Dienstag, 16. April 2024

Archiv

CHE-Studie
Private Hochschulen stellen sich auf neue Typen von Studierenden ein

Private Hochschulen seien nicht mehr zum Großteil elitär und selektiv, sagte Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) im DLF. Er hat untersucht, was Erfolgsfaktoren bei den privaten Hochschulen sind: Demnach richten sie sich - eher als staatliche - stark danach, was Studierende brauchen.

Ulrich Müller im Gespräch mit Manfred Götzke | 22.02.2017
    Eine Studentin der Schulpädagogik schreibt am 17.10.2012 während einer Vorlesung in einem vollen Hörsaal in der Universität in Tübingen (Baden-Württemberg) mit.
    An privaten Hochschulen gebe es zum beispiel "eine Art kontinuierlicher Kümmerer", sagte Müller im DLF. (picture alliance / dpa - Jan-Philipp Strobel)
    Manfred Götzke: Wenn vom Akademisierungstrend oder wahlweise auch Wahn gesprochen wird, sind ja meistens die staatlichen Hochschulen gemeint, die es ja nur so mit Ach und Krach schaffen, die wachsenden Studimassen irgendwie durch’s Studium zu schleusen. Dabei füllen sich die privaten Hochschulen noch viel schneller und massiver mit Studierenden. In den letzten zehn Jahren sind sie um 233 Prozent gewachsen und beherbergen jetzt knapp sieben Prozent der Studierenden, und dabei sind sie offenbar auch erfolgreich, sonst würden Studierende ja dafür keine Gebühren zahlen. Warum das ist, hat das Centrum für Hochschulentwicklung in einer neuen Studie untersucht, und einer der Autoren ist Ulrich Müller. Herr Müller, meine Erklärung für den Boom wäre ja, wenn die staatlichen Unis zu voll sind, wechsel ich dahin, wo ich gut betreut werde, wenn ich es mir denn leisten kann.
    Ulrich Müller: Ja, da steckt so ein bisschen noch das alte Denken über Privathochschulen drin. Früher war das wirklich so, dass der Großteil privater Hochschulen elitär war und selektiv und was für die Schönen und Reichen. Das ist nicht mehr so. Also das Erstaunliche ist ja, dass die privaten Hochschulen inzwischen größtenteils Fachhochschulen sind und dass sie was schaffen, was den staatlichen Hochschulen deutlich schwerer fällt offensichtlich, nämlich sich einzustellen auf neue Studierendentypen.
    "Es gibt aber immer mehr vielfältige Bildungsbiografien"
    Götzke: Sie sagen ja genau, dass diese privaten Hochschulen es schaffen, atypische Studierendengruppen anzuziehen. Wen meinen Sie denn damit?
    Müller: Vielleicht im Umkehrschluss erst mal, was ist so der klassische Studierendentypus – das ist aus meiner Sicht immer noch der Student: 19 bis 24 Jahre alt, Abitur, kinderlos, der im Präsenzstudium studiert, in Vollzeit, und es gibt aber immer mehr vielfältige Bildungsbiografien. Das ist der Handwerksmeister, der abends oder am Wochenende berufsbegleitend sich in BWL fortbilden will; das ist vielleicht die technische Zeichnerin, die kein Abitur hat, aber trotzdem unheimlich gern Design studieren möchte; das ist die alleinerziehende Mutter, die erst abends, wenn das Kind endlich schläft, den Laptop aufklappen kann. Das sind so ein paar Beispiele für die neue Vielfalt, die Studierende inzwischen darstellen.
    Götzke: Und warum schaffen das die Privaten besser, mit diesen Leuten klarzukommen oder deren Bedürfnisse zu bedienen?
    Müller: Ich glaube, ein Grund ist einfach, dass staatliche Hochschulen dann in der Regel doch eher noch davon ausgehen, dass sich die Studierenden anpassen müssen an die vorherrschenden traditionellen, universitären Muster, während die erfolgreichen privaten Hochschulen – da ist ja auch nicht alles Gold, was glänzt –, aber die erfolgreichen, die richten sich stark aus danach, was die Studierenden brauchen, um wirklich erfolgreich einen Abschluss zu kriegen und mit diesem Abschluss erfolgreich im Beruf zu sein.
