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Chauffeur mit optimalem Überblick

Technik. – Es ist der ganz alltägliche Wahnsinn: Mit zuverlässiger Sicherheit verstopfen Tag für Tag Abertausende von Autos die großen Städte. Für den Rest des Tages stehen dann die meisten Blechkarossen ungenutzt herum und nehmen viel Platz weg. Wie viel praktischer wäre es doch, diesem Treiben mit neuen, komfortablen Verkehrssystemen ein Ende zu bereiten. Diese sollten dabei möglichst flexibel und individuell sein. Französische Ingenieure setzen dazu auf vollautomatische Autos. Ihre intelligenten Blechdroschken von morgen sollen schneller und sicherer sein.

    Von Beate Weides

    Hier müssen wir also einen Befehl eintippen, der setzt das Programm in den Rechnern in Gang, die sich an Bord des Fahrzeugs befinden. Und so startet man das Fahrzeug und jetzt kann ich jede Art von Programm eingeben, auch eines für manuellen Betrieb.

    Anders als Ingenieur Tony Noel wird der künftige Benutzer eines Cybercars später nur noch eine Taste auf einem Bildschirmfeld berühren müssen, um zwischen automatischem und manuellem Fahrbetrieb zu wählen. Das Team des französischen Forschungsinstituts für Informatik und Automation hat als Testfahrzeuge leise Elektroautos gewählt, die zum Teil speziell für Golfplätze gebaut wurden. Auf den verschiedenen Teststrecken orientieren sich die Cybercars im vollautomatischen Betrieb entweder an Markierungspfosten rechts und links der Fahrbahn oder an daumennagelgroßen Magneten, die alle paar Meter in der Fahrbahnmitte in den Asphalt eingelassen sind. Auf reservierten, abgesicherten Pisten könnten vollautomatische Wagen problemlos bis zu 200 Stundenkilometer fahren, im normalen Stadtverkehr ist die Sicherheit allerdings nur bis Tempo 30 gewährleistet.

    So wie wir in der Lage sind, die Markierungen zu erfassen, können wir auch Gegenstände erfassen. Alle Gegenstände, die sich dem Fahrzeug in den Weg stellen, werden auf die gleiche Weise erfasst wie die Markierungen und wir halten an. Wenn der Weg wieder frei ist, geht die Fahrt weiter.

    Problematisch wird es, wenn sich Objekte sehr schnell auf die Cybercars zu bewegen oder deren Tempo gesteigert wird. Die Autos reagieren auf ihre Umgebung auf der Basis von Sensordaten etwa von Kameras und Radargeräten. Die Auswertung der Flut von Messdaten ist zeitaufwendig und sehr rechenintensiv. Mit Fördermitteln der Europäischen Union versuchen die französischen Forscher, die Automatik absolut zuverlässig zu machen. Um falsche Reaktionen des Fahrzeugs zu vermeiden, wenn etwa ein Messinstrument ausfällt, werden wie im Flugzeug mehrere Bordcomputer hintereinander geschaltet. Institutsleiter Michel Parent ist sich der Grenzen des intelligenten Autos dennoch bewusst: Wie sollte es je entscheiden können, ob es bei einem Hindernis auf der Fahrbahn eher nach rechts ausweichen soll und dabei einen Karton überfährt, oder nach links und dabei einen Kinderwagen erfasst? Die meisten europäischen Autohersteller sind vor allem aus versicherungstechnischen Gründen sehr zurückhaltend. Dennoch sieht Michel Parent in Ballungszentren gute Chancen für einen individualisierten öffentlichen Nahverkehr, eine Art neuartiges Carsharing:

    Man kann in Innenstädten eine oder mehrere Wegstrecken anlegen, die für automatische Fahrweise ausgerüstet sind. Carsharing-Fahrzeuge verbinden dann eine genügend große Anzahl von Parkplätzen miteinander. Der Kunde kann sich diese Autos von einem der unter- oder überirdischen Parkplätze holen und im manuellen Modus damit wegfahren oder, wenn es sich um ein Kind handelt, kann es sich vollautomatisch steuern lassen, vorausgesetzt es bleibt in dieser Zone, die mit Magneten ausgestattet ist.

    Der Kunde könnte das Fahrzeug per Handy bestellen und es würde sogar ganz von allein bis vor seine Füße fahren, wenn einmal das ganze Stadtgebiet dafür präpariert ist. Ist der Fahrgast dort angekommen, wo er hin will, schickt er den Wagen einfach wieder weg. Wie ein Taxi, nur geht alles vollautomatisch. Ein Zentralrechner würde dafür sorgen, dass sich die Fahrzeuge möglichst immer schön gleichmäßig über das Stadtzentrum verteilen, so dass kein Kunde länger als ein paar Minuten warten müsste. Mehrere europäische Städte haben Interesse bekundet, Cybercars in ihren Zentren zu testen. Aber auch sie müssen zuerst die juristischen Fragen der Haftung klären.