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Charlie Hebdo
Empörung über Karikatur mit totem Flüchtlingskind

Charlie Hebdo ist für viele eine Ikone der Meinungsfreiheit. Die Redaktion war Ziel eines furchtbaren Anschlags. Nun sorgt das Magazin mit einer Karikatur des ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylan für Empörung. Und wieder steht die Frage im Raum: Was darf Satire?

15.09.2015
    Eine Ausgabe der französischen Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" im Regal eines Zeitschriftenhändlers in Frankfurt/Main
    Mit einer Karikatur des toten Flüchtlingsjungen Aylan sorgt Chalie Hebdo für Empörung (dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst)
    Charlie Hebdo hat sich die Flüchtlingskrise in Europa vorgenommen. So weit, so erwartbar. Eine Karikatur ist eine Anspielung auf das bei Bodrum tot an den Strand gespülte syrische Flüchtlingskind Aylan. Das Schicksal des Jungen hatte weltweit für Aufmerksamkeit und Anteilnahme gesorgt und in vielen Ländern politischen Druck auf die Regierung ausgelöst.
    Auf der Zeichnung sieht man vor dem toten Kind am Strand ein Werbeschild mit dem Clown-Maskottchen einer Fast-Food-Kette. Auf dem Schild auf Französisch: "Sonderangebot: Zwei Kinder-Menüs zum Preis von einem". Überschrieben ist das Ganze mit: "Willkommen, Flüchtlinge!! Und "So nah am Ziel ...".
    Eine weitere Karikatur zeigt einen Mann, der über das Wasser gehen kann, daneben ragen nur noch die Füße eines Ertrinkenden aus dem Wasser heraus. Dazu ist zu lesen: "Der Beweis, dass Europa christlich ist. Die Christen laufen über das Wasser, die muslimischen Kinder ertrinken."
    Darf ein totes Kind für Satire benutzt werden?
    Nicht nur in Frankreich wird jetzt darüber diskutiert, ob Charlie Hebdo mit den Karikaturen eine Grenze überschritten hat. Auf Twitter äußern sich Nutzer empört. Einige schreiben, Charlie Hebdo solle sich schämen. Andere machen deutlich, dass es für sie mit der Solidarität nach dem Attentat auf das Satiremagazin vorbei ist.
    Andere sehen in der Zeichnung keine Verletzung der Menschenwürde, sondern Kritik am Umgang Europas mit den Flüchtlingen. Charlie Hebdo mache sich nicht über den Tod von Aylan lustig, sondern über das Christentum, Europa und die westliche Gesellschaft.

    Menschenrechtler prüfen Klage
    Der Redaktion droht nun möglicherweise eine Klage. Eine britische Organisation hat über Twitter rechtliche Schritte angekündigt.
    Eine Sprecherin von Charlie Hebdo sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, man wisse bislang nichts von möglichen Klagen.
    Islamisten hatten Anfang des Jahres einen Anschlag auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo verübt. Zwölf Menschen wurden getötet. Mit dem Slogan "Je suis Charlie" hatten Menschen auf der ganzen Welt ihre Solidarität mit dem Magazin und seinen Machern ausgedrückt.
    //Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns damals entschieden, das Bild des tot am Strand liegenden Jungen nicht zu zeigen und das auch begründet. Wir wollen deshalb auch die Karikatur nicht zeigen.//
    (at/mb)