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Chemie-Unterricht soll wieder Spaß machen

Bunte, giftige Gemische, Experimente mit Knalleffekt - das klingt für viele Schüler im theorielastigen Schulalltag wie eine vollkommene Abwechslung. Doch dann gestaltet sich der Chemie-Unterricht oftmals anders, als erhofft: Statt Experimenten mit Bunsenbrenner und dicker Schutzbrille müssen Zahlenreihen gepaukt werden, und so verwandelt sich der Chemie-Unterricht schnell zu einer drögen Theoriemasse. Auch viele Chemielehrer scheinen den Spaß an der Materie verloren zu haben: Denn rund ein Drittel von ihnen besucht schon seit langem keine Fortbildung mehr. Das Fortbildungsangebot für Chemielehrer sei unattraktiv, meint die Hälfte aller betroffenen Pädagogen. Um frischen Wind in den Chemie-Unterricht zu bringen, ist deshalb vor einem knappen Jahr das erste Chemielehrerfortbildungszentrum in Frankfurt gegründet worden. Weitere Einrichtungen in Dortmund und Nürnberg folgten. Gemeinsam ist diesen drei Fortbildungen: Im Chemie-Unterricht soll neben aller grauen Theorie wieder mehr passieren.

04.01.2003
    Lange scheint es her zu sein, dass Schüler in ihrem Chemie-Unterricht so richtig Spaß hatten und auch etwas dabei lernten. Denn inzwischen ist die Naturwissenschaft sowohl bei Schülern, als auch bei Studierenden zu einem regelrechten Horrorfach mutiert. Allein an der Uni Frankfurt hat sich die Zahl der Studienanfänger im vergangenen Jahr nahezu halbiert, obwohl die Industrie händeringend nach Nachwuchs sucht. Auch Bettina Most hat als Realschullehrerin in Dortmund mit dem Desinteresse ihrer Schüler zu kämpfen.

    Aus meiner Sicht als Chemielehrerin ist es generell schwierig, Schüler bei der Stange zu halten. Natürlich gibt es auch diese Versuche, wo es knallt, aber es gibt auch diese Sachen: wie ist ein Atom aufgebaut oder wie ist das Periodensystem strukturiert, und da schalten Schüler relativ schnell ab, wenn man nicht versucht, denen das interessant rüberzubringen. Und da wird eben immer wieder versucht, neue Ansätze zu finden. Wie kann ich eine andere Herangehensweise da erreichen, damit Schüler eine Vorstellung davon erreichen können.

    Nur zehn Prozent aller Chemielehrer nutzen das bestehende Fortbildungsangebot auf dem Markt. Um diesen Anteil zu erhöhen, wollen die neuen Fortbildungszentren die Lehrer aktiv an der Gestaltung des Kursangebots beteiligen, um so konkreter auf die einzelnen Bedürfnisse der Pädagogen eingehen zu können, erzählt Insa Melle, Chemie-Professorin und Leiterin des Dortmunder Instituts.

    Es war so, bevor wir unser Fortbildungszentrum gegründet haben, dass es auch vorher schon ein Fortbildungsangebot gab, nur in begrenzterem Umfang. Aber das sah dann so aus, dass der eine oder andere da einmal eine Veranstaltung anbietet und dann wieder eine, und dann meistens zu einem Spezialgebiet, nur die Breite der gesamten Schul-Chemie erreicht man damit natürlich nicht. Und da heben wir jetzt den anderen Ansatz, dass wir gucken, wo ist ein Bedarf aus der Praxis und versuchen entsprechend, dafür Fortbildungen anzubieten.

    Neben den Kursen, in denen den Chemie-Lehrern neue didaktische Hilfen nahegebracht werden, gibt es natürlich auch ein großes Angebot im experimentellen Bereich. In diesen Kursen stellt das Dortmunder Institut den Chemie-Lehrern Versuche vor, die schülertauglicher sind als die in der Literatur beschriebenen Experimente, erläutert Rupert Scheuer, der die Kurse wissenschaftlich begleitet.

    Dafür haben wir auch einen Lehrer hier am Fortbildungszentrum mit einer halben Abordnung. Seine Hauptaufgabe ist u.a., die Fortbildungen, die hier am Standort Dortmund laufen inhaltlich vorzubereiten und die Arbeitsblätter zu konzipieren und auch in Absprache mit unseren studentischen Mitarbeitern auch die Versuche auszuarbeiten und vor allem auszuprobieren. Denn es gibt Versuche, die in der Literatur stehen, die nicht klappen, und unsere Studenten sind da sehr pfiffig und sehr kreativ und optimieren diese Versuche, so dass sie von den Teilnehmern dann auch in unserer Fortbildung ausprobiert werden können, und die gelingen dann auch.

    Das Dortmunder Institut will seinen Chemie-Lehrern in seinen Fortbildungen vor allem alltagsnahe Unterrichtsthemen an die Hand geben. So soll es im ersten Halbjahr 2003 zum Beispiel einen eintägigen Kurs zum Thema Schokolade, zu Kohlenhydraten oder auch zur Herstellung von Alltagsprodukten geben. Themen, die den Pädagogen helfen sollen, ihr eigenes Unterrichts-Spektrum zu erweitern. Frank Hülden, Chemie-Lehrer an einer Dortmunder Gesamtschule, gehört zu den Lehrern, die inzwischen regelmäßig am Fortbildungsangebot teilnehmen.

    Man bekommt, gerade wenn man an einer Fortbildung teilnimmt die eher experimentellen Charakter hat, sehr umfangreiches Material an die Hand, also in Form von Versuchsbeschreibungen, von Auswertungsbögen, dass man das sofort, ohne das weiter bearbeiten zu müssen, im Unterricht einsetzen kann. Das ist ein Vorteil. Man hat was in der Hand, was sich gleich verwerten lässt.

    Dem Dortmunder Chemiefortbildungszentrum, das von der Gesellschaft deutscher Chemiker, der Uni Dortmund und dem Fonds der Chemischen Industrie finanziert wird, stand im vergangenen Jahr ein stolzer Etat von 80 000 Euro zur Verfügung. Ausgerechnet 2003, im Jahr der Chemie, soll das Institut nun nur noch mit der Hälfte der Gelder zurechtkommen. Doch selbst im finanziellen Bereich gibt sich das Dortmunder Institut experimentierfreudig, so Insa Melle:

    Wir werden uns in den nächsten Monaten intensiv darum bemühen, ob wir weitere Sponsoren finden. Dann gibt uns das die Möglichkeit, unser Fortbildungsangebot noch zu erweitern, denn wir sind in einer Situation, wo wir unsere Kurse eigentlich alle mit Teilnehmern gefüllt haben. Also wir könnten gerne auch noch mehr Kurse anbieten und würden die sicherlich auch noch füllen. Und sollten wir dafür weitere Geldgeber finden, was wir hoffen, könnte das Angebot noch weiter vergrößert werden.

    Autorin: Antje Allroggen

    Links zum Thema

    Chemielehrerfortbildungszentrum in Dortmund