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Chemie der Liebe

Psychologie. - Herzklopfen und feuchte Hände sind nicht die einzigen Zeichen, mit denen der Körper zeigt, dass der Geist verliebt ist. Biochemisch geschieht noch viel mehr, wie Forscher der Universität von Pisa in einer groß angelegten Studie herausgefunden haben.

    Von Thomas Migge.

    Der Gefühlsaustausch ist für beide Seiten gleich. Man wusste bisher nur noch nicht in ganzer Klarheit, was denn da in einem passiert, was chemisch abläuft und ich sage Ihnen: für unseren Körper ist das reine Chemie. Das ist ein pures Zusammenkommen chemischer Reaktionen.

    Dass Liebe, dass Verliebtsein für sie nur chemische Reaktionen sind, will man ihr gar nicht glauben. Donatella Marazziti ist eine gutaussehende junge Frau mit langen blonden Haaren und einem aufgeschlossenen Gesicht. Doch über Liebe und alles, was dazu gehört, redet sie so, als ob es sich um wissenschaftliche Experimente im Labor handelt: unter Einzellern oder Testmäusen. Ihre Worte sind kühl und rational. Signora Marazziti ist Psychiaterin an der Universität Pisa. Vor einigen Tagen wurde ihr Buch "Die Natur der Liebe" in Italien publiziert und gleich zum Sommerthema Nummer Eins erkoren - und das, obwohl sie trocken und wissenschaftlich über "l'amore" spricht:

    Ich habe versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen. Auch in der Liebe. Wissenschaftlich gesehen und aufgrund meiner chemischen Kenntnisse. Dabei entdeckte ich, dass Liebe im Individuum biochemische Reaktionen auslöst. Eine Gruppe von Studenten, die sich im Verliebtheitsstadium befanden, stellten sich als Versuchspersonen zur Verfügung. Fast alle sind um die 20 Jahre jung.

    Donatella Marazziti hat sich zusammen mit ihren Mitarbeitern auf die im Blut befindlichen körpereigenen Neurotransmitter konzentriert. Sie stellte fest, dass diese Botenstoffe direkt auf die Psyche wirken und bei Verliebten häufiger anzufinden sind als bei Nichtverliebten. Im Blut von Verliebten fand sie besonders häufig das Dopamin. Dieser Botenstoff bewirkt, dass ein Individuum sich einer anderen Person gegenüber öffnet. Mehr öffnet, als dass normalerweise der Fall ist. Ihre Theorie ist die, dass der Körper beim Verliebtsein hohe Mengen von Dopamin produziert. :

    Wenn das Dopamin im menschlichen Blut nicht ausreichend vorhanden ist, dann kann sich ein Liebesgefühl nicht richtig entwickeln. Casanova zum Beispiel: Er wird einen absoluten Überschuss an Dopamin gehabt haben. Bei ihm wurde aufgrund dieser biochemischen Komponente das Liebenwollen zu einem Zwang. In diesem Zusammenhang können wir von einer Abhängigkeit sprechen, verursacht durch zuviel Dopamin. Bei Personen, bei denen das Gegenteil der Fall ist, müsste man Dopamin dem Körper beigeben.

    Um den Liebeshaushalt, wie sie es nennt, zu harmonisieren. Donatella Marazziti ist davon überzeugt, dass viele Menschen aufgrund ihrer biochemischen Konstitution unbewussterweise nicht dazu fähig sind, Liebesgefühle zu entwickeln. Erschwerend kann hinzukommen, dass die hintere Hirnzone - die für das Ordnen von Gefühlen verantwortlich ist - ihrer Aufgabe nicht richtig nachkommt und Unruhe und Nervosität, typisch beim Verliebtsein, nur langsam verarbeitet. Solchen Personen könne, so die Forscherin, geholfen werden: mit der vorsichtigen Verabreichung von Dopamin. In diesem Zusammenhang fand Signorina Marazziti bei ihren Untersuchungen ebenfalls heraus, dass für eine dauerhafte Partnerschaft die ausreichende Präsenz des Neurotransmitter Oxytocin verantwortlich ist. Über diesen Botenstoff verfügen vor allem Frauen. Es wird bei der Geburt eines Kindes in großen Mengen freigesetzt, aber auch während des Geschlechtsakts. Neben der Dauerhaftigkeit einer Beziehung ist es auch für altruistisches Verhalten zuständig. Männer, weiß die Forscherin, besitzen leider weniger Oxytocin als Frauen: deshalb, resümiert sie, sollte man Männern auch kräftige Dosen diesen Botenstoffs verpassen.