Probleme sind offensichtlich. Sportausschuss und BMI wollen das Thema in den nächsten Wochen behandeln.

    "”Das Geschehen wird fürs BMI Anlass sein, sich mit dem Kuratorium und dem Vorstand der NADA zusammenzusetzen, um die Lage und die Ursachen und die Auswege zu besprechen. Ob hier nicht in der Zukunft auch eventuell strukturelle Veränderungen, was Satzung, was anderes betrifft, erforderlich sind. Wir wollen die Leistungsfähigkeit der NADA bewahren. Deshalb nehmen wir das jetzt nicht ganz auf die leichte Schulter.”"

    So genannte Prüfungen durch das BMI sind im Sport- und Dopingbereich nicht für ihre Konsequenz gefürchtet, da das BMI sich auch immer selbst überprüfen muss. Da momentan aber alle Beteiligten Erkenntnisdefizite offenbaren, sieht es allerdings durchaus nach Änderungen aus. SPD-Sportsprecher Martin Gerster sagt:

    "”Mir ist selbst nicht so wirklich klar, welches Thema mit welcher Entscheidungsbefugnis wird eigentlich in welchem Gremium diskutiert. Da gibt es einen Präsidialausschuss, da gibt es ein Kuratorium, da gibt es eine Geschäftsführung und und und ...”"

    Winfried Hermann, Sportsprecher der Grünen, diagnostiziert eine "merkwürdige Doppel- bis Dreifachstruktur” in der NADA:

    "”Ich kann im Moment nicht sagen, ob die falsche Personalauswahl zum Wechsel geführt hat, oder ob die Strukturen jeweils dazu führen, dass es nicht funktioniert. Es gibt eine professionelle Geschäftsführung und einen nicht-professionellen Vorstand, der aber phasenweise wie professionell in die Geschäftsführung rein regiert, was sehr untypisch ist. Es gibt dann noch ein Kuratorium. Die Beteiligten können das wahrscheinlich nicht mehr selbst lösen. Dazu sind auch zu viele sozusagen im Clinch gelegen. Das ist die Aufgabe derjenigen, die die Finanzierung zur Verfügung stellen.”"

    In der Kritik steht die Rolle des Vorstands Armin Baumert. Fragwürdig auch, was Kuratoriumschef Hanns-Michael Hölz, im Hauptberuf Banker bei der Deutschen Bank, bisher geleistet hat. Die Finanzierung der NADA hat er jedenfalls kaum auf ein solideres Fundament gestellt.

    Im Bereich Finanzen muss sich einiges tun. Denn im kommenden Jahr läuft die Zustiftung des Bundes für das NADA-Stiftungskapital aus – eine der Säulen der NADA-Tätigkeit. Bis 2011 erhöht der Bund das Stiftungskapital noch um eine Million Euro jährlich.

    Martin Gerster von der SPD: "”Da müssen wir natürlich aufpassen, dass die finanzielle Unterfütterung dieser wichtigen Arbeit natürlich auch stimmt. Auch natürlich die Länder sollten hier ihren Beitrag leisten. Wir haben am Montag in Köln auch noch einmal deutlich vor Augen geführt bekommen, dass die Länder, die am Anfang ja bei der Gründung der NADA deutliche Zusagen gemacht haben, dass die Länder eigentlich hier im Wort stehen, aber bei weitem nicht den Worten in den letzten Monaten und Jahren Taten folgen ließen.”"

    Kurzer Rückblick: Bei Gründung der NADA vor einem Jahrzehnt wurde über ein Stiftungskapital von rund 50 Millionen Euro diskutiert. Schließlich zahlte der Bund fünf Millionen.

    Die aktuelle Lage: Mit Stand Dezember 2009 betrug das Stiftungskapitel rund 11,2 Millionen – davon kamen 9,1 Millionen vom Bund, 1,3 Millionen von den Ländern, 383.000 von der Stadt Bonn, lächerliche 150.000 Euro von der Wirtschaft und peinliche 30.000 Euro vom Sport.

    Das ist die bittere Realität. Auch deshalb sagt der Grüne Winfried Hermann:

    "”Es gibt keinen Grund zur Selbstgerechtigkeit. Von daher sehe ich überhaupt nicht ein, dass der Bund sich hier zurückziehen kann. Im Gegenteil, das muss eine dauerhafte Aufgabe sein. Und dauerhaft müssen wir für genügende finanzielle Mittel sorgen. Wir werden wahrscheinlich einen Vorstoß machen und sagen: Der Bund soll nochmal Mittel drauflegen für Prävention. Allerdings gebunden daran, dass die Länder dieses Geld nur bekommen, wenn sie selber einen Anteil bringen.”"