Dienstag, 21. Mai 2024

Archiv


Chemikalienschnelltest für Kinderspielzeug

Chemie. - Bisphenol A, ein Bestandteil von Polycarbonat, gilt als gesundheits- und erbgutschädigend. Dänemark wird den Einsatz des Materials deshalb bei Säuglingsprodukten verbieten. Um die Verbote durchzusetzen, sind Kontrollen notwendig, möglichst auch mobil im Handel selbst. Tragbare Geräte für die chemische Analyse sind seit Kurzem auf dem Markt, sie erkennen auch Polycarbonat.

Von Hellmuth Nordwig | 26.05.2010
    Was Alexander Giannikos von der Firma Analyticon in der Hand hält, könnte auf den ersten Blick ein Akkuschrauber sein. Tatsächlich handelt es sich aber um ein Gerät, das Kunststoffsorten erkennt. Die Probe aufs Exempel: Woraus besteht eine Kreditkarte?

    "Ich setze das Gerät auf. Hier sagt er mir: ABS. Das ist ein spezieller Kunststoff."

    ABS steht für Acrylnitril, Butadien und Styrol. Ein Mischkunststoff, aus dem auch Getränkekisten hergestellt werden, Motorradhelme und Spielzeug. Genauso lässt sich in Sekundenschnelle feststellen, ob ein Babyfläschchen aus Polycarbonat oder einem anderen Kunststoff besteht. Die Analyse beruht auf der sogenannten Infrarotspektroskopie.

    "Ich habe hier eine Halogenlampe drin, und dieses Licht kommt auf die Probe. Die Moleküle geraten in Schwingung und absorbieren einen Teil des Lichts. Und anhand dieser Absorptionsbanden kann ich sagen, um welchen Stoff es sich handelt."

    Die Technik ist altbekannt, doch erst seit Kurzem gibt es Infrarotmessgeräte, die klein und leicht genug für den mobilen Einsatz sind. Nach einem verwandten Messprinzip arbeitet ein Gerät, das etwa Taschenbuchformat hat. Es ist ebenfalls in der Lage, unbekannte Substanzen zu identifizieren, wie Anette Fey von der Firma ServanTech mit einem weißen Pulver demonstriert.

    "Er scannt jetzt durch das Verpackungsmaterial hindurch in den Rohstoff und nimmt das Spektrum auf. Die Messzeit bestimmt er selbst - er misst so lange, bis er für sich selbst entscheidet: Ich habe jetzt ein Spektrum, mit dem ich etwas anfangen kann und das mir genug Basis liefert, um in der Datenbank nachzuschauen: Habe ich das Spektrum schon einmal gesehen? Er hat es schon mal gesehen und sagt: Das ist einfach nur Dextrose."

    Gewöhnlicher Traubenzucker; kein Rauschgift und kein Sprengstoff. Auch diese Problemsubstanzen würde das mobile Messgerät auch erkennen. Anstelle einer Halogenlampe enthält es einen Laser und misst das Spektrum der Strahlung, die dank des sogenannten Raman-Effekts von der Substanz zurückgestreut wird.

    "Und dieses Spektrum ist sehr spezifisch. Deshalb wählt man besonders die Raman-Technik, wenn man eine große Anzahl von Rohstoffen hat, die man unterscheiden möchte. Weil die Spektren sehr spezifisch sind, ähnlich wie ein Fingerabdruck in der Personenkontrolle."

    Die Infrarot- und die Raman-Messung ergänzen einander: Wasserhaltige Proben sind für Infrarotanalysen nicht geeignet, farbige oder schwarze Substanzen liefern kein brauchbares Raman-Spektrum. Entsprechend unterscheiden sich die Einsatzfelder: Bei der Sortierung von Recycling-Kunststoff wird die Infrarotmessung eingesetzt. Die Raman-Analyse kommt in der Sicherheitstechnik zum Zug. Zöllner oder Feuerwehrleute können damit rasch unbekannte Stoffe identifizieren. Für Stahlwerke und Metall verarbeitende Betriebe gibt es noch ein neues Gerät, das an einen Fön erinnert. Es stellt berührungslos fest, woraus eine Legierung besteht. Drin steckt eine winzige Röntgenröhre - die Strahlung schlägt Elektronen aus den Atomen heraus, deren Energie für jedes Metall charakteristisch ist. Alexander Giannikos:

    "Ich drücke hier drauf. Jetzt piepst das Gerät, ich bin fertig. Und er sagt mir, ich habe einen 1-45-71. Das ist ein säurebeständiger Edelstahl, der viel in der Pharmaindustrie eingesetzt wird. Und darunter sehen Sie die Elemente, die er gefunden hat, die Konzentration, zum Beispiel hier: Molybdän 2,38 Prozent, Nickel und so weiter."

    Auch Überwachungsbehörden sollen zukünftig mit dem tragbaren Röntgen-Analysegerät ausgerüstet werden. Denn es erkennt auch unerwünschte Schwermetalle, zum Beispiel in Plastikspielzeug aus China.

    "Ist dieses Spielzeug für meine Kinder geeignet oder nicht? Das Gerät startet jetzt, und ich sehe: Hoppla, bei Cadmium springt es auf Rot, und er zeigt mir 600 Milligramm pro Kilogramm Cadmium an, also ein viel zu hoher Wert. Das ist etwas, was ich selbst gekauft habe. Als ich festgestellt habe, dass es mit Cadmium belastet ist, habe ich es natürlich den Kindern weggenommen."

    Zwischen 20.000 und 50.000 Euro kostet jedes dieser neuen Geräte. Für Firmen ebenso eine vertretbare Investition wie für die Polizei oder Kontrolleure im Verbraucherschutz.