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Chemienobelpreis 2014
Stefan Hell - ein Porträt

Stufe für Stufe die wissenschaftliche Karriereleiter hoch, irgendwann Hochschulprofessor und dann am Ende Nobelpreisträger. Das mag der klassische Weg der erfolgreichsten Forscher sein. Der von Stefan Hell dagegen war viel, viel steiniger.

Von Volker Mrasek | 08.10.2014
    Es gab frustrierende Jahre für den promovierten Physiker. Niemand glaubte an ihn und seine Idee, die Grenzen der Mikroskopie zu überwinden und Licht auch in die noch kleinere Nanowelt zu bringen. Alle dachten, er würde scheitern. Wie viele vor ihm. Aber:
    "Er ist - im Englischen sagt man - stubborn. Er ist wirklich jemand, der an diese Idee geglaubt hat. Und von dieser Idee hat er sich auch nicht abbringen lassen."
    Stefan Jakobs arbeitet schon seit gut anderthalb Jahrzehnten mit Hell zusammen. Auch er forscht am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen und hat zudem eine Professur für Hochauflösende Mikroskopie in der dortigen Universitätsmedizin. Hell sei ein echter Dickschädel, sagt der Biologe, der ihn schon so lange kennt:
    "Aber wirklich Dickschädel im positiven Sinne. In dem Sinne, dass er diese Idee hatte und sie umsetzen wollte - das, glaube ich, darf man schon sagen."
    Von Heidelberg nach Finnland
    Nach seiner Promotion an der Universität Heidelberg Anfang der 90er-Jahre fand Hell keine adäquate Stelle in der hiesigen Forschungslandschaft. Wohl oder übel verließ er das Land. Lieber hielt er an seiner Vision fest, als etwas anderes zu machen:
    "Und da ist er nach Finnland gegangen. Er war an der Universität in Turku. Das ist ein guter Platz, eine gute Stelle. Aber das ist vielleicht nicht unbedingt das Erste, an was man denkt, wenn man Physik machen möchte."
    In der Dispora in Skandinavien machte Stefan Hell weiter Physik - seine Physik. Und kehrte schließlich doch wieder nach Deutschland zurück ...
    "Ich glaub' nicht, dass man von einer Rückholaktion sprechen sollte. Das war halt eine Arbeitsgruppenleiter-Stelle, die hier im Institut ausgeschrieben war. Und die Direktoren, die ihn damals interviewt haben, haben halt die Chance gesehen. Und haben gesagt: Das ist jemand, der sehr gut ist."
    So kehrte der verlorene Sohn also zurück! Das war 1997.
    Viele, die mit Stefan Bell seither zusammengearbeitet haben, beschreiben den frisch gekürten Nobelpreisträger als aufgeschlossen und umgänglich, vor allem aber als enthusiastisch. Jemand, der nicht bloß am PC sitzt, sondern immer noch gerne Laborluft schnuppert, wie Volker Westphal schmunzelt, auch er Max-Planck-Forscher in Göttingen:
    "Er macht seine Hände immer noch schmutzig, wenn ich das so sagen darf."
    Nie zufrieden
    Und wie ist es mit Stefan Hells Marotten? Die hat doch jeder begnadete Forscher, oder nicht? Stefan Jakobs lacht, und überlegt ziemlich lange:
    "Marotten? Er ist wirklich ein netter Kerl! Ich glaube, die wichtigste Marotte ist: Wenn's um Auflösung geht, ist der nie zufrieden. Eigentlich endet jede Diskussion damit: Es muss jetzt noch besser werden!"
    Deutsche Wurzeln hat auch einer der beiden anderen neuen Chemie-Nobelpreisträger: Eric Betzig, Forscher am namhaften Howard Hughes Medical Institute in den USA. Die Familie seiner Mutter stamme aus Stuttgart, sagte der Physiker und Ingenieur heute. Nach dem Anruf aus Stockholm sei er "wie gelähmt" gewesen. Eine halbe Stunde lang habe er unbeweglich vor dem Computer gegessen.
    Der steht übrigens in München. Denn Betzig hält sich derzeit in der bayrischen Landeshauptstadt auf. Dort ist er zu einem Fachvortrag geladen. Was irgendwie witzig ist. Denn auch Edvard Moser, einer der drei neuen Medizin-Nobelpreisträger, war am Montag in München, als ihn die Nachricht aus Stockholm erreichte. Sollte er noch da sein, könnten Moser und Betzig ja auf ein Weizenbier anstoßen - privatissimé, ganz unter Nobelpreistägern ...