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Charité Kandidatin für Bundesuniversität

Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) hat sich für die Charité in Berlin als Bundesuniversität ausgesprochen. Ein Vorschlag, den mancher Politiker angesichts leerer Berliner Kassen begrüßt. Ganz so einfach ist die Übernahme aber nicht.

Von Claudia van Laak |
    300 Euro im Monat mehr wollen sie, die Krankenschwestern und Pfleger der Charité, und deshalb haben sie in der letzten Woche gestreikt. Bezahlt die Charité ihre Pflegekräfte doch vergleichsweise schlecht, in den meisten anderen Berliner Krankenhäusern verdienen diese Beschäftigten mehr. Sollte der Bund längerfristig bei der Charité einsteigen, könnte dies mehr Geld für die Beschäftigten bedeuten – so hoffen zumindest Schwestern und Pfleger.

    "Aus dem Bundesangestelltentarif ist ja das Land Berlin ausgestiegen, die Charité ist aus dem landeseigenen Tarif ausgestiegen und mit dem Bundesangestelltentarif ginge es uns ja wirklich Gold."

    "Das wäre sicherlich eine Lösung, wenn eben halt die Sache, die als Probleme aufgetaucht sind, abgeschafft sind. Mehr Bezahlung, damit qualifizierte Kräfte in der Charité anfangen, damit die Qualität der Pflege wieder gewährleistet werden kann."

    Der derzeitige Tarifkonflikt zeigt die finanziellen Probleme einer der größten Universitätskliniken Europas. Der Ruf – auch der Medizinerausbildung – ist hervorragend, die Forschung exzellent. Mehr als die Hälfte der deutschen Nobelpreisträger für Medizin und Physiologie haben hier geforscht und gelehrt. Auch beim Exzellenzwettbewerb war und ist die Charité erfolgreich – zwei entsprechend geförderte Einrichtungen gibt es bereits, zwei weitere könnten folgen.

    Die Infrastruktur dagegen ist marode, die Charité hat im letzten Jahr ein Minus von 17 Millionen Euro erwirtschaftet. Kein Wunder, dass Berlins Landespolitiker die Charité gerne in die Hände des Bundes geben würden. Doch so einfach ist das nicht. Die Verfassung verbietet die Übernahme durch den Bund, sagt Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner.

    "Ich hab auch, soweit ich Frau Schavan gelesen hab, nie gehört, dass sie von einer Bundesuniversität redet und ich ja auch nicht von einer Bundesuniversität. Ich glaube, das sagt genug."

    Bildungssenator Zöllner schlägt stattdessen eine gemeinsame Einrichtung von Bund und Land vor, in der die Charité und das überwiegend vom Bund getragene Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin aufgehen könnten.

    "Das ist schon jetzt ein Institut, das sich mit Harvard und Stanford messen lassen kann. Die Charité ist die einzige deutsche Universitätsklinik, die einen vorderen Rang europa- und weltweit hat und wenn Sie die beiden zusammentun, werden Sie mehr erhalten als die Summe der Einzelteile."

    Bundesbildungsministerin Schavan (CDU) und Berlins Wissenschaftssenator Zöllner (SPD) kennen und schätzen sich schon lange, derzeit stehen beide an der Spitze der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. Die Pläne für einen Einstieg des Bundes bei der Charité dürften also relativ konkret sein, auch Landespolitiker Zöllner scheint schon entsprechende Papiere in der Schublade zu haben.

    "Sie können sich vorstellen, dass ich mir über dieses schon mehr Gedanken gemacht habe, als ich jetzt sagen kann und will. Lassen Sie uns das mal in Ruhe angehen."

    Jürgen Zöllner setzt also offensichtlich darauf, nach der Abgeordnetenhauswahl im September Wissenschaftssenator in Berlin zu bleiben. Er beziehungsweise sein Nachfolger müssen dann in puncto Charité eine Menge Fragen klären. Wie soll die Fusion des Max-Delbrück-Centrums mit der Charité genau aussehen? Wie hoch wird der Landes- wie hoch der Bundesanteil an der gemeinsamen Gesellschaft sein? Wer übernimmt die Investitionskosten von etwa 660 Millionen Euro? Wird die Charité als Ganzes oder nur ein Teil in der gemeinsamen Einrichtung von Bund und Land aufgehen? Wird die Forschung eventuell vom Krankenhausbetrieb getrennt? Verbleibt ein Teil beim Land oder wird gar privatisiert? Die Beantwortung all dieser Fragen kostet Zeit und hängt auch von den künftigen politischen Konstellationen in Bund und Land ab. Gesetze müssen neu geschrieben, andere überarbeitet werden. Auch wenn die Exzellenzinitiative erst 2017 endet – die Arbeit muss jetzt beginnen, fordert Berlins Wissenschaftssenator.