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Chemie
Tandem-Katalyse gegen Blutgerinnsel

Ein Katalysator beschleunigt eine chemische Reaktion, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Forscher aus Kalifornien haben in "Nature Communications" beschrieben, wie sie einen komplexen Katalysator konstruiert haben. Zum Einsatz könnte dieser in der Medizin kommen - als eine Anti-Thrombose-Beschichtung.

Von Arndt Reuning | 12.02.2014
    Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Blutplättchen.
    Blutplättchen spielen bei der Blutgerinnung eine wichtige Rolle. (picture-alliance / dpa)
    Die Chemikerin Yu Huang von der University of California, Los Angeles, sieht sich selbst als eine Architektin des Nano-Kosmos. Sie errichtet zwar keine Gebäude, aber sie konstruiert neuartige Katalysatoren - nicht nur für die Chemieindustrie. Ihre jüngste Entwicklung steckt in einer Beschichtung, die dabei helfen könnte, Thrombosen zu vermeiden.
    "Die können wir zum Beispiel für Implantate und andere medizinische Geräte benutzten. Wenn deren Oberflächen Unebenheiten oder andere Störungen aufweisen, kann dort Blut gerinnen. Es sammelt sich als Klumpen auf der Oberfläche an."
    Eine chemische Verbindung, die solche Blutgerinnsel verhindert, ist das Gas Stickstoffmonoxid. Das ist eigentlich giftig, aber in geringsten Mengen verhindert es sehr effektiv, dass die Blutplättchen aktiviert werden und an Oberflächen anhaften. Bisherige Anti-Thrombose-Schichten haben daher Substanzen enthalten, die beständig geringe Mengen des Oxids ins Blut abgegeben haben. Der Nachteil dieses Konzepts besteht darin, dass die Vorläufersubstanzen irgendwann aufgebraucht sind. Für einen längeren Gebrauch eignen sich die Beschichtungen daher nicht.
    "Wir nehmen uns die Natur zum Vorbild, unseren eigenen Körper. Wir haben einen Katalysator entwickelt, mit dem möchten wir die Funktion der Zellen in den Blutgefäßen nachahmen. Die können kontinuierlich geringe Mengen von Stickstoffmonoxid herstellen und so Thrombosen und Blutgerinnsel verhindern."
    Schützende Stickstoffverbindung
    Das Besondere an diesem Ansatz: Die Quelle für die schützende Stickstoffverbindung befindet sich nicht in der Beschichtung selbst, sondern besteht aus Substanzen, die bei jedem Menschen im Blut vorhanden sind: Zum einen ist das Blutzucker, also Glucose, und zum anderen die Aminosäure Arginin. In der Beschichtung sitzen zwei Katalysatoren, die den Vorteil haben, dass sie nicht verbraucht werden. Weil beide Hand in Hand arbeiten, spricht Yu Huang auch von einer Tandem-Katalyse. In diesem Fall entsteht zwar nicht Stickstoffmonoxid, sondern die eng verwandte hyposalpetrige Säure. Aber die besitzt eine ähnliche Wirkung auf die Blutplättchen. Damit die Reaktion gelingt, müssen beide Katalysatoren auf einer dünnen Schicht aus Kohlenstoff verankert werden.
    "Die dient vor allem als Trägermaterial für unseren zweiten Katalysator. Dessen Moleküle neigen dazu, miteinander zu verkleben. In dieser Form sind sie dann nicht mehr aktiv. Auf dem Kohlenstoff verteilen sich einzelne Moleküle, sodass sie beständig wirksam bleiben. Außerdem schützt das Material den Katalysator vor Sauerstoff und verhindert damit, dass er abgebaut wird."
    Um die Wirksamkeit des Materials zu belegen, betteten die Forscher aus Los Angeles es in den Kunststoff Polyurethan ein. Daraus stellten sie eine dünne Folie her, die sie drei Tage lang in Blutplasma einlegten. Als Kontrolle diente eine Folie aus reinem Polyurethan.
    "Auf dem Film ohne unseren Tandem-Katalysator sieht man eine ganze Menge Ablagerungen. Aber die Oberfläche der Schicht, in die wir ihn eingebettet hatten, sieht dafür wirklich sauber aus."
    Yu Huang hat auf ihren Tandem-Katalysator bereits ein Patent angemeldet. Jetzt sucht sie nach einem Geschäftspartner, mit dem sie das Material vermarkten kann.