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Chefin aus Schweden

Im mexikanischen Badeort Acapulco präsentieren sich die Bewerber für die Olympischen Winterspiele 2018 erstmals auf einem internationalen Sportkongress. Für München, Pyeongchang (Südkorea) und Annecy (Frankreich) geht es auf dem Weltkongress der nationalen Olympiakomitees und des IOC um einen guten ersten Eindruck. In den kommenden Monaten werden die Bewerber dann von der IOC-Evaluierungskommission geprüft. Kommissionschefin ist die Schwedin Gunilla Lindberg.

Von Jens Weinreich | 20.10.2010
    Logo der Bewerbungsgesellschaft München 2018.
    Logo der Bewerbungsgesellschaft München 2018. (Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH)
    Gunilla Lindberg ist 63 Jahre alt und zweifache Mutter. Sie ist Berufsfunktionärin, anderem Generalsekretärin des schwedischen NOK und des NOK-Weltverbandes ANOC. Seit 1996 gehört sie dem IOC an, saß lange Jahre im Vorstand und war vier Jahre IOC-Vizepräsidentin. Nur Chefin einer IOC-Arbeitsgruppe war sie noch nicht. Nun leitet sie die Prüfungskommission für die Winterspiele 2018. IOC-Präsident Jacques Rogge hat sie vor einem Monat ernannt:

    "”Ich fühle mich sehr geehrt. Um so ein Amt bewirbt man sich nicht. Keine halbe Sekunde habe ich gebraucht, um Ja zu sagen. Ehrlich gesagt, so einen Job habe ich lange gesucht. Ich kenne das Geschäft gut genug, ich weiß, worauf es in der Kommission ankommt.”"

    Elf Olympische Spiele hat Gunilla Lindberg für das schwedische NOK vorbereitet, an 20 Spielen nahm sie teil. Diese Erfahrung kommt ihr nun zugute. Zumal sie aus einem klassischen Wintersportland stammt. Die Kommission aus elf Offiziellen, darunter drei IOC-Mitglieder und IOC-Direktor Gilbert Felli, wird im Februar und März 2011 Pyeongchang, Annecy und München besuchen. Danach fertigt sie ihren technischen Bericht an, der den IOC-Mitgliedern auf einem Info-Meeting im Mai zugeht. Im Juli stimmt die IOC-Vollversammlung ab.

    Die Kernfrage bei derlei Bewerbungen lautet stets: Wie wichtig ist der Evaluierungsbericht? Sind die technischen Kriterien ausschlaggebend oder sportpolitische Konstellationen?

    Der Bericht wird immer wichtiger, sagt Gunilla Lindberg, denn wenn die falsche Stadt gewählt würde, könnten die Spiele leicht ein Reinfall werden. Bisher hat sie sich noch nicht mit den Bewerbungsunterlagen vertraut gemacht. Eins aber kündigt sie bereits an: Sie wird sich in München und Garmisch-Partenkirchen mit Olympiagegnern treffen und deren Argumente hören:

    "”Natürlich treffen wir uns mit der Opposition, sagt Frau Lindberg. Sie kommt aus Schweden, dass sich sechsmal vergeblich um Winterspiele beworben und stets auch eine Opposition hatte. In München werde man sich mit den Olympiagegnern austauschen.”"

    Eine andere Frage lautet, inwieweit die Ereignisse der vergangenen Monate, der Widerstand in Bayern, das Stimmungsbild im IOC beeinflussen können. Ski-Weltpräsident Gian-Franco Kasper hat kürzlich im Deutschlandfunk erklärt, das spiele eine große Rolle. Gunilla Lindberg weicht der Frage etwas aus:

    "”Ich will mir meinen eigenen Eindruck machen. Bisher habe ich noch nicht mal die Unterlagen lesen können. Wir beginnen bald mit der Arbeit. Von Zeitungsberichten allein lasse ich mich nicht beeinflussen.”"

    Alles auf Start, heißt das Motto vor der ersten Präsentation in Acapulco. Dort ist Gunilla Lindberg allerdings weniger als Chefin der Evaluierungskommission aktiv. Nein, als ANOC-Generalsekretärin organisiert sie den Sportgipfel am Pazifik.