    "Eine Art kontinuierlicher Kümmerer"
    Götzke: Das waren ja früher Dinge, die die staatlichen Hochschulen ja weniger interessiert haben, diese berufliche Orientierung, aber spätestens seit Bologna sagt man ja, genau das hat sich doch auch an den staatlichen Hochschulen verändert, also eine klarere Orientierung zum Beruf, zur Karriere hin, zu dem, was man mit dem Studium hinterher machen kann.
    Müller: Völlig richtig. Ich würde auch gar nicht jetzt hier so ein Schwarz-weiß-Denken aufmachen, nach dem Motto: Private sind immer top und die Staatlichen, das haut nicht so richtig hin. Das wäre auch falsch, aber es ist ein Fakt, dass gerade die privaten Fachhochschulen unheimlich stark darin sind, diese neuen Zielgruppen zu adressieren. Das ist eine enorme Stärke, die die da ausspielen. Das heißt nicht, dass die staatlichen Hochschulen manche von den Erfolgsfaktoren, die wir rausgefunden haben, nicht auch machen. Das stimmt, machen die garantiert auch, aber die Privaten, die erfolgreichen privaten Fachhochschulen vor allem, setzen das unheimlich konsequent und stringent um. Ein Beispiel nur, um das ein bisschen greifbarer zu machen: Was Sie an der staatlichen Hochschule eher selten finden werden, ist so ein Studiumbetreuer, der den Studenten wirklich mit Namen kennt, der ihm für fachliche Fragen zur Verfügung steht, für überfachliche Fragen, so eine Art kontinuierlicher Kümmerer.
    Götzke: Aber das sind doch auch Dinge, die was kosten und die sich an staatlichen Hochschulen ja gar nicht so ohne Weiteres realisieren lassen.
    Müller: Das ist ja gerade das Erstaunliche, dass die privaten Hochschulen hier erfolgreich sind, auch bei nichttraditionellen Zielgruppen, obwohl Studiengebühren verlangt werden. Das ist natürlich ein Grund, warum das möglich ist an privaten Hochschulen, unter anderem die auch Größe natürlich, aber eben auch die Mittel, die direkt unmittelbar in die Lehre fließen, in die Betreuung. Da sind staatliche Hochschulen in der Tat derzeit gehandicapt, da sie in keinem Land in Deutschland Beiträge erheben dürfen.
    Staatliche Hochschulen: "Verantwortung für den Studienerfolg alleine auf den Schultern der Studierenden"
    Götzke: Wäre das die Konsequenz, die man ziehen müsste, um auch die staatlichen Hochschulen in diesem Punkt erfolgreicher zu machen?
    Müller: Ich würde nicht alles auf’s Geld schieben. Was wir rausgefunden haben, sind eher Grundhaltungen. Die erfolgreichen privaten Hochschulen, die wirklich gut darin sind, neue Zielgruppen anzusprechen, die verkörpern gewisse Grundhaltungen, die sich zumindest zum Teil wirklich überall umsetzen lassen, auch nicht unbedingt wahnsinnig viel Geld. Den einen Punkt hatte ich eben schon erwähnt, dass einfach die Studierenden wahrgenommen werden, dass die Hochschule aber auch Verantwortung übernimmt für Studierende. Es ist ja oft an staatlichen Hochschulen noch so, dass sie die Verantwortung für den Studienerfolg alleine auf die Schultern der Studiereden legen. Die werden zur Not dann rausgeprüft oder gehen in der Masse unter. An einer privaten Hochschule, die erfolgreich ist, werden sie wahrgenommen und gewürdigt. Dann geht es um Studienformate, also Teilzeitstudium. Die HRK hat letztes Jahr im November beschlossen, dass Teilzeitstudium eine zeitgemäße Studienform sei und keine Notlösung. Völlig richtig, aber an staatlichen Hochschulen studieren derzeit weniger als drei Prozent in Teilzeit, an privaten Hochschulen über elf. Da merkt man schon, da sind die Privaten, die erfolgreichen, vielleicht einen Tick weiter.
    Götzke: Sagt Ulrich Müller vom Zentrum für Hochschulentwicklung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.