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Chefarzt in arger Bedrängnis

Forschungspolitik. - Der Fälscherskandal an der Freiburger Universität hat einen weiteren Abschlußbericht hervorgebracht und könnte das nächste Wissenschaftleropfer fordern. Heute stellte die universitätseigene Untersuchungskommission ihren Bericht vor und brandmarkte die Vorgänge an der einst als Tumorforschungszentrum bekannten Klinik für Innere Medizin mit harten Worten.

    "Falls Roland Mertelsmann nichts von den Unregelmäßigkeiten bemerkt haben will, muss in seiner Eigenschaft als Leiter des betroffenen Forschungsbereiches entweder von vorneherein geeignete Kontrollmaßnahmen versäumt oder diese, so weit vorhanden, nicht in gebotener Weise ernst genommen haben", geißelt Albin Eser, Vorsitzender des Uni-Untersuchungsausschusses, die Missstände an der Uniklinik mit drastischen Worten. Der Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, war von Universitätsrektor Wolfgang Jäger mit der Untersuchung der Vorkommnisse beauftragt worden. Unter Mertelsmanns Ägide hatten die beiden Krebsforscher Friedhelm Hermann und Marion Brach in Freiburg geforscht und dabei offenbar Daten in großem Maßstab gefälscht und zurechtgebogen. Der bisher schlimmste Fälscherskandal der deutschen Forschungslandschaft flog im vergangenen Jahr auf, beide Forscher verloren in der Folge ihre Professuren. Jetzt ist ihr ehemaliger Chef an der Reihe. Ihm wird möglicherweise eine in Deutschland weit verbreitete Übung zum Verhängnis: den jeweiligen Chef als Mitautor einer Studie aufzuführen. Mertelsmann genießt diese Ehre in 58 von insgesamt 94 anrüchigen Studien des Duos Hermann/Brach. Konkrete Fälschungen konnten dem Chefarzt nicht nachgewiesen werden, doch wirft ihm die Untersuchungskommission Mitwisserschaft vor.

    Als Konsequenz hat der Universitätsrektor den Vorstand der Uniklinik gebeten, Mertelsmann die Verantwortung für die patientenbezogene Forschung zu entziehen, und darüber hinaus dem baden-württembergischen Wissenschaftsminister die Einleitung eines Disziplinarverfahrens empfohlen. Die Auswirkungen auf die wissenschaftliche Reputation des einmal als führender deutscher Gen-Therapeut eingestuften Mertelsmann sind noch unwägbar. Uni-Rektor Jäger: "Das ist eine Frage der Scientific Community, die sich auch mit diesen Fragen auseinander setzen wird. Das Ergebnis bleibt abzuwarten."

    [Quelle: Sebastian Bargon]